TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Catman im Heim T-4, oder: “Was ist Pädagogik?”

Ihr Lieben,

bevor wir uns weiter mit konkreten Extremsituationen eines Erziehers beschäftigen, müssen wir erst mal eine Frage klären, die mir in dieser Woche mehrmals gestellt wurde.

Was ist, und was macht eigentlich ein Pädagoge?

Dies in Gänze zu erklären, würde wahrscheinlich sehr lange dauern, deshalb und aus Rücksicht darauf, daß es sich hier beim geneigten Leser zum größten Teil um Menschen handelt, will ich mich heute zunächst mit dem speziellen Fall des Lehrers beschäftigen.

Pädagogik bedeutet soviel wie Erziehungswissenschaft, oder “Die Kunst des Lernens und Erziehens.” Es bedeutet also vor allem, daß der Erzieher/Lehrer immer auch gleichzeitig Lernender ist, nicht nur Lehrender. Um eines der größten Probleme von Pädagogen gleich mal vorne an zu stellen.

Das zweite, genauso schwerwiegende Problem ist die Sicht von außen, also alles das was man von einem Pädagogen erwartet.

Denn leider beruht das (deutsche) Schulsystem eigentlich nur auf einer Zielsetzung. Nämlich elitäre Selektion. Oder einfach: Wer dem Staat nützlich ist wird gefördert, der Rest kippt hinten über. Ihr braucht das nicht zu glauben, meine Lieben, ein wacher Blick genügt um das zu sehen.

Das eigentlich Hinterhältige an dem Beruf des Pädagogen ist also, daß er sich jeden Tag aufs neue mit der, sein Leben tief beinflussenden, Frage beschäftigen muß: “Wenn ich heute zur Arbeit gehe, will ich ein Staatsdiener sein, oder ein Menschenlehrer?” (Das gleiche gilt natürlich auch für Katzenlehrer)
Beides gleichzeitig ist leider unmöglich, infolge eines völlig inhumanem Notensystems, welches lediglich auf ein gnadenloses Konkurrenzdenken im Wirtschaftsleben vorbereitet und aufgrund eines größenwahnsinnigen Lehrplans, der eben nur denen eine Chance gibt, die von vornherein überdurchschnittliche Intelligenz aufweisen. (Oder weil sie ihre Pubertät allein zuhause verbringen, weil sie keine Freunde haben.)

Ein Staatsdiener zu sein geht relativ leicht. Ich mach mich einfach bis oben hin zu, vielleicht sogar unter Zuhilfenahme einschlägiger Medikamente, vermeide jegliche Emotion, halte mich bis zum Erbrechen an den Lehrplan und erwarte einfach, daß die Drecksgören immer das machen was ich sage. Wer nicht funktioniert fliegt raus oder bekommt eine 6. Oder beides.

Die andere Möglichkeit, den Weg des Menschenlehrers zu gehen, ist bei weitem komplizierter und erfordert ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und emotionaler Intelligenz. Und vor allem die Bereitschaft, erst mal immer allein gegen alle zu stehen.

Der Menschenlehrer muß sich mit jedem einzelnen Kind/Schüler/Jugendlichen individuell beschäftigen, seine Geschichte erfahren, seine Eigenheiten und Fähigkeiten. Er muß jederzeit dazu in der Lage sein das System zu verlassen um Alternativen Raum geben zu können. Ein Lehrer der anstelle von Zuneigung, Verständnis und Intelligenz ausschließlich ein System anwendet, wird ohne Frage zu einer Maschine die Intelligenz blockiert, anstatt sie zu fördern.

Mit Intelligenz meine ich an dieser Stelle eine Intelligenz die frei ist von Glauben, Konditionierung, Nationalismus, eigener Meinung, usw…

Jetzt werden viele Kollegen schreien: “Wie soll ich das denn machen bei einer Klassengröße von mehr als 20 Schülern?! Ich kann doch nicht auf jeden einzelnen… ”

Doch, lieber Lehrer, du kannst! Aber eben nur wenn du bereit bist das System zu verlassen, ja sogar bis zu dem Punkt wo dein Job auf dem Spiel steht.

Und da du die Möglichkeit, deine Klasse auf 5-6 Schüler zu verkleinern nicht hast, mußt du sie vielleicht Wochenweise aufteilen, vielleicht mußt du von jeder Stunde ein Viertel abzwacken, um persönliche Gespräche zu führen, oder was dir noch einfällt. Sowas funktioniert natürlich nur, wenn ich den Lehrplan nicht einhalte. Wenn ich eigenständig den Lehrplan verändere.
Aber außer die Angst vor deinem Vorgesetzten hindert dich wirklich nichts daran.

Ein Beispiel:

Heute hatte ich ein Gespräch mit einer Lehrerin, welches mit ihrer Aussage endete: “Vielleicht sollte ich in der nächsten Stunde mal nicht Englisch machen, sondern mich mit denen hinsetzen und quatschen. Einfach so, um die besser kennen zu lernen.”

Das hatte sie vorher noch nie getan. Sie hatte sich vorher niemals die Arbeit gemacht, die Welt in der Jugendliche heute leben, mit all ihren Tatsachen anzuschauen. Und andersrum genauso, hat sie niemals zugelassen, das die Schüler etwas über ihre Welt erfahren, die zum größten Teil noch in der ehemaligen DDR stattgefunden hat.

Wie also soll hier Kommunikation entstehen. So sehr ich es auch versuchen würde, könnte ich einem Chinesen, der nur chinesisch spricht, nicht erklären was ich denke, wenn ich es ausschließlich auf deutsch tue.

Wie gesagt, das ist nur ein kleiner Teil von dem, was über dieses Thema noch gesagt werden muß, doch für heute will ich´s dabei belassen. Fassen wir noch einmal kurz zusammen:

Erziehung ist im wesentlichen die Kunst des Lernens, nicht nur durch reine Aufnahme von Wissen aus Büchern, sondern durch Aufmerksamkeit und das Studieren der ganzen Bewegung des Lebens. Und durch das Studieren der eigenen Geschichte, denn jeder einzelne ist die ganze Menschheit. Dieses Buch zu lesen ist die Kunst des Lernens.

Dies nicht zu tun, sich aber dennoch Pädagoge zu nennen, würde dem gleichkommen einen Imbissbudenbetreiber einen 3 Sterne Koch zu nennen.
Habt Euch lieb, bis gleich,

Catman

11 Antworten zu „Catman im Heim T-4, oder: “Was ist Pädagogik?”“

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