TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Freiheit, die ich meine *)

Was ist Freiheit, welche Wertvorstellungen, welche Wirtschaftsordnungen, welche Weichen gibt sich eine Gesellschaft im Namen der Freiheit? Die us-amerikanische Gesellschaft hat sich diesen Wert von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, sieht die Geburt des eigenen Staates geradezu als den Ausbruch der Freiheit, die von nun an über den Erdball verbreitet werden soll, ob die Beglückten es wünschen oder nicht. Gerhard Besier und Gerhard Lindemann sind „Im Namen der Freiheit“, das bei Vandenhoek & Ruprecht erschienen ist, dem Werdegang dieses Begriffes, dieser Vorstellung in der Geschichte der USA nachgegangen.
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Wenn man sich mit der Begrifflichkeit der Freiheit in den USA auseinandersetzt, landet man unweigerlich beim Ergebnis der beiden Autoren, nämlich einer Geschichtsbeschreibung, einem Geschichtsbuch über die USA. Denn dieser Staat sieht sich von Anfang an im missionarischen Eifer, die Welt zu beglücken und im Dienste der Freiheitsverbreitung zu stehen. Einer Freiheit, die Freiheit der Religion bedeutet, die eine Heimat für die verfolgten Puritaner aus Europa darstellt, die eine neue Gesellschaft unter dem Plan Gottes, ein neues tausendjähriges Jerusalem errichten sollen. Als „auserwähltes Volk, als Israel der Gegenwart“ [Herman Melville, S. 84f.] wird die Ausbreitung der Freiheit zum „Manifest Destiny“, der Frontier-Mythos ist geboren, der sogleich auch die Begründung des zukünftigen Kolonialismus und des daraus erwachsenden Imperialismus mitliefert. Im „Gilded Age“ dann die ersten Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Freiheit, die in der us-amerikanischen Gesellschaft fortan meist zugunsten liberaler, wirtschaftlicher Freiheit entschieden werden soll und im Zweifelsfall Streiks, die „den Genuss der Früchte der Arbeit [S. 119] mit voller Staatsmacht niedergeschlagen [Vgl. die Niederschlagung der Bergarbeiterstreiks in West Virginia, Andrea Böhm: „Die Amerikaner“ auf dieser Seite]. Laissez-Faire in der Ökonomie, die Gegenbewegung unter Roosevelt, die Konsumentenfreiheit der 50er Jahre, die Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre, es ist ein Streifzug durch die us-amerikanische Geschichte, mit dem roten Faden Freiheit, der durchaus Spaß macht.

Leider baut das ganze im letzten Drittel stark ab, als die neusten Kapitel der Geschichte der Freiheit unter den Regierungen Bush – Clinton – Bush behandelt wird, die Analyse kratzt nur an der Oberfläche. Keine tief gehenden Ausführen, keine Analyse der Paranoia, die sich fest in die us-amerikanische Gesellschaft eingegraben und einen massiven Abbau von bürgerlichen Freiheitsrechten begünstigt hat, der, wie Richard Senneth es einmal ausgedrückt hat, zu einer Entwicklung des „sanften Faschismus“ in den USA geführt hatte. Die Freiheitsrhetorik von George W. Bush spricht diesen Idealen Hohn. Zu viele Allgemeinplätze ersetzen diese Analyse, als Beispiel sei nur die Ernennung des us-amerikanischen UN-Botschafters John Bolton genannt [S. 252]. Zudem werden nicht alle Aspekte der Freiheit behandelt, orientiert sich die Begrifflichkeit bei Besier und Lindemann sehr stark an religiöser, bürgerlicher oder ökonomischer Freiheit, was gerade bei letzterem im Vergleich zu Europa zeigt [S. 270]. Doch was ist mit den materiellen Aspekten der Freiheit, d.h. ist ein Mensch mit vielen Jobs und der doch nur um das Überleben kämpft wirklich frei? Hat dieser Mensch noch Zeit und Muse sich politisch oder gesellschaftlich zu betätigen und so auch Kontrolle über die Mächtigen, die Freiheit auch missbrauchen können? Und gibt es nicht auch kollektive Freiheitsrechte, sind pünktlich ausgezahlte Renten oder ein funktionierendes soziales Gesundheitssystem nicht ebenso wichtige Seiten der Freiheitsmedaille? Es bleiben Fragen offen, die hier zumindest rhetorisch gestellt werden sollen und die eigentlich genauso im Zusammenhang mit Freiheit diskutiert werden müssen. Dies trübt ein wenig den Genuss dieses Buches, das durchaus ansonsten eine schöne geistige Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freiheit ist und so auch neue Aspekte der us-amerikanischen Geschichte bringt.

*) Titel eines Gedichtes von Max von Schenkendorf (1783- 1817)

Bernhard Meyer

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