TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Entschuldigung

Das Morgengrauen und ich haben mein Zuhause wieder mal gleichzeitig erreicht. Das ist nichts Neues. Neu ist die Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Bemerkenswert. Ich halte es für das Beste, sie hier zu veröffentlichen (Trink- und Rauchgeräusche, Pausen, Schluchzer und Lacher habe ich nicht protokolliert):

Hey. Weißt schon, wer hier ist. Lange nix mehr voneinander gehört. Das wird sich ändern. Wirst in nächster Zeit eine Menge von mir hören, Scheiße, ja. Deswegen ruf ich auch an. Möchte mich entschuldigen. Vorher.

Hör zu: Ich schreib ein Buch. Kannst Du Dir das vorstellen? Ich ein Buch? Na, ja…eigentlich ist es auch keins. Es ist Blabla auf Buchlänge. Was ich eigentlich zu dem Thema zu sagen habe, würde auf die werbefreie Umrandung eines Bierfilzes passen. Scheiße, Thema. Gibt kein Thema. Gibt Blabla mit Provokation. Dass früher nicht alles schlecht war. Das Nazifrüher. Ja, ist nix Neues, ich weiß. Darum ja auch. Ich brauch was Todsicheres. Ich bin pleite, und die drehen mir hier langsam alles ab! Wenn ich mich eine Weile in den Bestsellerlisten und den Talkshows halte, bin ich raus aus dem Gröbsten.

Ein paar Sachen sind sogar ganz lustig. So in Gedichtform. Kannst Du dir vorstellen: Ich schreib Gedichte?! Hör mal:

Hitler trug zum Beispiel Hosen, wissen Dokus zu berichten

Und ich kann vielleicht auf Hitler, doch auf Hosen nicht verzichten.

Denn ich säß sonst, statt auf meinem jeansbewehrten Hosenboden

Am Cafètisch – also drunter – nacktbearscht mit blanken Hoden.

Ist doch lustig! Und das „vielleicht“ muß drin bleiben. Das ist mein Türöffner für die ganzen verkackten Talkshows. Ich bin nicht mehr jung. Ich brauche das Geld. Denk dran, wenn Du mich da sitzen siehst. Wenn mich dann irgend so eine Plauderamöbe auffordert, ich solle doch aber mal klar auf Hitler verzichten. Dann platzt meine nächste Bombe. Dann steh ich auf und sage:

„Sind wir denn schon so weit, dass ein deutscher KFZ-Mechaniker seinem jüdischen Kunden nicht mehr sagen darf: Herr Silbermann, Sie brauchen einen neuen Vergaser?“

Und dann geht es richtig ab. Die Plauderamöbe kriegt von ihrem Produzenten gesagt, dass jetzt eine gute Möglichkeit wäre, Haltung zu simulieren. Und sie schmeißt mich live aus der Sendung.

Dann nächster Tag: Ich in allen Gazetten. Skandal. Dann muß ich mich beeilen, lange ist nicht mehr mit Abkassieren. Noch ein paar Termine als moralische Fußmatte für Gutmenschen, die mich öffentlich verurteilen dürfen. Drei Pfeile fünf Euro. Vielleicht noch ein fettes Exklusivinterview: „So hab ich es doch gar nicht gemeint“ oder „Ich hab es genau so gemeint“ oder so. Ist Verhandlungssache. Ist auch wurscht. Hauptsache, ich bin bis dahin aus dem Gröbsten raus.

Tut mir echt leid. Für die Leute, die ich mag. Dass die sich den ganzen Scheiß dann auch reinziehen müssen. Aber ich hab keine Wahl. Es sei denn, Du könntest mir das Geld…ruf doch mal zurück.

Ach, Scheiße, machst du ja eh nicht. Dann ruf wenigstens Sarah für mich an und sag ihr, dass das nicht ich bin, den sie da sieht. Kannst du das machen? Bitte. Um der alten Zeiten willen. Ich melde mich, wenn der Scheiß vorbei ist.

(Stimme des Anrufbeantworters: Ende der neuen Nachrichten.)

Warum ich es für das Beste halte, das Ganze hier zu veröffentlichen? Ich habe keine Ahnung, wer der Mensch ist, der mich da benachrichtigt hat. Hat sich wahrscheinlich verwählt. Aber ich komme so ungern einer Bitte nicht nach. Also kann ich nur hoffen, dass diese Sarah das auf diesem Wege liest:

Ich soll Dir ausrichten, dass das nicht er ist, den Du da sehen wirst.

Mehr kann ich nicht tun.

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