Wenn jetzt die Erde ein Sandball wird… das wird für einige Leute aber komisch.
Es gibt aber auch komische Leute.
Die Eskimos zum Beispiel haben in ihrer Sprache über 30 verschiedene Ausdrücke für die verschiedenen Schneesorten. Ist das nicht komisch? Da laufen sie den ganzen Tag im Schnee herum, trinken Schneewasser, essen Schneehasen, als Schutz gegen den Schnee bauen sie sich Schneehäuser. Und wenn dann draußen die Polarnacht das gleißende Weiß endlich in Dunkel hüllt und man nicht mehr aufpassen muss, schneeblind zu werden, da sitzen sie ihren Iglus und unterhalten sich den Rest des Abends mit über 30 verschiedenen Ausdrücken über Schnee. So sind sie halt, die Eskimos.
Das wird komisch für die komischen Eskimos, wenn überall nur noch Sand ist.
UGIYAK (prüft den Wüstensand)
Was denkst du über dieses gelbliche Zeug hier, Agakuk? Ist das vielleicht eine Abart des grobporigen, erdigen Schnees, für den wir in unserer Eskimosprache ein ganz originäres Idiom gefunden haben, das in diese deutschsprachige Synchronisation leider nicht transkribierbar ist?
AGAKUK
Absolut nein, Ugyiyak. Nie und nimmer.
UGIYAK
Was macht dich da so sicher?
AGAKUK
Eine besondere Eigenart dieses speziellen grobporigen Schnees ist seine auffällige Neigung, unter Sonneneinstrahlung in flüssigen Zustand überzugehen. Und dieses Zeug hier schmilzt aber absolut nicht.
UGIYAK
Dann könnte es sich stattdessen um den meist nach Schneestürmen auftretenden, leichtflockig-feinproigen Schnee handeln.
AGAKUK
Was aber durch das Nichtschmelzen auch sehr unwahrscheinlich wird.
UGIYAK
Agakuk! Fast glaube ich, wir müssen den 33 uns bekannten Schneesorten Nummer 34 einfügen.
AGAKUK
Und ich glaube sogar, Ugiyak, dass wir bei diesen Wetter die ersten 33 Nummern alle vergessen können.
UGIYAK
Oh Mann, nur noch eine Sorte Schnee. Das werden vielleicht komische Gespräche abends im Iglu. A pro pos: ich fühle mich so komisch unter meinem Seehundfell. Mir ist so… na… Gegenteil von kalt.
AGAKUK
Warm.
UGIYAK
Genau! Lange nicht mehr benutzt, das Wort. Ist dir auch so… warm unter deinem Seehundfell? Genau kann ich gar nicht sagen, wie warm mir ist. Mir fehlen die Worte.
AGAKUK
Wenn mir so kalt wäre, wie mir jetzt warm ist, dann könnte ich sagen: ich fühle mich, als hätte mir jemand unter meine Seehundfelljacke eine gute Portion des an den Rändern vereisten, harschen Gletscherschnees gesteckt. Aber das passt nicht, weil der würde ja auch schmelzen.
UGIYAK
Vielleicht wird es ja morgen wieder kühler.
Und dann, in der Mittagshitze der traurigen Wüste Gobi, legten die Eskimos ihre Felle ab. Der Wind wehte Sand über die Felle und ließ sie für immer unter den Dünen verschwinden. Und als die Nacht kam, da legten sich die Eskimos nieder, und während sie von einem Land mit so vielen Schneesorten träumten, dass der Gesprächsstoff für Hunderte von Polarnächten reicht, da wurden sie immer kälter und kälter und kälter.
Denn der Schamane sah in seinen Visionen nur noch ganze Seen von wunderbarem Schneewasser, und kein Traumbild hatte ihm gezeigt, dass in der Wüste die meisten Wesen ihr Leben durch erfrieren verlieren.
Ein Leben lang im Schnee gelebt, ein Leben lang über Schnee gesprochen – und dann in der Wüste erfroren. Ist das nicht komisch? Also wenn das nicht komisch ist, dann weiß ich es auch nicht.
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