TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Wie der Weise vom Berge den Dummen half (2. und letzter Teil)

(22/28) Teil1

Was bisher geschah: Der König der Dummen hatte alle seine Untertanen um sich versammelt. Das ist ein selten blöder Anblick, macht aber Sinn; schließlich haben die Dummen etwas zu feiern.

Beruhigt Euch, meine Freunde, rief der König, denn heute soll nur Frohsinn und eitel Sonnenschein unser Gemüt bewegen! Heute vor genau 100 Jahren…oder vor 400 oder 10 … ist ja auch egal, auf jeden Fall: auf den Tag genau heute vor ganz schön langer Zeit haben wir den Weisen der Berge um Hilfe gebeten!

Ein begeistertes Raunen erfüllte den Saal. Der legendäre Weise vom Berge! Des Königs Urahn war mit ihm in die bescheuertste aller Verkehrskatastrophen verwickelt worden, die als Beginn der Ära der Doofen gilt. Noch heute sieht man Idioten in seliger Verklärung auf Unfälle glotzen: Sie starren im stillen Gedenken an jenen glücklichen Unglückstag, an dem es dem königlichen Vorfahren gelungen war, sein und des Weisen Leben auf wundersame Weise aus ihren zerstörten Karossen zu retten. Kleine Kinder, Dumme und Betrunkene haben eben das meiste Glück.

Und Glück war es in der Tat, erzählte der König die Überlieferung seines Ahnen weiter, denn der Weise vom Berge liebte sein Leben und zeigte sich überaus dankbar. „Du von allen Ideen verschonter Geist“, sprach er zu meinem Urahn, „man nennt mich den Weisen vom Berge. Und einmal will ich Dir als solcher zu Diensten sein. Wünsche Dir etwas, wofür man einen scharfen Geist benötigt. Ich werde Dir diesen Wunsch erfüllen.“

Ein seliges Lächeln hatte sich auf die Gesichter der im Saal Versammelten gelegt. Alle kannten den Mythos des dämlichen Erfolgs und lauschten ihm doch immer wieder gern: Wie sich der alte König bitter bei dem Weisen beklagte, dass seine Kinder und Untertanen in diesem Lande nicht wohlgelitten seien. Und er wünschte sich, dass der Weise vom Berge ihn zur nächsten großen Versammlung begleiten sollte, zu der ihn just jene Reise bringen sollte, die durch den Unfall unterbrochen worden war – auf dass der Weise zu den Dummen sprechen und ihnen vielleicht den einen oder anderen cleveren Trick verraten möge, der ihr täglich Maß an Schimpf und Schande mindern könnte.

Der Weise vom Berge lächelte den alten König an und erklärte sich bereit, ihn in dem eilends herbeigeholten Ersatzgefährt zu begleiten. Auf dem Wege zur Versammlung der Dummen schwieg er. Nur bat er sich bei ausnahmslos jeder Gaststätte, jedem Rastplatz einen Reisehalt aus, verschwand für ein paar Momente und setzte sich dann wieder leise kichernd in das königliche Gefährt. Dem alten König erschien solche Gebaren recht sonderbar. Doch dachte er bei sich – und das völlig zu Recht: „Was weiß ich denn schon? Er ist der Weise vom Berge. Und ich stamme in direkter Linie von der Frau, durch deren Eigenverschulden Atlantis untergegangen ist.“

Endlich aber erreichten der alte König und der Weise vom Berge die Versammlung, die vor genau 100 Jahren (oder vor 400 oder 10, ist ja auch egal) in eben demselben Saal abgehalten wurde, in dem die Dummen auch heute saßen. Und dort sprach der Weise vom Berge nur die drei Worte, mit der seitdem jeder dumme König seinem Nachfolger die Krone überreicht: „Wartet mal ab.“

Dann kicherte er ein letztes Mal und verschwand spurlos.

In Wahrheit schlenderte er einfach zum Buffet, plünderte dort den Krabbensalat und ging dann gemächlich seiner Wege. Aber den Dummen damals erschien es eben so, als wäre er spurlos verschwunden. Erstarrt saßen sie auf ihren Plätzen. Erstarrt wartete der alte König auf die Rückkehr des Weisen, der ihm Hilfe versprochen hatte. Vergeblich. Bitter schmeckt auch dem Dummen die Frucht der Erkenntnis: Der Weise hatte sich mit dem König der Dummen einen garstigen Scherz erlaubt.

Doch als die altvorderen Dummen ihre Versammlung auflösten und wieder in die Welt hinaustraten, da merkten sie plötzlich allüberall und allerorten, dass die Augen der anderen plötzlich mit Schalk, aber auch mit Wohlgefallen auf ihnen ruhten. Der Spott war… nicht gewichen, aber weitaus milder geworden. Und die Stelle von Hohn waren Anerkennung, ja sogar Respekt getreten. Der Weise vom Berge hatte Wort gehalten.

Und wisst Ihr auch, fragte der König seine Untertanen, wie der Weise das damals gemacht hat? Was er an die Toilettenwände der Raststätten und Gasthöfe schrieb, dass Dummheit heute als erstrebenswert angesehen wird?

Es war die Frage aller Fragen – die einzige Frage, auf die jeder hier die richtige Antwort wusste. Und all diese unterschiedlichsten Dummen – die Eventmanager und Versicherungsfachsachbearbeiter, die Moppel-Ichs und die To-Do-Listenführer, die, die sich ein Stückweit einbringen und die, die das Ganze differenziert betrachten wollen, die Sales Office Consultant Assistants und Wet-Shirt-Misses, die, die sich am Sack kratzen und die, die noch ein Drehbuch in der Schublade liegen haben, die, die Gesamtproblematik im Auge haben und die mit den Carpe-Diem-Tätowierungen in Arschgeweihhöhe – sie alle riefen mit einer Zunge, dass der Saal in seinen Grundfesten bebte und die doofen Tauben, die in seinen Dachsparren nisteten, vor Schreck auf das eigene Gelege kackten: Dumm fickt gut!

Und in ungläubigem Staunen sahen sie (die sich untereinander schon in den verschiedensten Konstellationen bewiesen hatten, dass so gar nichts an dieser Behauptung stimmte) sich an und konnten es einfach nicht glauben, dass die anderen diesem Satz seit 100 oder 400 oder 10 Jahren blind glaubten. Den anderen konnte man ja wirklich alles erzählen! Wer waren denn jetzt die Dummen? Die würden ja sogar den Geizigen glauben, wenn die sagen: Wir sind geil! rief der König.

Und so endete die große Versammlung der Dummen für dieses Mal mit einem gar großen, rauschenden, köstlichen Gelächter – einem Gelächter, dessen Grund sogar die Abgesandten aus Niederoberuntersulzbach-Gumpelsfeld verstanden.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lachen sie noch heute.

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