TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Hildegunds Seufzen, Teil 2

Was bisher geschah: Das angemessene Schweigen der ehelichen Lektürestunde wurde durch Hildegunds Seufzen gegen jede Vereinbarung gestört. Auf Ernst-Rüdigers berechtigtes Insistieren bekennt Hildegund die schreckliche Wahrheit. Sie ist mit der Gesamtsituation unzufrieden. Der Schock sitzt tief.

SIE

Ach, hätt ich doch geschwiegen.

ER

Nein, Hildegund, nein! Sagte nicht Clemens von Brentano: Die Liebe will erkämpft sein, ständig neu?

SIE

Wie recht er hat.

ER

Und haben wir nicht schon andere Stürme gemeistert?!

SIE

Denk nur an meine musikalische Krise. Als mir die Oboe nicht mehr so recht zwischen die Lippen kommen wollte.

ER

Do wohntest bei diesem verrückten Trompeter in Ülzen. Ich vermisste Dich bei jeder täglichen Verrichtung, Hildegund.

SIE

Und doch hast Du es mir gegönnt. Du bist ein freier Geist.

ER

Stell Dein eigenes Licht nicht unter den Scheffel, Hildegund. Ich erinnere an meine Jugend-Krise.

SIE

Das Mädchen, das du uns ins Haus brachtest. Das waren schwierige Monate zu dritt.

ER

Und doch hast Du allmorgendlich für die Croissants gesorgt. Der freie Geist bist Du!

SIE

Ich danke Dir, Ernst-Rüdiger. Ich danke Dir für alles.

ER

Ich danke Dir. Doch nun heißt es: Den Blick nach vorn! Was, Hildegund, ist Wurzel Deiner aktuellen Krise?

SIE

Mir kommt die Erregung abhanden.

ER

HILDEGUND!

SIE

Wäre Dir eine Lüge lieber gewesen, wie sie Usus in jeder konventionellen Beziehung ist?

ER

Ausgerechnet die Erregung, Hildegund. Schon wieder.

SIE

In guten wie in schlechten Zeiten, Ernst-Rüdiger. Das waren deine Worte.

ER

Und das sind sie noch heute! Als es Dich nach einer öffentlichen Kopulation verlangte: Habe ich da nicht in der Umkleide eines Bekleidungsgeschäftes getan, wonach dir der Sinn stand?

SIE

Oh, du köstliches Hausverbot bei P&C.

ER

Und als Dir die Erregung ein weiteres Mal abhanden kam – habe ich da nicht höchstselbst die Liebesschaukel montiert?

SIE

Es war ein gutes Geschaukel. Und für Deinen Bandscheibenvorfall habe ich mich entschuldigt.

ER

Darum geht es mir nicht. Nur sage mir: wie viel Arbeit sollen wir denn noch in dieses Thema investieren?

SIE

Nur dieses eine Mal noch. Mein Wort, Ernst-Rüdiger.

Lesen Sie im dritten und letzten Teil am Dienstag: Kann und will sich Ernst-Rüdiger auf das Wort seiner wankelmütigen Lebensgefährtin verlassen? Wieviel Arbeit müssen die beiden wackeren Beziehungsarbeiter noch in dieses Thema investieren? Und wonach mag der seufzenden Hildegund nur dieses Mal der Sinn stehen?

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