Was schreibt die Presse?
Nicht ganz ohne inneres Kribbeln habe ich heute eine Meldung der FAZ
zur Kenntnis genommen. Münchner Biophysiker sind offenbar in mein
Labor eingebrochen. Naja, kleiner Scherz, aber vor ca Anderthalb Jahren forschte ich hier-Klick-in einem Artikel über den möglichen Zusammenhang zwischen Molekülbildung DNA/RNA und den thermisch-dissipativen Prozessen, die zudem noch mit der Gravitation verkoppelt sind.
Die Verbindung von Thermodynamik mit der Lebenswelt durchzieht ja hier schon seit geraumer Zeit die Überlegungen. Kurz gesagt: Diversifikation und Dissipation sind das Selbe.
Heute bringt die FAZ folgende Meldung:
Ein Wechselbad in der Ursuppe.
Wie hatten sich die ersten Moleküle in der Ursuppe gefunden? Vielleicht lag es am „Badewasser“. Münchner Biophysiker haben im Labor gezeigt, dass man mit einem Temperaturgefälle Moleküle aufkonzentrieren kann.
Von Karin Hollricher.
Vermutlich im Wasser entstand aus organischen Molekülen das Leben. Damit sich in den riesigen Ur-Ozeanen aber Strukturen wie die kopierfähigen Nukleinsäuren überhaupt bilden konnten, mussten sich die dafür nötigen Komponenten in ausreichenden Mengen erst einmal treffen – und anschließend von einer Zellwand umschlossen werden. Wie konnte das im Urmeer gelingen, in dem es noch keine Zellen gab? Eine Möglichkeit der Molekülanbahnung wäre durch simple Temperaturunterschiede. Das berichten die Biophysiker Christof Mast und Dieter Braun von der Ludwig-Maximilians-Universität in München in der Zeitschrift “Physical Review Letters”.
DNA in der Thermodynamik-Falle
Wolle man Nukleinsäuren herstellen und vervielfältigen, sagt Braun, “muss man den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik schlagen”. Der zweite Hauptsatz besagt, dass in einem geschlossenen System die Entropie zunimmt. Lapidar gesagt: Durch Diffusion wird die Unordnung in der Molekülwelt immer größer, bis sie ein Gleichgewicht erreicht.
In völliger Unordnung aber können sich die zur Synthese von Erbmaterial nötigen Bausteine – Nukleotide und Biokatalysatoren etwa – nicht in einer ausreichenden Konzentration versammeln. Es muss also eine physikalische Kraft geben, die auf Moleküle wie eine Falle wirkt und ihre Diffusion begrenzt. Eine solche begrenzende Kraft ist die Gravitation. Sie konzentriert beispielsweise winzige Staubpartikel am Boden. Auch wenn immer wieder Partikel durch Diffusion nach oben entwischen, entstehen doch Flusen und Staubflocken.
Wärmegefälle entwickelt Kräfte
Temperaturunterschiede können auch Moleküle konzentrieren. Bei der Thermophorese, der Bewegung aufgrund eines Temperaturgefälles, sind zwar schwache Kräfte am Werk, aber sie sind extrem effizient. Wie sie zustande kommt, versteht man noch nicht endgültig, aber dass sich auch Biomoleküle in einem Temperaturgradienten gerichtet bewegen, haben Braun und seine Mitarbeiter schon 2007 gezeigt. Damals verdünnten sie Nukleotide, die Bausteine von Nukleinsäuren, in wässriger Lösung und konzentrierten diese millionenfach auf.
In der neuen Arbeit beschreiben die Forscher eine Falle für längere, doppelsträngige Moleküle aus Desoxyribonukleinsäure (DNA) in wässriger Lösung. Angetrieben wird der Prozess durch den Wärmetransport und durch Thermophorese. Die Forscher befüllten eine winzige Glaskapillare mit einer Lösung, in der sich 143 Basenpaare lange, doppelsträngige Erbmoleküle sowie alle zu deren Vervielfältigung nötigen Substanzen befanden. Dann erwärmten sie die Lösung unterschiedlich stark. Im wärmeren Bereich – bei 86 Grad – schmolz die DNA, die Doppelstränge trennten sich voneinander. Da aber nur im kühleren Bereich, bei 59 Grad, die Neusynthese stattfindet, konzentrierten sich in diesem kühleren Bereich schließlich Doppelstrang-DNA-Moleküle.
Darwinsche Lösung auch in der RNA-Welt?
Die Vervielfältigung der Erbmoleküle wurde also durch thermodynamische Effekte auf zwei Orte verteilt: Trennung der Stränge im wärmeren, Verdoppelung im kühleren Bereich. In einer winzigen Menge wässriger Lösung laufen Replikation und Selektion nebeneinander ab – für Braun ein Darwinscher Prozess auf kleinstem Raum.
Ein Temperaturgefälle wie das im Experiment simulierte herrscht tatsächlich in den Steinporen in der Nähe warmer Unterwasserquellen. Allerdings streiten die Experten noch darüber, ob der Ursprung des Lebens in der Nähe heißer Quellen oder eher an kühlen Orten liegt. Für Braun ist dies nicht das Wichtigste: “Egal wo der Ursprung lag, wichtig ist, dass Nichtgleichgewichtsbedingungen bestanden.” Jetzt unternimmt er ähnliche Experimente auch mit RNA-Molekülen. Schließlich war der Beginn des Lebens vor mehr als drei Milliarden Jahren vermutlich eine RNA-Welt, die nicht von Desoxyribonukleinsäuren, sondern von Ribonukleinsäuren geprägt war.
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