TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Der General

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Eine Nachtigall singt.
   Und doch erfüllt mich Unbehagen.
   Zwanzig Minuten war er hinter mir her gelaufen. In den Straßen der Stadt, hatte er noch in fast jedem Hausflur Schutz gesucht. Dann, auf freiem Feld, abgemähten Kornäckern, die trotz der wolkigen Nacht lebhaft schimmerten, hatte sich sein Suchen nach Deckung aber verloren. Er folgte mir da aufgerichtet und wurde jeden Schritt eiliger. Bis ich, im Abstand, von allerhöchstens nur noch zehn Metern zu ihm, einen kleinen Hain erreicht hatte, und mich dort hinter einer kräftigen Platane verstecken konnte. Mir war, als hörte ich ihn in einer fremden Sprache vor sich hintuscheln.
   Er glaubte wohl, ich wäre weitergeflohen. Doch als ich urplötzlich vor ihm stand, riß er seine unbeschreiblich kleinen Augen auf, stieß einen flachen, hell singenden Laut aus und wollte sich wohl noch an mir festhalten. Denn peitschend hatte er die Arme in den Nachthimmel geworfen, erschlaffte dann aber auf einmal und fiel vor mir in einem dichten Schlehengebüsch zu Boden.
   Nun singt die Nachtigall. Und er liegt in seiner Uniform auf dem Gestrüpp. Und der Morgen dämmert schon. Und bald wird irgendeiner in einer Kaserne sein Fehlen bemerken.

Gelesen von Sandra Hüller linkhausklein.png

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