TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Seid gegrüßt ihr lieben Menschen, hi liebe Therese,

Manchmal kommt man im Leben in Situationen, in die man so eigentlich gar nicht kommen wollte.
Also sicherlich ist es auch wieder müßig, zu überlegen was nun wie mit dem Zufall zusammen hängen könnte und so, bla bla bla…
Manchmal…

Wissen sie, ich werd´ nämlich zum ersten Mal Vater.“
Herr Eberding lispelte leicht, was die Frau an der Information auch leicht belustigte.
Lassen sie mal sehen…,“ sagte sie. „Eselflink ja?“
Eberding“, sagte Herr Eberding, „Eberhardt Eberding. Wissen sie es ist ja so…“

Hier haben wir sie, Block G-Z, Haus 37b, im Rechten Flügel. Wenn Sie durch die Toreinfahrt von Haus 47g laufen sind sie schneller da. Geht aber auch einfach, immer in Richtung Innere…, wie Sie wollen. Auf jeden Fall im Haus 37b suchen Sie dann Abschnitt H5N1 und suchen nach der Anmeldung in Zimmer 30.26. Falls die nicht da sind klopfen sie mal beim gegenüberliegenden…, nee…, besser den Flur runter und denn rechts. Falls da die Glastür nicht abgeschlossen ist. Sagen sie, daß die Bescheid sagen sollen, daß im Zimmer 30.26 keiner ist.
Und die sagen ihnen denn wo ihre Frau liegt. Ist sie denn überhaupt sicher bei uns auf dem Gelände, oder vielleicht drüben in der Uni- Klinik?“

Ähm…“, sagte Herr Eberding.

Na ja, das wär dann natürlich nicht so einfach zu finden.“

Nein, nein, soweit ich weiß ist sie hier, ich hab´s mir ja genau aufgeschrieben…“
Eberding kramte in seiner Jacket Tasche, und in seiner Hosentasche, in der Innentasche des Jackets und in der anderen Hosentasche.
Na machen sie mal so wie ich gesagt hab, ich hab zu tun.“
Damit klemmte sie sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter gleichzeitig und fing an, wild auf der Tastatur ihres Computers rumzutippen.
Herr Eberding konnte mit solchen Situationen nicht besonders gut umgehen. Er hatte noch nie ein Krankenhaus von innen gesehen und dies hier hatte die Größe einer Kleinstadt. Die Reisetasche seiner Frau fest in der linken Hand, bereit sie gegen jede Unbill zu verteidigen, lief er los.
Die Haupthalle war groß wie ein Flugzeug Hangar, ein Cafè, ein Restaurant und eine Spielhalle waren da. Das mit der Spielhalle verwunderte schon ein bisschen, fiel aber neben der Tabledance Bar nicht so sehr auf. Dann gab es Blumenläden, eine Apotheke, einen Bäcker, das Nagelstudio „Harmonie“, einen Frisör und einen Laden der ausschließlich selbst gehäkelte Topflappen verkaufte.

Na du Eimer Scheiße !!!“ Der kleine Mann in dem Rollstuhl versperrte Herrn Eberding den Weg.

Wie bitte?“ fragte er.

Hast du was an den Horchlöffeln? Ich sagte, Na du Eimer Scheiße !!!

Gib ma ne Zigarette !“

Eberding wußte nicht ganz genau wie er reagieren sollte.
Tut mir leid, ich rauche nicht.“

Denn besorg eine. Und das ganze recht hastig, sonst box ich dir aufs Mundstück.“

Mit einem beherzten Satz rettete sich Eberding in den Fahrstuhl, der auch erst mal losfuhr. Bevor der verstörte Finanzbeamte darüber nachdenken konnte, wo er hin wollte, ging die Tür wieder auf. Er betrat eine weitere Halle die, im Gegensatz zur Haupthalle ganz weiß war.

Guten Tag,… Name?“

Eberding hätte schwören können das der kleine Mann aus dem Rollstuhl jetzt vor ihm stand. In einen Kittel gekleidet, mit einem Stapel Papier in der Hand.

Eberding, Eberhardt Eberding, aber sagen sie mal, waren sie nicht eben noch…“

Todesursache?“ fragte der Mann, sichtlich nicht gewillt auf Eberding einzugehen.

…w…, w…,was?“ stotterte er.

Woran sie gestorben sind, mein Gott, ist doch erst ein paar Minuten her, können sie doch nicht schon wieder vergessen haben. Sie werden doch in Ihrem Alter noch kein Alzheimer haben oder?“

Nein“, sagte Eberding, „wissen sie ich werde nämlich zum ersten Mal Vater…“

Muuhaaaaaahahahahaa…, guter Witz.“ In der Sekunde in der der Mann lachte, war er wieder ernst.
Hören sie zu Herr…, ich habe nicht das ganze Jahrhundert Zeit für ihre Späße. Wenn sie sich nicht erinnern können, woran sie gestorben sind, dann gehen sie bitte in Block G-Z, Haus 37b, im rechten Flügel. Wenn Sie durch die Toreinfahrt von Haus 47g laufen sind sie schneller da. Geht aber auch einfach, immer in Richtung Innere…, wie Sie wollen. Auf jeden Fall im Haus 37b suchen sie dann Abschnitt H5N1 und suchen nach der Anmeldung in Zimmer 30.26. Falls die nicht da sind klopfen sie mal beim gegenüberliegenden…, nee besser den Flur runter und denn rechts. Falls da die Glastür nicht abgeschlossen ist. Sagen sie, daß die Bescheid sagen sollen, daß im Zimmer 30.26 keiner ist.“

Also jetzt Moment mal !“ So ein mutiger Vorstoß kostete Herrn Eberding schon eine Menge Überwindung. „Ich bin nicht tot, ich suche meine Frau, die mein Kind bekommt…, also nicht mein Kind, es ist aus dem Institut…, also ich meine…, von Proffessor Stein…, tahl…, äh…“

Haaach, immer diese Nicht-Los- Lassen- Können Typen, noch vor dem Mittagessen.
Das ist gaaaanz noooormal, schließlich sterben sie ja zum ersten Mal.“ Die Stimme des Mannes hatte jetzt einen leicht gereizten Ton, den man oft bei Pädagogen beim Mittagessen hört.
Wenn sie sich erst mal alles angeschaut haben…“

Aber ich will nichts anschauen außer mein Kind…, also wie gesagt es ist ja nicht wirklich mein Kind…,“

Also jetzt springt mir hier aber gleich der Flügel aus´m Kreuz!“ Der Mann wurde ganz rot im Gesicht, was sich im Gegensatz zur Umgebung äußerst auffällig ausmachte.
Was glauben sie eigentlich was ich hier den ganzen Tag mache ?! Alle paar Minuten kommen hier Tote an, die sich aber auch derartig affig haben…, ich meine, mein Gott, ihr nächstes Leben beginnt in…, „ er schaute, oder besser, er wühlte in seinen Zetteln,“… 7 Stunden und zehn, nein 11 Minuten. Bis dahin können sie froh sein, wenn sie alle Formalitäten erledigt haben.“

Was soll´s denn jetzt noch für Formalitäten geben?“ Herr Eberding bekam langsam den Verdacht, das etwas dran sein könnte, an dem was der Mann sagte. Schließlich ging es ihm in letzter Zeit gar nicht gut. Der Stress mit dem Kind, der Schwangerschaft, den Schulden…, da bekommt man schon mal einen Herzinfarkt, ohne das man´s wirklich mitbekommt.

Tsspfff, noch nie was vom jüngsten Gericht gehört?“ Der Mann schaute jetzt sehr arrogant auf Eberding herab.

Ich habe mir nie etwas zu schulden kommen lassen.“

Jaja, das sagen sie alle. Grade so Typen wie sie, stille Wasser sind dunkel.“

Tief heißt das…“

Was?“

Na stille Wasser sind tief und nicht dunkel.“ So langsam beschlich Eberding eine, fast -alles -scheißegal-Stimmung, die er so noch nicht kannte. Für eine Sekunde dachte er, daß der Tod auch seine guten Seiten hat.

Ach !?“, keifte der Mann seinerseits los,“und warum dürfen die nicht dunkel sein?“

Dürfen sie, aber das Sprichwort geht anders.“

Bei euch auf der Erde vielleicht, aber ihr tickt ja alle sowieso nicht mehr ganz richtig da unten.“

Da oben heißt das…“

Was?“

Tickt nicht mehr richtig da oben:“

Also jetzt mal bitte nicht noch Gotteslästerung in meinem Aufnahmebereich. Den halte ich seit nun mehr als 899.605.467. Jahren sauber. Versauen sie mir bloß nicht den Schnitt. Glauben sie ich habe Lust wieder als Verkehrsengel anzufangen ?“

Aber ich bin ein gläubiger Mensch. Ich geh immer in die Kirche.“

Ja, fragt sich bloß in welche. Bestimmt eine von diesen so genannten neuen Kirchen, Scheintologie, oder so…“

Also bitte, ich bin seit meiner Geburt evangelisch.“

Sag ich doch…, neu modischer Kram. Früher, da wußten die Leute noch um was es ging.“

Er schaute wichtig. Eine lange Pause entstand und der Mann genoss die Situation ganz erheblich. Schließlich riss Eberding der Geduldsfaden.

Um was ging es denn, verdammt noch mal…?“

Geduld…, es ging um Geduld und geflucht wird hier nun schon gleich gar nicht. Wissen sie, ich habe Freunde da oben…, und ich könnte sie, einfach so, ohne das es jemand merkt ganz nach unten schicken…“

Kommen sie mir nicht so, ich arbeite beim Finanzamt, dieses Prinzip kenne ich.“

Sie haben gearbeitet…“

Was?“

Na beim Finanzamt.“

Ach so, na wie auch immer. Wenn ich denn jetzt wirklich tot bin, wer kümmert sich dann um meine Frau und meine Kinder?“

Sie haben doch noch gar keins.“

Natürlich, und wahrscheinlich ist es inzwischen schon da.“

Nein, nein,“ der Mann senkte die Stimme etwas, „das ist bei der Geburt gestorben…“

Eberding wurde bleich, was wiederum jetzt genau zur Umgebung passte.

…, ihre Frau hat Glück gehabt, die liegt im Wachkoma.“

…aber…, aber…,“ Herr Eberding war zu keiner wirklichen Reaktion fähig.

Ich könnte da was arrangieren, das sie noch mal mit ihr reden können. Das Kind ist nun gleich wieder zurück ins Lager…“

Wie meinen sie das, mit ihr reden?“
Nun, wie gesagt, sie liegt im Wachkoma, das heißt, das sie sozusagen mit einem Bein und mit dem andern schon bis zum Knie hier ist. Und ich könnte für sie…, gegen eine kleine Gebühr…, zum Beispiel, also nur zum Beispiel, ihre Scheckkarte mit Geheimnummer. Groß gebrauchen können sie die jetzt sowieso nicht mehr.“

Aber was wollen sie denn hier mit einer Scheckkarte?“

Ich sammele die…, äh also es ist nicht gerade das spannendste Hobby, aber wenn sie erst mal ein paar Jahrhunderte hier gestanden haben, sind sie leicht zu begeistern.“

Herr Eberding gab dem Mann seine Brieftasche. „Die Geheimzahl steht auf dem kleinen Zettel.“

Na das soll man aber nu´ gar nicht machen, Herr…, wie leicht kann da Mißbrauch enstehen.“

Kann ich jetzt mit meiner Frau sprechen?“

Natürlich.“ Der Mann drehte sich um und ging.
Halt, warten sie“, rief Eberding, doch da war der Mann schon verschwunden.

Es vergingen unendliche Sekunden, bis Eberding sich ein Herz fasste und laut sprach:
Else ?!…, Else hörst du mich? Wenn du mich hörst, gib mir ein Zeichen…“
Was machen sie denn hier unten?!“ Die beiden Männer waren auch in weiß gekleidet, aber offensichtlich Krankenpfleger.
Der Keller ist für Besucher nicht erlaubt. Und mit wem reden sie da?“
Nun ja…“, der Finanzbeamte wußte schon wieder nicht wie er reagieren sollte,“wissen sie das ist so…, ich bin tot, also nein eigentlich nicht, oder ich weiß nicht genau und meine Frau bekommt…, bekam doch dieses Kind aus dem Institut und der Mann hat gesagt ich könnte noch mal mit meiner verstorbenen Frau sprechen, solange sie im Wachkoma liegt und ich die Formalitäten noch erledigen muß. Verstehen sie?“

Die Krankenpfleger sahen sich an und begannen mit gutmütigem Ton auf Eberding einzureden:
Na klar, und wenn der Mann das gesagt hat, dann wird das auch schon stimmen. Können sie sich ausweisen?“

Ja natürlich, das heißt nein, der Mann hat ja meine Brieftasche, vielleicht fragen sie mal oben nach, der hat ja meine ganzen Papiere und meine Scheckkarte…“

Schon klar…“, die Männer begannen Herrn Eberding von zwei Seiten her zu umkreisen und ehe man sich´s versah hatten sie sich auf ihn gestürzt, ihn zu Boden gerissen und bewußtlos geschlagen.
Als Herr Eberding wieder aufwachte, lag er in einem Bett, das an allen Seiten Gitter hatte. Er war an Händen und Füßen fixiert. Die Sonne schien durchs Fenster, ihm genau ins Gesicht, so das er die Personen die gerade das Zimmer betraten nicht sehen konnte. Er konnte nur ihre Schatten erahnen und sie hören.
So, und was haben wir hier?“

Klarer Fall von Seppenheimschizophrenie. Wurde völlig orientierungslos, ohne Ausweis gefunden. Wollte gerade mit seiner verstorbenen Frau reden. Und wir dachten, bevor das, wie in einem solchen Fall üblich, in Gewalttätigkeit ausartet, unterbinden wir das ganz schnell. Wir haben ihn jetzt erst mal ruhig gestellt, schließlich wollen sie ja auch in Ruhe ihr Wochenende genießen, Herr Chefarzt. Und am Montag ist er dann gleich der Erste, den Sie operieren dürfen.

ende

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