TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Die Insel

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Obwohl der Ozean, seine Ruhe und seine Bewegung, seine mächtigen Geräusche und Gerüche das alles Ausfüllende waren und blieben, veränderten sich die Nächte und auch bald die Tage.
  Konrad trug nun ständig eine gewisse Last in sich. Etwas wie ein tiefes leises Summen: Immer wußte er, dass, was er auch tat und dass er überhaupt lebte, nicht nur für ihn alleine von Bedeutung war. Hätte die Frau nicht eine andere Insel erreichen können: Sein Kampf ums Überleben und das Hoffen, Warten auf eine Rettung, all das wäre vermutlich viel einfacher gewesen, und der Glaube an den nächsten erlösenden Tag wäre vielleicht ein vergeblicher, aber doch klarerer geblieben.
  Oft schaute Konrad am Strand entlang, ob er sie sähe. Aber stets endete die Suche auf den im feuchten Sand versickernden Wellen des Meeres, den feinen Rändern, die sie dort unaufhörlich hinterließen. Und hätte er auch hundert Leben, dies bliebe immer so.
  Aber je mehr Zeit verging, um so fragwürdiger wurde Konrad alles, was er entdeckte, erfand oder sich erarbeitete, um mit ihm besser zu existieren. Wenn er zum Beispiel ein starkes Glücksgefühl erlebte, nachdem er es mühevoll erlernt hatte, ein zunderähnliches Material durch Reiben zum Brennen zu bringen, so wünschte er sich nur, dass doch die Frau bei ihm sein möge.
  Das Verlangen, zu überleben, um eventuell von einem vorüberkommenden Schiff entdeckt zu werden, war in Konrad kaum noch vorhanden.
  Sechs Tage, nachdem sich die Frau von Konrad verabschiedet hatte, ertrug er die Umstände nicht mehr, mit ihr auf einer Insel leben zu müssen und doch nur alleine zu sein. Er hatte sich eingeredet, dass er ja eigentlich bloß wissen wolle, wie es ihr geht und vielleicht brauchte sie doch überdies seine Hilfe. Und so begab sich an einem frühen Morgen auf die Suche nach ihr.
  Immer am Ufer entlang. Denn dass sie nicht ins Innere der Insel gegangen war, schien ihm so sicher, wie er nun wußte, dass das Meer unbestechlich ist. Und der Strand kam ihm vor wie der sonnige Tag, und der Dschungel, der war die Nacht.

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