TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Schneckenzahn.

Wenn man so ein spezielles Zahnproblem hat wie ich, dann ist man allein.

Ist auch besser so. Ich kann mir schon denken, was der Zahnarzt sagen würde:

Was mir denn wohl einfiele? Und dann noch Kassenpatient! Wird er mich im vollen Wartezimmer anranzen! Was ich mir überhaupt denken würde – wie er das mit der Krankenkasse abrechnen soll? Was er da reinschreiben soll? Erwachsenen Patienten wegen Milchzähnen behandelt?

Aber ich bilde mir das doch nicht ein! Hier – der wackelt! Und da drunter kommt ein neuer! Ich merk das doch! Ich krieg meine Dritten – nur dass sie mir eben nachwachsen.

Nein, nein, es wär noch viel schlimmer. Ich weiß jetzt, was er sagen wird. Der wird mich als zahnmedizinische Sensation – als seine Sensation – wird er mich rumzeigen. Bei Stern TV und so was sitz ich dann.

„Hohoho, noch mal Milchzähne. Sind Sie nicht schon fast 40? Und wir haben Ihre Exfreundin am Telefon. Mit der wir drüber sprechen, dass Sie ja schon immer so ein Kindskopf gewesen sind. Immer, wenn es um Verantwortung ging, gleich ins Kindische geflüchtet. Kein Wunder mit den Milchzähnen, sagt ihre Exfreundin.“

Hanne! Die würden sie kriegen dafür. Die wartet auf so eine Chance. Die würd zu Stern TV laufen, rückwärts und auf allen Vieren, wenn sie da mal vom Leder ziehen könnte. Hannes Sternstunde bei Stern TV. Und bei Maischberger. „Mein Thema heute: Das Peter-Pan-Syndrom. Männer, die nicht erwachsen werden wollen. Mein einziger Gast: Hanne.“

Vergiss es, Hanne. Mich kriegen keine 10 Pferde zum Zahnarzt. Ich mach das jetzt alleine.

Er greift sich in den Mund. Ein bisschen Blut fließt.

Aua! Das tat doch früher nicht so weh! Oder ich hatte früher einen weicheren Kiefer. Was weiß ich. Was soll so was? Was soll ich damit? Was ist das nächste? Mumps? Wehe! Dann ist aber hier was los. Das lass ich nicht mit mir machen! Wie hab ich das denn früher gemacht? Schon selber, oder?

Er fasst sich probeweise noch einmal in den Mund.

Aua! Komm, mit einem Ruck! AUA! Ich habe das nie mit einem Ruck gemacht! Ich hab auch Pflaster immer langsam abgezogen. Oder am liebsten draufgelassen bis zum nächsten Schwimmunterricht.

Vielleicht, wenn ich mich nicht so drauf konzentriere. Wenn ich nicht weiß, wann es passiert. Das wäre besser. Der Klassiker: Ich binde einen Bindfaden an den Zahn. Und das andere Ende an die Tür. Und weil ich allein lebe, sterbe ich nach zehn Jahren an Langeweile. Und dann finden sie mich so.

Moment, Moment – ich bind den Faden an die Wohnungstür. Die lass ich angelehnt. Und dann ruf ich jemanden an, dass er vorbeikommen soll. Klar. Wie Micha letzte Woche. Als wir was trinken gehen wollten. Haben wir bestimmt…50 Mal hin- und hertelefoniert, wo wir hingehen. Ob tanzen oder trinken Und nach 75 Stunden Reden haben wir dann beides gemacht: Tanzen und Trinken. Er ging mit seiner Freundin tanzen. Und ich hab zuhause getrunken.

Ich kenn nicht mal einen, den ich anrufen kann, der dann gleich kommt. Ich kann auch darüber länger nachdenken. Dann krieg ich Kopfschmerzen und merk den Zahn nicht mehr.

Hanne. Hanne könnte ich anrufen. Die würde nie und nimmer noch mal diese Wohnung betreten. Es sei denn, ich sag ihr, dass ich ihre bekackten 400 Euro hier liegen habe. Und dass ich zu betrunken bin, um selber zu kommen. Das glaubt sie. Dann ist sie in 6 Sekunden da. Käufliche Schlampe. Und dann schmeißt die die Tür auf. Und der Zahn ist raus. Und ich sitz dann hier und rede mit Hanne, der Zahnfee, die ganze Nacht darüber, dass ihr Geld doch nicht hab. Und das das jetzt ja wohl das Kindischste wäre, was ich je abgezogen hätte.

Ein letzter Griff in den Mund.

Auaaa! Kann mir denn nicht einfach jemand eine reinhauen? Auf den Punkt? Und ohne Vorwarnung? Dass ich vorher nicht damit rechne? Ist das vom Leben wirklich zuviel verlangt?

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