TEUTONIKA – Leben in Deutschland

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Liebes Katerchen,

ich stelle mir vor ich bin wieder 17 und der Typ, den ich neulich in der Disko getroffen habe, klingelt wie verabredet an meiner Tür. Wir wollen ins Kino gehen.
Als ich öffne, steht vor mir der Kerl, der in der Disko mit Saxon-T-Shirt wild gemosht hat, in Anzug und Krawatte. Blumenstrauß vom Aldi für meine Mutter, Süßigkeiten für mich.
Er fragt, ob er kurz reinkommen darf, meine Eltern kennen lernen. Ich schaue ihn blöd an und bitte ihn dann rein.
Meine Eltern hocken vor dem Fernseher, freuen sich auf ihren kindfreien Abend, als ich mit dem Typ im Schlepptau nochmal ins Wohnzimmer komme.
Ich: Liebe Eltern? Das hier ist Marko, wir gehen ins Kino. (ich drehe mich um, will gleich wieder gehen)
Mum: Hallo Marko (Sie schauen ihn ganz komisch an)
Marko: Guten Tag, nett Sie kennen zu lernen. Ich hab (er räuspert sich und schaut zu Boden) Blumen für Sie Frau Katze.
Mum: (Sie wird leicht rot und schaut irritiert) Oh vielen Dank. Du willst aber mit meiner Tochter ausgehen und nicht mit mir oder?
(alle kichern dümmlich)
Marko: (räuspert sich, nickt, schaut zu Boden) Jaja (wird knallrot) natürlich.
Paps: (guckt uns fragend an) Wenn ihr noch Zeit habt, setzt euch doch, bleibt da nicht so angewurzelt stehen.
(Wir setzen uns aufs Sofa)
Paps: Willst du was trinken Marko? Cola? Bier?
Marko: Danke, danke, kein Bier. Vielleicht haben Sie etwas Wasser?
(meine Eltern schauen mich an, Marko schaut zu Boden)
Ich: Ja, warte ich hol dir was. (wieso können wir nicht einfach gehen …)

Im Fernsehen läuft die 18-Uhr-Wochenschau.

Paps: Also die Merkel hats ja innenpolitisch überhaupt nicht drauf. Was meinst du dazu Marko? (er schaut ihn interessiert an)
Marko: (nickt, schaut zu Boden) Och ja, also ich finde Geschichtsunterricht immer ganz spannend (räuspert sich) Ihr Auto hab ich draußen gesehen. Das ist ja ein ganz toller Wagen.
Paps: (guckt komisch) Ja … ein Fiat Panda .. gebraucht gekauft.
(Betretenes Schweigen als ich wieder rein komme mit einem Glas Wasser)
Marko: (räuspert sich wieder, ich gebe das Glas in seine offene Hand, er schaut mich nicht an) Danke, danke.
(betretenes Schweigen)
Mum: Und was machst du so Marko?
Marko: (schaut zu Boden beim Reden) Ich geh noch zur Schule .. 11. Klasse. (räuspert sich) Ihr Garten ist sehr schön. Wunderbar angelegt und so schöne Blumen haben Sie.
Mum: (schaut auf ihren Aldi-Strauß und fragt sich was der Junge von Blumen versteht) Danke sehr …
(Mum steht auf um für die Blumen eine Vase zu besorgen)
(Marko steht ebenfalls auf)
Ich: (erleichtert) Sollen wir gehen?
Marko: Äh ich äh … ja gut, wenn du willst.
Ich: Naja ich dachte weil du aufstehst …
Marko: Achso, nein, das war nur wegen deiner Mutter. (diese dreht sich wieder um, hebt fragend die Augenbrauen)
Ich: Hä?
Marko: (schaut zu Boden) Ach nichts. Wir können gehen, wenn du willst.

Meine Mum verschwindet mit irritiertem Blick in der Küche, kommt kurz darauf wieder – ohne Blumen.
Mein Vater schaut mich mit einem vielsagenden Blick an, der mich fragen soll, ob ich tatsächlich mit diesem Jungen ausgehen will.
Ich hebe unschlüssig die Schultern und nicke ganz leicht.

Ich: Tschüß Papa, tschüß Mama.
Marko: Auf Wiedersehen Herr und Frau Katze. Danke für das Wasser.
Meine Eltern: Äh ja, gerne doch. Viel Spaß im Kino.
Marko: (er nickt) Danke, danke.
(ich schiebe ihn fast gewaltsam zur Tür und raus auf die Straße)

Draußen frage ich ihn was das für ein bescheuerter Auftritt war. Er sieht mich mit hochrotem Gesicht an und zeigt mir einen Brief, den er zusammengefaltet in der Tasche hatte. Sieht aus wie mehrmals gelesen, fast wie studiert.

Briefvonwagner

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Naja … nicht jeder Brief ist eine Erleuchtung.
Deine Therese

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