TEUTONIKA – Leben in Deutschland

In der Abgeschiedenheit der Tannen

Ein sensationelles Debüt ist der Autorin Andrea Maria Schenkel mit ihrem Kriminalroman „Tannöd“, der in der Edition Nautilus des Verlages Lutz Schulenburg erschienen ist. Für dieses kleine, feine, aber sehr ambitionierte Verlagsprojekt Edition Nautilus freut es in diesem Zusammenhang besonders stark, dass sie endlich einen solchen Bestseller in ihr Verlagsprogramm aufnehmen konnten. Es ist ein Krimi, der so ganz anders ist wie viele anderen Erscheinungen in diesem Metier – unter denen sich zweifelsohne viele sehr gute Werke tummeln. Man muss sich einlesen, ja einlassen, um die Umgebung, die handelnden Personen, die Struktur zu erfassen. Es ist ein fragmentarisches Buch und Bild, das hier erschaffen wird, sehr stark durch die Montagetechnik geprägt, die einst durch den sowjetrussischen Regisseur Sergej Eisenstein entwickelt wurde.
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“Tannöd” beruht auf einen authentischen Fall, die geographische Umgebung bleibt jedoch weitgehend im Dunkel, liegt wohl im Bayerischen Wald. Es ist eine bedrückende Atmosphäre, die von der Autorin Schenkel gezeichnet wird, zeitlich etwa in den Fünfziger Jahren gelegen. Eine bedrückende Atmosphäre, die in einem furchtbaren Verbrechen mündet, bei der alle Bewohner eines Einödhofes brutal ermordet werden. Der Täter wird mittels verschiedener Zeugenaussagen, die mit den innerfamiliären Begebenheiten der Danners, die ermordet wurden, eingekreist, ohne dass – wie meist in anderen Kriminalromanen üblich – ein formeller Kommissar als Ermittler tätig ist. Der Leser selbst wird zum Ermittler und kann bis zum Ende spekulieren, mitgenommen in eine Welt sterbender dörflicher Strukturen, die ach gar nicht so idyllisch ist, wie landläufig gerne dargestellt, und deren junge Menschen vom Lande in die boomenden Städte ziehen.

Es ist der Mut der Autorin Andrea Maria Schenkel, ihr Buch aus den Fesseln eines üblichen Krimis zu befreien, der jedoch durch den Deutschen Krimipreis 2007 belohnt wurde. Und dies zurecht, denn es ist auch für den Rest des Genres erfrischend, wenn auch einmal andere Wege gegangen werden. Nebenbei bemerkt, ist es – schon allein durch den geringen Bekanntheitsgrad der Edition Nautilus – auch ein Buch, das von vielen kleinen Buchhändlern entdeckt wurde und auch in unserer Bibliothek (bzw. Buchhandlung ?!) vorhanden war – lange bevor es bei Elke Heidenreich vorgestellt wurde :-).

Bernhard Meyer

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