TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Die Insel

17

Konrad saß schon eine Weile am Meer, hatte gebadet und blickte in die Wellen. Da sie ihm an diesem Tag aber zu flau waren, ging er bald weiter, bis hohe Felsen die Insel ins Wasser hin steil abschlossen. In ihre Nähe setzte er sich wieder und hörte und sah nun, wie sich die gleichen Wogen mit einer Gewalt, die er ihnen vorher nie und nimmer zugestanden hätte, brausend und tosend gegen die glatten Steine warfen. Es war stets, als zerstörten sie sich selbst, und seltsam lustvoll, aber in der Gewißheit, in Konrads Sinnen weiterzuexistieren: So als hätte jede der Wellen eine unmittelbare Verbindung zu ihm gefunden.
  Konrad hatte sich dieser Wahlverwandtschaft schon lange hingegeben. Dass sich einige Meter von ihm inzwischen auch die Frau aufhielt, bemerkte er nicht. Sie spielte mit dem feuchten Sand des Strandes. Und als Konrad sie später sah, schien es ihm, als empfände sie sich völlig alleine. Doch kurz darauf kam sie auf ihn zu und setzte sich neben ihn, so als hätte auch sie ihn erst gerade entdeckt.
  Konrad war gleich, als brauche sie wieder seine Hand, und er wußte nicht, was er tun sollte. Verlegen spielte er mit den Fingern und erlag erst nach einigen Minuten dem Druck, etwas sagen zu müssen: Es ist schönes Wetter, nicht wahr? sprach er, ohne eine Antwort zu erwarten. Wie eigentlich heißen sie überhaupt, fragte er weiter und fügte gleich noch hinzu: Ich könnte mir vorstellen, Sie heißen Eva, mein Name übrigens ist Konrad, alle sagen, dass paßt zu mir.
  Die Frau sprach darauf, ohne sich zu ihm zu wenden: Ich… ich heiße Lena.
  Und erst nach einer längeren Pause fuhr sie fort: Aber was ist hier jetzt schon ein Name, was eine Unterhaltung, was bedeutet es schon, wenn die Sonne aufgeht, das Meer heute blau, morgen grün aussieht. Was heißt es, das ich nicht zu Hause leben kann und hier Delphine bewundere. Was soll es, wenn ich den Mut habe, hier mit Ihnen zu sprechen, obwohl ich es daheim nicht könnte. Was besagt das alles, wenn Sie Sie sind und ich ich und die Zeit, die Zeit, doch eigentlich unsere ist.
  Und dann sah sie Konrad an, der sie verblüfft betrachtete, und fuhr fort: Ich werde versuchen, hier mit Ihnen zusammenzuleben, versprechen Sie mir jedoch, wenn Sie einen Satz ausgesprochen haben, immer zu warten, bis ich, mit ebenfalls nur einem Satz, geantwortet habe, ehe Sie dann wieder weiterreden dürfen. So wie umgekehrt auch ich warten werde. Nicht mehr und nicht weniger verlange ich. Das ist doch möglich?
  Dann lehnte sie sich an Konrad und sagte: Ich liebe Sie nicht! Und Konrad antwortete, ohne zu wissen, was er sagte: Warum sollten Sie es auch tun.
  Und beide blieben noch mindestens eine Stunde zusammen sitzen und sprachen kein Wort. Nur der Wind wurde langsam stärker; die Wellen aber blieben immer noch gleich groß.

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