TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Maschinenfolklore

Manchmal hört oder liest man es irgendwo:
“Wie du dein Familienleben organisierst,
das hat etwas Maschinelles.”

oder:

“Ich bin doch ein Mensch und keine Maschine,”

“Ich will mein Kind nicht zu einer Maschine erziehen.”

oder:

“Ich lebe nicht, ich funktioniere nur noch.”

Umgangsbilder, klar. Jedermann weiß ja, wovon hier gesprochen wird.
Man weist der Maschine eine nur mechanische Existenz zu – in der
schematischen Wiederholung von Bewegungsroutinen – während
dem gesunden Menschenleben in einem sozialverträglichen
Zusammenhang eher ein flexibles, dem Moment gegenüber offen
und spontan agierendes Dasein zugesprochen wird.

Aber was bedeutet das?
Freiheitsgrade?
Funktion versus Dysfunktion?

Auch eine Maschine hat gewisse Ansprüche. Daseinsforderungen,
die erfüllt sein müssen, damit sie – lebt? – funktioniert?
Ein Motor braucht einen bestimmten Zündpunkt.
Er braucht den richtigen Sprit, die Kolbenpassung, Wartung, die Zuluft etc…
Und der wäre noch eine vergleichsweise einfache Maschine.

Eine Maschine, würde vielleicht ähnliches
hören lassen:

Mit einem schlecht eingestellten Zündpunkt kann ich zwar
irgendwie noch drehen, aber nicht wirklich Arbeit leisten.
Bei größerer Belastung saufe ich hier ab.
Auf die Dauer macht mich das krank.

Wenn du mich nicht richtig aufstellst,
gehe ich krachen, oder – ich verstelle mich.

Bei dem miesen Gemisch bleibt mir die Luft weg.

Oberhalb einer bestimmten Grundspannung
verkürzt sich meine Lebenszeit auf die Hälfte.
(Das kann teuer werden.)

Achte auf meine Kühlungsphasen, Sicherungssysteme, sonst gibt’s Kabelbrände.

Ein Techniker – der Klassiker wäre hier der Mann oder die Frau
am Schiffsdiesel – kann auch bestätigen, sofern er eine gewisse Sensibilität
ausgebildet hat, dass Maschinen ihre Launen zeigen, ihre Tage und Feiertage.
Oldtimerfans wissen, dass Motoren sich teilweise aufführen, als hätten sie Stimmungen.
Motoren und Maschinen benehmen sich wie Diven mit zum Teil nicht nachvollziehbaren
oder beinahe gefühligen Funktionsschwankungen. Launen. Heiserkeit. Klopfern.
Nebengeräuschen. Merkwürdigkeiten.

Oder der Heizer früher, der zu seiner Lokomotive ein beinahe intimes
Ölkännchen-Verhältnis unterhalten hat. Vor jeder Fahrt.
Durchaus normale Menschen, keine Nerds.

Das alles kann sicher auch für moderne mechatronische
Feinstanordnungen gelten.

Computer verhalten sich irgendwo in einem Grenzbereich
zwischen Anfälligkeit und Gefälligkeit.

So, bei näherem Hinsehen, erübrigen sich die oben angeführten
Zuweisungen gegen das Maschinelle – sie könnten
sich sogar in die Forderung verkehren, nach Verhältnissen zu fragen,
in denen schon viel gewonnen wäre, wenn Menschen
sich gegenseitig so behandeln, als wären sie Maschinen.

Mit Aufmerksamkeit: In Wartungsintervallen. Zuvorkommend.
Regelmäßig mit einem Ölkännchen die Verbindungen pflegen.
Auf die Geräusche horchen. Sich regelmäßig updaten.
Oder mit einem Voltmeter die Grundspannungen abtasten. Putzen.
Reparieren. Sich nicht überlasten. Sich in Gang halten.

Und schließlich auch: Die Oldtimer besonders respektieren, ja geradezu verehren.

Es wird klar, dass auch Maschinen nicht ein einziges Mal irgendetwas zu
100 Prozent genau so wiederholen, wie sie es gerade eben getan haben.
Auch sie unterliegen der Zerstreuung, der Abnutzung. Jede nächste Umdrehung produziert einen Feinst-Fehler, einen Schliff, eine Micro-Kerbe, solange, bis sich die Summe dieser Feinstfehler aus dem tolerablen Bereich in den Verschleiß hineinexponiert hat.

Das wäre die Spontanität der Maschinen. Ihr Lernen gegen das reine Funktionieren.

Negativ bewertet: In den Verschleiß hinein. Positiv: In die Verbesserung.
Lernen hieße dann: Kopierfehler produzieren.

Lebensdauer. Generation. Wartung und Pflege.

Labornotiz.

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