TEUTONIKA – Leben in Deutschland

KaDi – DAS INTERVIEW EXKLUSIV.

“Ein Tor gegen Deutschland wäre wie ein Lottogewinn”

Berti Vogts trainiert Aserbaidschan, den nächsten Gegner der deutschen Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation. Als DFB-Chefcoach wurde der ehemalige Terrier 1996 Europameister. Im Interview spricht Vogts über die Bedingungen in seiner neuen Heimat und die Perspektiven in Deutschland.

vogtsFrage: Am Mittwoch treffen Sie mit Ihrer Mannschaft in der WM-Qualifikation auf Deutschland (18 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Inwieweit ist dieses Spiel für Sie als ehemaligem Bundestrainer eine besondere Partie?

Vogts: Natürlich ist das für mich ein besonderes Spiel, mein Herz schlägt dann fürchterlich. Ich weiß ja schließlich, dass ich dem deutschen Fußball alles zu verdanken habe. Und egal, wo ich arbeite, interessieren mich immer zuerst die Ergebnisse meiner ehemaligen Mannschaften, der Nationalmannschaft und von Borussia Mönchengladbach. Dann kommt, wenn man so will, alles andere, der Alltag. Aber schreiben sie die letzten Worte so bitte nicht.

Frage: In der WM-Qualifikation haben Sie mit Aserbaidschan bislang noch keinen Sieg landen und auch noch kein Tor erzielen können. Ist das nicht frustrierend?

Vogts: Nein, frustrierend sind andere Sachen. Als sich meine Frau von mir getrennt hat, zum Beispiel. Ich hätte damals nicht gedacht, dass dies so tief nachwirken würde.

Frage: Ihr Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Können Sie sich vorstellen, den Kontrakt zu verlängern?

Vogts: Vorstellen kann ich mir alles, was vorstellbar ist. Aber sicherlich muss man dann frühzeitig abklären, inwieweit der Verband in der Lage ist, meinen Vorstellungen zu folgen.

Frage: Was ist der größte Unterschied zwischen dem professionellen Fußball in Deutschland und in Aserbaidschan?

Vogts: Es existieren viele Unterschiede. Zwar gibt es auch in Aserbaidschan Vollprofitum, aber es wird am Tag im Schnitt nur einmal eine Stunde trainiert, inklusive An- und Abfahrt. Zudem kommen die meisten Nationalspieler in ihren Clubs nicht zum Zuge, da überwiegend Ausländer, zumeist aus osteuropäischen Nachbarstaaten, bei den Clubs spielen. Das beste Beispiel ist Meister FK Baku, wo praktisch nur ausländische Akteure unter Vertrag stehen und kaum einer die Landessprache spricht. Vor Länderspielen ziehe ich meine rund 20 Spieler eine Woche zusammen, um dann wenigsten ein normales Training mit zwei Einheiten pro Tag zu gewährleisten. Und dann reden wir deutsch. Das gefällt allen.

Frage: Haben Sie trotz der widrigen Umstände denn nach wie vor Spaß an Ihrer Arbeit?

Vogts: Widrig hin, widrig her. Man sieht ja dann und wann auch Fortschritte. Gegen Teams, die auf oder unter unserem Niveau spielen, haben wir uns stets gut aus der Affäre gezogen. Wir haben gegen Usbekistan 1:1 gespielt, in Kuwait ebenfalls 1:1 und in der WM-Qualifikation haben wir bislang noch kein einziges Mal höher als 0:8 verloren.

Frage: Was erwarten Sie denn von dem Kräftemessen mit Vize-Europameister Deutschland?

Vogts: Meine Mannschaft soll die Chance nutzen, von Deutschland zu lernen, mehr noch als bisher. Wenn wir das Hinspiel in Baku knapp und beim Rückspiel nicht zu hoch verlieren, wären wir mehr als zufrieden. Klar ist aber, dass die deutsche Mannschaft der Topfavorit in beiden Spielen ist. Aber ein Tor gegen Deutschland wäre für meine Mannschaft wie ein dicker Lottogewinn. Von der Prämie, die wir für dieses eine Tor bekämen, könnten hier 50 Familien wahrscheinlich mindestens 70 schöne Jahre lang üppig leben.

Frage: Wo erwarten Sie die deutsche Mannschaft am Ende der WM-Qualifikation und was trauen Sie ihr bei der WM-Endrunde in Südafrika zu?

Vogts: Deutschland wird ohne Wenn und Aber wahrscheinlich Gruppensieger und ist für mich auch einer der fünf bis acht Anwärter auf den WM-Titel. Das Team ist auf allen Positionen sehr stark besetzt.

Frage: Hat es Sie überrascht, dass in diesem Jahr der deutsche Nachwuchs drei EM-Titel gewinnen konnte?

Vogts: Nein, das hat mich nicht überrascht, weil sich die Rahmenbedingungen in Deutschland zum Positiven geändert haben. Heute drängen sehr viele „hungrige“ Spieler in die Vereine, deren Eltern einmal aus aller Herren Länder nach Deutschland kamen. Die wollen es uns zeigen, was es heißt Deutscher zu sein.

Frage: Können Sie sich vorstellen, noch einmal im deutschen Fußball zu arbeiten?

Vogts: Mit Sicherheit. Vielleicht nicht als Trainer, sondern als Technischer Direktor. Ich könnte mir auch vorstellen, die Nachfolge von Theo Zwanziger auszufüllen, oder dem DFB wenigstens als Berater zu helfen.

Frei nach einem Interview von Jürgen Zelustek, Spiegel Online 10. 8. 2009

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