Macht und Ohnmacht oder Stolz und Vorurteil?

Peter Hartz hat ein Buch geschrieben. Aber eigentlich nur verbal, denn der Inhalt des Buches „Macht und Ohnmacht“, besteht nicht aus einem Roman – wobei man manchmal schon an die Fabulierkunst eines Romans erinnert wird -, nicht aus einem fortlaufenden Text zu einem Sachthema, nicht aus den Verszeilen eines Gedichtes, sondern aus über 300 Seiten Interview, das die Wirtschaftsjournalistin Inge Kloepfer mit Peter Hartz geführt hat. Hier führt nicht jemand die Feder, weil er vielleicht das Honorar des Buches braucht, um die enormen Strafgelder zu zahlen, mit denen man sich aus einem Prozess heraus gekauft hat. Nein, hier geht es nicht um Geld, sondern um die Reinwaschung des Namen, um die Reparatur eines Denkmals, um die Verbesserung eines angeschlagenen Images.
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Vor allem eines angeschlagenen Images, das zu Recht besteht und das durch die entsprechenden Gerichtsverhandlungen bzw. dem Vorgehen in diesen entscheidend geprägt wurde. Deshalb kann das mit schneller Interviewfeder geschriebene – denn es musste ja schnellstmöglich auf den Markt kommen – Buch getrost in die Ablage „Bücher, die die Welt nicht braucht“ ablegen. Denn es ist nichts wirklich neues, was auf dem Markt der Nachrichten kommt, im Gegenteil, in einigen Bereichen wird verschleiert und zurecht gebogen. So bleibt Peter Hartz in der Diktion seiner Juristen, erklärt in langen Worten wer eigentlich hier und da schuld hat, welche politischen Intrigen zu seinem Sturz geführt hätten und einige Bereich der VW-Affaire bleiben komplett ausgeklammert. Wenn er hier die Chuzpe gehabt hätte offen zu sein, wegzugehen von der Maßgabe seiner Verteidigung, dann wäre vielleicht sogar ein interessanter Einblick in menschliche Abgründe und einem Stück deutscher Industriegeschichte gegeben gewesen. Nur einmal, kurz vor Schluss rutscht ein ganz ehrlicher Satz heraus: „Und zweitens war das Gehalt Volkerts [i.e. der geschmierte Betriebsratsvorsitzende, der mit der brasilianischen Freundin] auch mit Blick auf die IG-Metall-Funktionäre eine heikle Sache. Volkert hatte ein Gehalt wie die erste Führungsebene des Konzerns unter dem Vorstand. Ich hielt es angesichts seiner Position als Vertreter von 344000 Mitarbeitern und seiner Kooperationsbereitschaft für angemessen.“ So wird aus einem Stück demokratischer Mitbestimmung schnell eine Schmierenkomödie und die dadurch – nicht materiell – angerichteten Schäden waren und sind immens.

Ansonsten sind viel biographische Details, der Aufstieg zur Macht beschrieben, vieles was aber einfach schon bekannt ist. Also nichts neues aus dem Saarland, Stolz und Vorurteil hätte wohl besser als Buchtitel gepasst. Eine politische Bewertung der Hartz-Arbeitsmarktreformen, die zu viel Raum einnehmen würde, soll hier nun nicht erfolgen, nur soviel, das diesen Kapitel vergleichsweise wenig Zeilen gewidmet werden. Und deshalb möchte man am heutigen Karfreitag hingehen und ins Saarland rufen: „Geht in Euch, tut Buße und schreibt bitte nicht solche Bücher.“ Jedoch bin ich gespannt auf die Lektüre des Büchleins „Der Prinzipal“ von Bodo Kirchhoff, der eben auch dieses Thema und die Figur Hartz, durchaus positiv bewertet, in den Mittelpunkt seiner Novelle stellt. Und das Urteil schon vorneweg: Wahrscheinlich lesenswerter.

Bernhard Meyer

Meyer & Meyer

Meyer & Meyer

Bernhard Meyer 34 Jahre Buchhändler Zur Zeit Wanderer in verschiedenen Lebenswelten, schreibe ich in meiner Freizeit Rezensionen und Lyrik. Letzteres wird vielleicht nun öfter mal hier zu lesen sein. Neben dem beruflichen Leben steht auch vielfältiges Engagement im gesellschaftlichen und politischen Bereich. Aktueller Lieblingsdichter: August Stramm

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