TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Am ersten Winterschneetag: Erinnerung an einen Sommerspaziergang.

Der Junge an der Ampel trug ein Unterhemd als Oberteil; sein linker Arm war von dichtem, schwarzem Haarwuchs bedeckt. Der gleichmäßige Pelz endete an Schulter und Armbeuge. Medi würde sagen: Hypertrichose, Zini würde ergänzen: partiell.

Mir schien es so, als ob er über seinen Haarausfall am Rest des Körpers betrübt war.

Eine Handvoll Schritte weiter hat die Oberfläche Risse bekommen: die Sredzkistraße wird neu beteert. Die manuelle Walze, die den Teer in seine neue Bestimmung quetscht, war alt; das verwitterte Metall gab in der Bewegung Quietschgeräusche von sich, die sich wiederholten – ich zählte acht wiederkehrende Töne, die eine einfache Melodie bildeten. Ich zählte erst, als ich begriff, dass sie nicht vom Mann an der Walze gepfiffen wurde, sondern dass die Walze selbst die Quelle war.

Ich blieb am Rande des Bürgersteigs stehen. Dem fremden Weib neben mir ging es genau so. Wir haben die Walzenmelodie gemeinsam gesummt, uns angelächelt und sind dann weiter getrennter Wege gegangen.

Am Wochenende hörte ich einen der dümmsten Sätze der Welt: Klischees sind destillierte Wahrheiten. Natürlich sagte das jemand, der von der Klischeeproduktion lebt.

Wer die Wahrheit als Klischee propagiert, der leugnet Zwischentöne. Es gibt nur noch das Volk. Es gibt keinen Volker. Wie es das Ruhrgebietsblag in mir am liebsten in den Raum posaunt hätte: Scheiß der Hund was drauf.

Wir alle sind unsere eigenen Zwischenwelten. Alles ist Leben, die Nuancen sind wir. Lebendig wird man durch die Berührungen, die trotzdem und immer wieder neu möglich sind. Wenn Du Dich zwischendurch gefragt hast: warum das Ganze hier? Und es gab denn doch einen Moment des Miterlebens…das ist mein Darum. Das Lächeln an der Musikwalze war ein Darum.

Wilde Geborgenheit – wer auch immer Du bist!

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