TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Das ist die Berliner Lust, Lust, Lust

Ja, brussig.jpgwarum hat er sich das angetan, so denkt man sich bei der Lektüre der Streifzüge Thomas Brussigs durch das Berliner Rotlichtmilieu, die im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft entstanden sind. „Berliner Orgie“ sind die zusammengefassten Reportagen für die Boulevardzeitung B.Z., die vom Nicht-Berliner obgrund ihrer skurrilen und bizarren und manchmal auch sehr geschmacklosen Schlagzeilen des Morgens in der Bahnhofsbuchhandlung eher mit einem amüsanten und ab und zu auch etwas müden Lächeln zur Kenntnis genommen wird. Weil die Süddeutsche das Angebot nicht gemacht hatte so die lapidare, vielleicht etwas einfache Antwort von Thomas Brussig.

Dabei ist ein recht kurzweiliges Buch entstanden, das von der meist feinfühligen Beobachtungsgabe des Autors lebt, der uns in eine Welt einführt die viele wohl kennen, aber auch längst nicht allen bekannt ist. So manchmal kommt man sich dabei wie der kleine Junge vom Lande in der Großstadt vor, wenn man Brussigs offener, aber nicht schmieriger – wie landläufig oft in diesem Zusammenhang genutzt – Sprache in die Bereiche von Lüsten und käuflich befriedigten Trieben folgt. Es ist kein tiefgehendes Buch, aber eines, das man – angesichts der hervorbrechenden Sonnenstrahlen – gerne mal auf der Liegewiese vernaschen kann. „Normalerweise lasse ich Zeit, die sich in Jahren messen lässt, zwischen das Geschehen und das Schreiben treten. Für die „Berliner Orgie“ nutze ich das sprudelnd Frische, das brühheiße der Eindrücke.“ [S. 83] Dies merkt man in einigen Bereichen dem Buch an, aber dennoch gehört der Mut, bekannte Wege zu verlassen und auch einmal andere Methoden des Schreibens zu nutzen, anerkannt. Der ironische Ton, den wir aus anderen Werken Brussigs kennen, die teils humorige Ausgestaltung der Reise durch Sexkinos, Edel- und Billigpuffs, Tabledance-Bars, Hobby- und Straßenprostituierten machen es angenehm sich darauf einzulassen.

Allerdings auch interessant die Gewichtung zwischen den – so möchte man schreiben – edleren Huren und den heruntergekommenen Geschöpfen von Sexkinos und Billiglaufhäusern, die den Autor dann doch erschrecken, obgleich sie vielleicht den größten Teil der Prostitution ausmachen und das unangenehmere Bild zeigen. Hier ist es mit der Feinfühligkeit leider für kurze Zeit vorbei. Und noch eines zum Schluss, lasst es doch bitte unterbleiben Schriftsteller immer in so blöde Korsetts der Vergleiche ( „Der Balzac vom Prenzlberg“ – Der Spiegel, wie es auf der Rückseite des Schutzumschlags geschrieben steht) zu stecken, die sowohl dem alten als auch den neuen Meister nicht gut tun. denn jeder von beiden ist eine Klasse für sich.

Bernhard Meyer

PS.: Zugegebenermaßen die Überschrift ist net grade der Höhepunkt, aber die Vorlage hat es einfach herausgereizt 😉

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