TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Zur Endlösung der Lachfrage

Nicht mehr ganz tagesaktuell und wie ein sehr verspäteter Schluckauf nach einem unbekömmlichen Mahl, dass ich schon längst gegessen und verdaut zu haben glaubte, überraschte die Lektüre Hannah Arendts linkhausklein.png mich neulich mit einem Gedanken, der meine Wahrnehmung doch noch einmal auf die Peinlichkeiten des vergangenen Jahres zurücklenkte. Es geht also um die Peinlichkeit, oder vielleicht müsste man es schon epochale Verblödung nennen oder wenigstens ein intellektuelles Versagen, das einem bestimmtem Zeitgeist und Teilen seiner kulturellen Vertreter, die ihn produzieren, ein bedenkliches Zeugnis ausstellt.
Der Gedanke bezieht sich, etwas verspätet, auf die merkwürdige Anwandlung, Geschichte aufarbeiten, verstehen oder irgendwie besser verwinden zu können, indem man auf die Pathologien menschlicher Subjekte starrt. So wie man nicht erst im vergangenen Jahr plötzlich glaubte, Adolf Hitler komisch oder grotesk oder menschlich finden zu wollen, zu müssen oder zu können.
Als sei damit irgendeine besonders pfiffige Annäherung, irgendeine Verwindung oder gar eine besonders befreiende Form des Verstehens nachgeliefert, was sich da zwischen 1933 und 1945 ereignet hat.
Zum Glück hat es hierzu dann doch genug kritische Beiträge und feuilletonistische Stimmen des Zweifels gegeben. Aber diesem speziellen Einspruch, den Hannah Arendt, würde sie noch leben, vorgebracht hätte, gebührt die Achtung und der Respekt, das Problem besonders scharf und knapp auf den Punkt zu bringen:
Die eigentlich interessante Frage lautet deshalb nicht – darf man
über Adolf Hitler lachen – sondern:

Warum lacht eigentlich niemand über Adolf Eichmann?

Ist er nicht prominent genug?

Gibt es über Adolf Eichmann keine lustigen Filme,
weil das Exempel der Verbindung von funktionaler Normalität und funktionaler Vernichtung, vermittelt und ermöglicht durch Technologien, keine Valenzen für humoristische Annäherungen bietet?

Man kann Adolph Eichmann ganz schlecht parodieren, weil seine Durchschnittlichkeit als Person nichts hergibt, nichts anbietet, von dem man sich über das Moment der Komik und der Parodie distanzieren oder befreien könnte.

Wie geruchlos war Eichmann?

Ist dieser so ungeheurer geruchlose Funktionsbeamte einfach zu dicht an uns allen dran? Ist er uns allen immer noch so unheilbar, so ungeheuer ähnlich, dass wir ihn nicht parodieren, nicht über ihn lachen können?

Zeigt sich in der Normalität der Person Eichmanns, die so gar keine psychopathologische Benutzeroberfläche bietet, vielleicht ein Moment von Funktionalität, die sich bis in unsere Gegenwart zieht, und dem über menschliche Subjekte allein, über gestörte Charaktere, komische Oberlippenbärte oder Sexualpathologien nicht beizukommen ist?

Hannah Arendt als Berichterstatterin des Eichmannprozesses konnte sich damals nicht anders helfen und nannte es „Die Banalität des Bösen.“ Für diese Formulierung hat sie viel Kritik einstecken müssen, weil sie so weh tut. Die ungeheure Diskrepanz zwischen dem Ausmaß eines Verbrechens und einem Normalo wie Eichmann war schwer verständlich und ist immer noch schwer erträglich. Sie war so schwer erträglich, dass man im Nachhinein versucht hat, Hannah Arendt zu widerlegen und auch einen Mann wie Eichmann zu pathologisieren oder ihm die Jacke einer antisemitischen „Bestie“ überzustreifen. Man kann das nachlesen. Ich halte diese Versuche allesamt für sehr dünn und untauglich.

Nach wie vor brauchen wir offenbar das kraftvolle Subjekt, um uns Geschichte zu erklären, oder wenigstens das Böse, das ordentlich böse ist. Hitler der Freak, Hitler der Teppichbeißer, Hitler der Spasti, Hitler der Kranke, Hitler der Hässliche, Hitler die Bestie, Hitler der Verklemmte. Kurz gesagt: Hitler der Mensch.
Humanistisch aufatmend einatmend nimmt man heute den strengen Geruch Hitlers wahr. Und delektiert sich an ihm.

Und Eichmann? Nichts von alledem. Ein nach wie vor nicht verstandenes Problem.

Prädikat: Nicht komisch.

Über Hitler lachen. Was für ein geistig-kulturelles Versagen am Beginn dieses Jahrhunderts.

Hannah Arendt fehlt.

6 Antworten zu „Zur Endlösung der Lachfrage“

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