TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Am Illusionenbeschleuniger: Die Eurokrise.

Politische Konstruktionen brauchen Explosionszeichnungen: Auflösung und Integration.

Zugegeben, Heideggers “Jargon der Eigentlichkeit”
kann wirken wie eine Droge. Man muss vorsichtig bleiben im Umgang
damit, weil da immer auch Gift mitfließt, bei Überdosierung.

Aber trotzdem.

Die eigene Muttersprache ist eine Staatsqualle, die sich im Ozean der überliefernden Strömungen treiben lässt, zusammen-gesetzt aus vielen wahren Sprechimpulsen, Individuen, Polypen, die hier Worte und Begriffe ausbilden und sich zu einer Grammatik verbünden. (integrieren)

Eine Grammatik, die ihre Nesselarme lang und kaum sichtbar in die
Strömung des Sprachmeers auslegt. Manchmal feuern dann Worte wie Nesseln,
Fangwaffen des Denkens. Mikrohaken einer Lautung, die reizen, anregen –
und bei zu strengem Kontakt auch lähmen können.

Eines dieser Polypen- und Nesselwesen der Staatsqualle
Sprache ist das Wort Auflösung.

Sprechen von Auflösung in verschiedenen Zusammenhängen.
Auflösung als Vergängnis und Verwesung von Etwas.
Auflösung als Untermischen von Salz-Kristallen in einer Lösung. (Verdünnung)
Aber auch: Die Auflösung als Schärfe-Leistung eines Mikroskops
oder eines Instruments zur Abbildung.

Explosionszeichnung Motor.

Explosionszeichnung Motor.

Die Frage wäre jetzt, warum das Wort Auflösung ausgerechnet diese
drei Bedeutungen miteinander verkoppelt oder überlagert.
Warum also haben sich sprechende Individuen dafür entschieden, innerhalb
einer Fachsprache zum Beispiel die Schärfeleistung eines Mikroskops
mit dem Wort Auflösung zu bezeichnen mit samt den daraus abgeleiteten Derivaten
der Auflösungsgrenze oder der Hochauflösung

Die Frage kann beschäftigen, weil die Gegenwart irgendwie,
ganz generell Auflösungstendenzen zeigt.
In beiden Richtungen.

Einmal wäre hier die hochauflösende Gerätschaft zu nennen,
die in einer immer weiter sich steigernden Pixelzahl bei zunehmender
Integrationsdichte in Bildschirmen, Chips, Kameras, Präzisionsobjektiven
und anderer Sensoriken als Vorraussetzung einer hohen Empfindlichkeit
und Abbildungsleistung unsere beobachtbare Realität – eben immer tiefer auflöst
zu Detailschärfen.

Steigende Empfindlichkeiten.

Die hochauflösenden Kameras, Teleskope, Sensoriken, aber auch die
hochauflösende Akustik bilden seit Jahren einen Zuwachs
an Empfindlichkeit aus und Differenzierungsvermögen.

Ebenso dissoziiert die Auflösung Bildung und Wissen zu Spezialistenwissen
der Fachschaftsbildungen und Expertenrunden.

Daneben spricht man von hochauflösenden Statistiken,
Millieu-Studien, Profilabtastungen, Modulationen
oder ganz einfach: Sattelitenbildern.

Schaffen hochauflösende Gerätschaften hochaufgelöste Gesellschaften?

Ganz prinzipiell kann man wohl sagen: Die Gegenwart zeigt
ihre Tendenz zur Hochauflösung in Details, so dass man
beinahe schon von einem erhöhten
Strömungsdruck der Details sprechen müsste.

Etwas, das manchmal mit dem Wort Informationsflut umschrieben wird.

Motorrad in Teilen.

Gemeint ist aber hier eigentlich Detailreichtum und Spezifikation
auf Grund der Auflösungsleistung der Instrumentarien und der informellen
Verkehrswege, die diesen Detailreichtum transportieren, verarbeiten oder
nicht verarbeiten (Detail-Müll, Artefakte)

Ein noch anderes Wort heißt Explizitmachung.
Die Vorsilbe EX zeigt an, dass hier ein H e r a u s stellen von Details vor
sich geht, eine zunehmende Abstandsbehauptung von Details im Verhältnis
zu ihrem Gesamtverbund.

Gerätschaftlich. Gesellschaftlich. Explizitgemacht.

Offenbar führt eine noch nicht ganz verstandene Strömung
die Weltverhältnisse einer Auflösung zu, die in ein Meer der instrumentellen
Hochauflösung als in einer ausdifferenzierten und differenzierenden
Verpixelung und Partikulariserung unserer mental bewohnbaren
Weltfläche einmündet.

Explizitmachung. Detailschärfe.

Die Zunahme von möglichen Unterscheidbarkeiten.

Es bleibt stark zu vermuten, dass der Effekt irgendwann einmal herangezogen
werden kann, wenn es darum geht, das Verhalten einer planetaren Zivilisation
als Temperaturbewegung auf der Informationsseite zu beschreiben,
die einer “Auflösungstendenz” von Salzkristallen zu Explizit-Ionen in wässriger
Lösung adäquat ist.

Metathermik?

Wie wichtig ist es, dieses Problem zu “lösen” oder “aufzulösen”?

Ich denke mir, es ist deshalb wichtig, weil die gegenwärtigen Krisen,
zum Beispiel die Eurokrise, auf ein noch unverstandenes Verhältnis verweisen
zwischen eben dieser informell strömenden Verpixelung und Ionisiation
einerseits und einem dazu komplementären Bedürfnis, diesen “neuen” Detailreichtum
einer detailierten Welt bändigen zu wollen mit erstaunlich primitiven
Ideen von “Einheit” oder “Integration” andererseits.

Zu den Primitiv-Ideen zähle ich hier am Illusionenbeschleuniger die Idee,
das Zusammenwachsen oder: die Integration von Details –
und europäische Regionen oder Länder sind auch Details – einer
homogenen Einheitswährung wie dem Euro aufzubürden.

Was bei der deutschen Einheit aus völlig
einsichtigen Gründen funktioniert hat,
droht in Europa zu scheitern.

Nicht Europa muss scheitern, aber vielleicht eine bestimmte Methode.

Es könnte durchaus sein, dass ein zusammenwachsendes
Konstrukt genau anders funktioniert oder auf ganz anderem Wege
erfolgreich gedeihen kann, als es von den Konstrukteuren des
Euros – obschon wohlmeinend – gedacht war.

Komischerweise hat die technologische Welt selbst
Instrumentarien des Zusammenwachsens und der Verknüpfung
hervorgebracht, die von niemandem lauttrompetend beschlossen
oder per repräsentativem Staatsakt “eingeführt” werden mussten, wie der Euro.

Zum Beispiel das Internet.

Oder internationale Großprojekte wie ISS oder CERN oder ITER.

Zum Beispiel die medialen Präsenzen.

Oder die Fluglinien.

Vielleicht muss man diesen selbstwachsenden Verbindern einfach nur
Zeit lassen, die Synapsen auszubilden.

Nimmt man also mal als Beispiel das konstruktive Zusammenwachsen
von technischen Geräten zu “organisierten” Funktionen.

Wenn man eine Konstruktion wie Europa als
ein “Gerät” auffasst, dann leuchtet ein,
dass innerhalb eines solchen Gerätes einerseits regionaler
Detailreichtum der Bauteile und Elemente herrscht, die aber andererseits einer
gemeinsamen Funktion verbunden sein sollen.

Aber was ist die Funktion des Geräts Europa?

Das Gerät Europa kann nur funktionieren, wenn alle Europäer
eine Art “Detailbewusstsein” für ihre eigene aber auch für fremde Regionen
ausbilden. Ein Detailbewusstsein, das man auch mit hoher “Auflösungsleistung”
eines mikroskopierenden Europäers umschreiben könnte.

Eine Einheitswährung wie der Euro aber hatte zunächst mal
als Idee gar keine Auflösungsfähigkeit. Sie ist gemessen
an der Komplexität der “Konstruktion Europa” erstaunlich
primitiv gedacht. Haarsträubend homogen.

Der Euro ist eine Art – um mal ein böses Wort zu benutzen – Gleichschaltung.

Kann man es besser machen?

Gedankenexperiment:

Die regionalen Details in einem technischen Gerät sind zwar “integriert”-
aber das bedeutet ja gerade nicht, dass sie unterschiedslos sind.
Sie können ja nur integriert sein, weil sie Verschiedenheit in Funktionen verkörpern.
Und in dem sie unterschieden sind, bilden sie einen funktionierenden
Verbund aus. Als Gerät.

Dem Konstrukteur eines Gerätes gelingt Integration nur bei
gleichzeitiger Detailkompetenz. Bei gleichzeitigem Wissen
um die “Auflösung” seiner Konstruktion
in seine Details.

Integration gelingt nur, wenn die Details nach ihren
Unterschieden erkannt und zusammengefügt werden.

Wenn man sich also die europäischen Polit-Konstrukteure als Bastler
vorstellt, die ein Gerät Europa bauen wollen, dann reicht es nicht,
zu sagen: Dieses Gerät Europa braucht einen Strom aus einer gemeinsamen
Steckdose – also den Euro.

Kein Konstrukteur würde mit so einem Denken einen Fernseher
oder ein Computer zum Laufen kriegen.

Innerhalb von Geräten wirken unterschiedliche Elemente und Details, soll heißen:
Regionen, Länder. Und diese Regionen – in Geräten – haben alle zumeist Vorschaltelemente.
Das sind Spulen oder Kondensatoren, Mini-Netzteile, die jedem Element noch einmal
eine bestimmte Binnenspannung, also eine eigene stromseitige Wertigkeit zuordnen.

Bei mechanischen Geräten sorgen Kupplungen, Planetengetriebe und Dichtungen
für integrierende Abgrenzungen und detailierte Funktionsformen.

Grenzelemente.

In einem Computer, als Beispiel, speisen den Prozessor nicht 220 Volt, sondern
ein Wert, der weit darunter liegt. Manche Elemente sind Gleichspannungs-Elemente, obwohl
ja aus der Steckdose Wechselstrom bezogen wird. Aber schon am Eingang sorgt ein Netzteil
für Differenzierung auf 12 oder 24 Volt.
Dann sind da wiederum Bauteile, die eine stark modifizierte Art von “Spannung” erhalten,
mit einer modifizierten Frequenz. Innerhalb eines Geräts existieren energieseitig stark
ausdifferenzierte Zonen (Regionen) die über Grenzelelemente zwischen den Elementen
angesteuert und betriebsfähig gehalten werden. Manchmal sogar per Kondensatorschaltung mit
Höherspannung auf mehreren Tausend Volt gepäppelt (Fernseher)
obwohl aus der Steckdose nur 220 Volt abgegriffen werden.

Und so weiter.

Ganz abgesehen davon, dass heute schon in den primitivsten funktionalen Geräten immer
auch Überlastschutz und Pufferspeicher eingebaut sind, um Versorgungs- wie Durchfluss-
Schwankungen auszugleichen oder kurzfristig so abzufedern, dass ein Gerät nicht gleich
bei jedem Pups die Generalkrise bekommt, also komplett ausfällt.

Es stellt sich also die Frage, ob europäische Politik, zumal Geldpolitik,
in einer technologischen Welt auch nur ansatzweise sich darüber im Klaren ist,
was ein “Gerät Europa” sein soll, warum und zu welchem Zweck es konstruiert wird,
und mit welchen regionalen Binnenspannungen und Besonderheiten
seiner Bauelemente es “arbeiten”, sprich: rechnen muss.
Im Verhältnis zu den “220 Volt” des Euros als Einheitswährung.

Hier soll nicht unbedingt die Wiedereinführung der Nationalwährungen
überlegt werden, aber man muss nach der systemischen Intelligenz von politischer
Regulation fragen dürfen, die heute nicht mal ansatzweise dem Niveau eines
Bastelsatzes aus dem Elektronikbaukasten für Zwölfjährige sich befindet.

Dass Politik heute einen solchen systemischen Primitivismus zeigt,
produziert die Krisen.

Ein Europa kann nicht allein dadurch funktionieren, dass man einfach einen Stecker
in eine Steckdose steckt und das andere Ende des Kabels an ein abstraktes Gehäuse
“Europa” anlegt.

Oder indem man Benzin über ein Stück Metall gießt und sagt: Das ist ein Motor.

Deshalb wäre hier auch wieder auf den Finanzexperten
Bernard Lietaer zu verweisen, der deutlich gemacht hat
, dass man einer
überregionalen Einheitswährung regionale
Komplementärwährungen oder Verrechnungseinheiten beistellen sollte,
deren Pointe eben die ist, innerhalb einer ökonomischen Großstruktur
Differenzierungsfähigkeit nach regionaler Funktion und Eigenheit zu ermöglichen.

Der Regio neben dem Euro

Ob das nun unbedingt wieder die Nationalwährungen sein müssen,
glaube ich gar nicht.

Ist es verboten, den Funktionalismus jedes simplen elektrischen “Gerätes” auf Ökonomie
oder Politik zu übertragen, auf einen Verbund von Menschen?

Ich denke nicht. Es kann nicht verboten sein, von der Politik zu verlangen,
in das “Gerät” Europa eine systemische Intelligenz zu investieren,
wie sie auch ein Elektro-Ingenieur bei der Konstruktion eines Stabmixers,
einer Digicam, oder einer Waschmaschine aufbringt.

Es könnte aber sein, dass zukünftige Politik immer stärker an sich selbst
und an den Verhältnissen scheitert, weil sie unfähig ist, einen Sinn,
also eine externalisiernde Funktion ihrer Konstruktionen anzugeben.

Etwas, dass der Europa- Politik heute jeder zwölfjährige Technikbastler
schon mal voraus hat.

Die Krisen kündigen sich an, wenn Politik systemisch nicht mehr
auf dem Niveau der Gerätschaften und Techniken agiert, die diese Politik
vermitteln, oder nicht mehr auf dem Konstruktionsniveau der Waren und Produkte,
denen ein Teil der Politik gilt.
Ganz abgesehen von den Menschen.

Ein Gerät Europa, das funktionieren soll, braucht als erstes eine Definition seiner Funktion. Es müsste sich darüber klar werden, warum und zu welchem Zweck seine Elemente zusammenhalten sollen, anstatt auseinander zu fallen.

Es ist merkwürdig, dass innerhalb unserer Gesellschaft beinahe alles eine
explizite Funktion hat, der Mixer soll mixen, der Rechner soll rechnen,
der Chirurg soll operieren. Aber die Gesellschaft selbst,
die politische Konstruktion Europa, kann nicht angeben, wozu es da ist.

Gemeinschaft sein wollen, gut und schön – aber wozu?

Die Liebe zum Detail kommt aus Explosionen.

Die überraschende Erkenntnis der nächsten Jahre wird sein, dass Gesellschaften
als politische Konstruktionen keinen Zusammenhalt leisten können, wenn sie nicht eine
externalisierte Funktion ihres Zusammenhalts angeben können. Wenn also das “Warum” der
Konstruktion nicht beantwortet wird.

Was bei einem technischen Gerät die definierte Funktion ist, (ein Stabmixer muss Teig mixen) das wäre bei einer politischen Konstruktion die Ideologie.

iihh gitt – Ideologie ? – was für ein Wort! Furchtbar!

Gut, sagen wir statt Ideologie: Funktion.

Ohne definierte Funktion ohne beantwortete Fragen nach dem WOZU und WARUM
von politischen Konstruktionen werden in Zukunft die technologischen Sachzwänge
und funktionalen Kräfte der Dingwelten die Menschwelten überrollen und auflösen.
Dissoziieren und Dissozialisieren.

Im ungünstigsten Fall wären das dann Explosionen ohne Zeichnung.

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