TEUTONIKA – Leben in Deutschland

KaDi – DAS INTERVIEW EXKLUSIV.

„Alle Texte sind Ausdruck meines Nicht-Gelingens“

Nachhall auf ein Früher, das nur Wehmut auslöst: Schriftsteller Peter Handke im SN-Interview über sein aktuelles Stück „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ und über die Nichtexistenz irgendeiner Idylle.
Das also ist er, der scheue Dichter, von dem alle so tun, als wäre er unerreichbar. Im Schatten einen Tisch weiter: das Interview. Handke ist in der Stadt, wo er jahrelang gelebt hat, weil bei den Salzburger Festspielen sein Text „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ aufgeführt wird. Ein Echo auf Becketts „Das letzte Band“.

handkeSN: Warum haben Sie dieses Echo auf Samuel Becketts „Das letzte Band“ verfasst?

Handke: Ja, warum . . . Auf „warum“ kann man oft nicht antworten. Das tut dem Beckett-Stück gut. Das tut gut, dass da ein Licht, ein anderes Licht dazukommt.



SN: Im Programmheft sprechen Sie in einem Text der Literaturwissenschafterin Elisabeth Schwagerle davon, dass Sie sich immer wieder vorgenommen haben, alles schwarz zu sehen. Und kaum, dass das Schreiben beginnt, kommen Ihnen diese Schwarzbilder abhanden. Nun hellen Sie auch den Beckett auf. Ein Scheitern also?

Handke: Alle meine Texte sind Ausdruck meines Nicht-Gelingens.



SN: Klingt nach Ehrfurcht.

Handke: Ehrfurcht nicht.

SN: Sind Sie neidisch auf Musiker?

Handke: Bin ich. Ja, bin ich. Manchmal. Diesen Neid hab’ ich gern. Ein großes Lied . . . naja, ein großes Buch ist auch etwas, auch das ergreift einen. Aber Buch, Lied . . . Elvis, Buddy Holly, Dostojewski, Beatles, Stendhal, mittelalterliche Epen, der Krieg und der Frieden – alles gehört zusammen. Ich hätt’ nie ein Lied schreiben können.

Ich hab ja Singen gehasst in der Schule, das Singen meiner Mutter. Bei Elvis hab ich mich ja geschämt, dass ich das gemocht habe. Aber ab den Beatles hab ich aufgehört mich zu schämen. Da hab ich gedacht: Die sind ja auch wie du.

SN: Dass alles zusammengehört, wie Sie sagen, ist wohl ein Resultat dieser Tage in den 60er-Jahren.

Handke: Ja. Endlich war mal dieser Unterschied nicht mehr da. Das ist für immer vorbei. Dieser blöde Ausdruck von E- und U-Musik. Alles, was aus der Tiefe kommt, auch wenn es zugleich wieder Oberfläche wird, wie Pop, hat Schönheit. Das ist alles wahrlich unsterblich.
SN: Wünschten Sie sich, manchmal etwas oberflächlicher wahrgenommen zu werden?

Handke: Ja, Sie haben recht. Ich sehne mich danach, jede Nacht, seit Jahren, dass einige meiner Stücke als Boulevard stücke wahrgenommen werden.

SN: Passiert aber nicht. Vielleicht auch, weil Sie ja so ein Art Heiligkeit umgibt, der Dichter jenseits von jedem, der im Wald um Paris Schwammerl sucht, sich manchmal provokant zu Wort meldet. Das ist doch nicht schön, nur so – als Schwieriger – wahrgenommen zu werden.

Handke: Natürlich ist es ein Dilemma heutzutage für einen, der ernsthaft Literatur schreibt, Träume formuliert. Wo habe ich meinen Platz als Schreiber? Es ist eine schwierige Situation, ein Dilemma, das nie größer war als zu unserer Zeit.


SN: Woran liegt das?

Handke: Wir werden immer in ein bisschen ein seltsames Licht gerückt. Und das ist ja auch normal. Aber die meisten Schriftsteller und Schreiber sind ja längst unglaublich tüchtige Bankiers und Produzenten, Kameramänner und Regisseure und auch die Conferenciers ihrer selbst. Ich hab’ das schon auch zwischendurch ein paar Mal versucht zu machen: Regie zum Beispiel. Aber ich hab’ bemerkt: Ich bin da nicht gut genug darin.

SN: Warum?

Handke: Ich bin als öffentlicher Mensch einfach nicht gut. Und das ist auch ganz richtig so. Beim Suchen von Schwammerln, da… Ach, lassen wir das.

SN: Was ist etwas für Sie?

Handke: Für mich ist die Sprache, der Umgang damit etwas anderes, etwas Gewaltiges, etwas das nicht selbstverständlich ist – wie ein gutes Lied von Van Morrison oder von Dylan, oder ein gutes Stück Prosa, oder zwei, drei Repliken in einem Stück. Da erscheint das Leben. Drei, vier Sätze, und man ist nicht nur getröstet und verliert Tränen, sondern ist auch gekräftigt.



SN: Merken Sie das, wenn Sie schreiben?

Handke: Vorher merk ich’s, bevor ich schreibe. Und dann schreib ich’s halt schnell auf.

SN: Das klingt ja einfach.

Handke: Naja. Kommen Sie, jetzt lassen wir’s, oder? – Solche Bemerkungen. Trinken Sie noch einen Wein.

SN: Nur das noch: Im Text „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ kommt eine Autobahnstation vor, sonst gibt’s keine Orte. In solchen Zwischenräumen, Nichtorten, halten sie sich da am liebsten auf?

Handke: Ich sage dazu immer Schwellenräume, Schwellenbereiche, wenn man in einem Übergang der Transzendenz ist, von einem Bereich zum anderen, wo man spürt, was die Welt tatsächlich zusammenhält.

SN: In dem Text „Am Felsfenster morgen“ schreiben Sie mit Blick auf Salzburg, auf Dauer könne Ihnen ein Ort nur etwas bedeuten, wenn Sie sich auf Dauer von ihm entfernten. Nun leben Sie schon seit fast zwei Jahrzehnten südwestlich von Paris. Drängt es Sie nicht weg?

Handke: Nein es drängt mich nicht weg. Ich fühle mich verantwortlich für den Garten, den Boden, die Käfer, die Bäume, das Licht. Da kann man nicht weg – wenn man Besitzer ist, ist man schon ein halbes Arschloch. Aber ich hab das ja auch gerne, den Garten und den hinziehenden Duft.

SN: Das klingt doch nach Idylle.

Handke: Es ist keine Idylle. Es gibt keine Idyllen in der Welt. Nirgendwo. Ein Idylle ist ein Gefühl von anderen Menschen. Das ist alles Täuschung.

SN: Und man kann sich auch keine Idylle schaffen – so mit Haus und Garten?

Handke: Nein. Nie hat’s Idylle gegeben. Nie. Es ist vielleicht ein Vorteil, einen Garten zu haben, um dort lesen zu können. Aber es hat nichts mit Idylle zu tun. Vielleicht gibt’s solche Momente, wenn der Wind durch die Kastanien geht. Aber Idylle ist das nicht. Vielleicht ein Aufatmen und dann denkt man: Jetzt ist jetzt. Und jetzt ist die Zeit: Und die Zeit wurde mein Garten.

SN: Das klingt nach einem Grundprinzip der Rockmusik: Immer genau hier, immer genau jetzt passiert, was wichtig ist.

Handke: Aber bei mir ist das vorbei, war es wohl nie so. Entschuldigung an die Kastanien! – Aber jetzt ist jetzt. Ich spür’ das nicht. Doch ich wünsch’ allen, die jünger sind, dass sie das sagen können: „Jetzt ist jetzt“.

SN: Das ist also eine Altersfrage?

Handke: Ja, weil ich nicht mehr glaube, das halten zu können, das Rauschen des Laubes im späten Licht des Herbst. Früher glaubte ich; Jetzt! Und sagte mir: Merk’ dir diesen Moment, diesen Augenblick.
Das war dann aber auch schon vorbei. Aber es hat nachgewirkt und Kraft geben. Und jetzt . . . jetzt hab ich keine Kraft mehr.

Frei nach einem Interview von Bernhard Flieher in den Salzburger Nachrichten vom 11. August.2009

Interview mit Berti Vogts, Dieter Althaus, Peter Struck

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