TEUTONIKA – Leben in Deutschland

ABRAHAM GREGOR WAR MÜDE.

ABRAHAM GREGOR WAR MÜDE. Und Sarah begann sein Schweigen langsam zu verwirren. Im Schneidersitz saß sie im riesigen Fond der gewaltigen amerikanischen Limousine und machte Videoaufnahmen von ihm. Manchmal aber lehnte sie sich auch aus dem Fenster und nahm Passanten auf, oder filmte den Himmel, den kleinen Ausschnitt von Tag, der ja nur zwischen den Wolkenkratzern zu sehen war.
  Sollte sie lieber aufhören, ihren Vater zu filmen, in dieser Straßenschlucht, irgendwo in New York, jetzt, mitten im Stau, in dieser Enge von Autoleibern und Fußgängern, von Gehupe, auf das doch ohnehin niemandem hört. Und sie hatten so viel Verspätung.
  „Wenn Deine Mutter uns das glaubt, dann… dann…“, der Produzent hatte sich umgewandt, und sah nun direkt in das Objektiv der Kamera, hatte den Motor vorher abgestellt. Er trug eine Brille mit nahezu schwarzen Gläsern, obwohl gar keine Sonne schien, den ganzen Tag war sie nicht zu sehen gewesen, außer einige Minuten am Morgen.
  „Und, wenn wir ´s beide sagen.“
  „Gut, aber Du übernimmst die Verantwortung“, Abraham Gregor startete den Motor wieder, da sich die Fahrzeuge weit vor ihm zu bewegen begannen und fuhr bald sacht an. Von vorne kam ihm ein Polizist auf einem Motorrad entgegen, wie im Slalom, schrill die Sirene, hell die Rundumleuchte, und verschwand wieder hastig hinter ihm.
  „Wir können doch sagen, dass ich erst einen Flug später kam. Da haben wir eine Stunde gut.“
  Wenige Meter gefahren, musste Abraham Gregor schon wieder vor einer Ampel stoppen.
  Sarah ging mit der Kamera näher an ihren Vater. „Dreh Dich mal wieder um. Hier, hier in New York siehst Du völlig anders als Zuhause aus. – Wie Du hier aussiehst… Nur reden müsstest Du nun auch noch irgendwie anders.“
  Abraham Gregor stierte zur Ampel hoch, wandte sich dann aber um, brummte angespannt: „Nun mach doch jetzt endlich die Kamera aus“, kein Wort weiter sagte er. Und während er überlegte, ob er denn fahren solle, obgleich die Ampel ihm das möglich machte, aber hinter der Kreuzung die Straße noch verstellt war, richtete Sarah die Kamera nun auf sich und zog Grimassen. Ein kleiner Junge sah ihr dabei zu. Vielleicht war er so alt wie sie, etwa zwölf, direkt neben dem Wagen hatte er gestanden, hatte mit der Nase ein wenig die Autoscheibe berührt, sprang aber übermütig davon, noch bevor Sarahs Vater weiterfuhr.

(Auszug aus “Augen auf Penelope”)

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