TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Report: Mit Gedichten Geld verdienen.

Ich stehe hier mit dem Kamera-Team,
Grund wird noch nicht verraten,
an grünem Ort, nicht weit von Berlin,
ich würde sagen: In einem Garten.

Bei mir steht auch Herr Wolfram Kauer,
Gründer, Unternehmer seines Zeichens

– Herr Kauer, kann man das sagen,
Oder seh’n sie sich eher als ein Bauer?

Manche Leute, die herkommen, meinen
der Tiere wegen auf Bauer zu reimen
Ich sage, es ist ein moderner Betrieb
Nur sehe ich da keinen Unterschied.

Sie haben nun hier, auf die Fläche verteilt,
mehrere Becken, Bassins, unter Bäumen,
Wiese dazwischen und Blumen. Verweilt –
Herr Kauer – ein Mensch hier zum Träumen ?

Ja, durchaus, die Gegend läd dazu ein,
Das soll sie auch, dafür ist sie gemacht,
Die Landschaft anspruchsvoll, wie beim Wein-
anbau, ist sehr penibel bedacht.

Der Lichteinfall, Temperatur, die Lage
der Teiche zur Windrichtung, die ganz Art
der Gewächse drum herum sind eine Frage
empfindlicher Ökologie…

Die Steine…?

… haben wir von weit herangekarrt.

Die Kamera bitte macht einen Schwenk.

Wer, Herr Kauer, sitzt auf den Steinen?
Es sieht so aus, einer sitzt da und denkt.
Sehr ruhig vom Kopf bis zu den Beinen.

Das, Herr Moderator, ist beinahe richtig.
Bewegungslos vom Schopf bis zu den Sohlen
sitzt er da, doch denkt er nicht – er dichtet.
Schaut ins Bassin, Inspiration zu holen.

Die Bassins, Herr Kauer, erklären sie uns bitte,
was es damit auf sich hat – was ist da drin?

In diesem Becken hier ist eine große Zahl
an Krokodilen – hungrig, übrigens, nach Sinn.

Wollen Sie, Herr Kauer, damit andeuten,
die Krokodile lauern da so munter,
warten darauf, einen Sinn zu erbeuten?
Und was da kommt, schlingen sie runter?

Ungefähr richtig haben sie’s ausgedrückt.
“Sinn” allerdings braucht’s nicht zu heißen
Ich weiß, es klingt ein bisschen verzwickt,
Gedichte sind’s, in die sie beißen.

Bevor wir jetzt schon zu viel verraten,
fragen wir ein Dichter-Exemplar.
Da hinten sitzt eins, scheint zu warten.
Wir sind gespannt auf seinen Kommentar.

Guten Tag, wenn ich kurz stören darf,
man sagte mir, sie dichten hier, erklären
sie bitte kurz und knapp oder scharf:
Krokodile sind’s, die sie ernähren?

Ja, viele Worte fließen durch meine Adern
Metaphern, Kommas, Alegorien, Zeilen
bewegen sich hier, ein einziges Wabern
im Blut, im Gehirn, da ist kein Verweilen.

Aber sie schauen dabei die ganze Zeit
ins Bassin zu einem bestimmten Reptil…

Ja, irgendwann ist das Gedicht bereit
Den Zeitpunkt kennt das Krokodil.

Gut, doch verständlich ist mir das nicht,
Einerseits möchte ich sie nicht stören.
Andererseits frag ich mich, welches Gedicht
erzeugen sie gerade – dürfen wir’s hören?

Nur so viel: Es handelt von weichen Stränden,
ganz empfindlichen, einer Frau, die da spürt
wenn ein Paar Hände, Lippen die Welle
erregt, die ihr Schiff ins Weite entführt.

Das klingt nach Wasser. Nach einem Becken.

Ich will sie nicht hindern, was zu entdecken.

Ich danke Ihnen, wir zoomen zurück
in die Landschaft noch mal für die Zuschauer,
die Blumen, die Bäume und Becken im Blick,
und schwenken zurück auf Herrn Kauer.

Schnitt.

Der Ton wieder läuft, Herr Kauer, Geschäftsidee
nannten sie das, sich selbst einen Gründer
Ich frage sie deshalb genauer, damit ich’s versteh:
Rechnet sich sowas? Stopft es die Münder?

Nun, sagen wir so, es stopft der Krokodile
Münder zuerst, dann stopft es auch meine.
Abnehmer unsrer Produkte gibt’s viele
In Variationen gilt immer: Jedem das Seine.

Für die Zuschauer, denke ich, wird es jetzt Zeit,
zu klären, wie der Betrieb funktioniert.

Nun, die Dichter hier sind instruiert:
Dichtung, heutzutage, ist Futterangelegenheit.

Moment mal, Herr Kauer, was macht der da?

Sie sehen, der Dichter geht jetzt zum Becken.

(Macht einen Schwenk mit der Kamera.)

Um Gottes Willen, was soll das bezwecken?

Sie werden gleich einen Aufruhr erleben.

Herr Kauer, der Dichter wurde gebissen!

( Panzer schlagen, Wasser spritzt, ein Beben)

Ja, die Echse schraubt schnell. Er wird herumgerissen
Was für eine Kraft…

Das Reptil macht die brechende Drehung!

Herr Kauer, dies in gemeiner Ansehung:
Der Mann da verliert sein Leben!

Ja, und er verliert dichtend sein Blut.
Schauen Sie nur, das Bassin färbt sich rot.

Herr Kauer, Entschuldigung, mir ist nicht gut.

Es ist schon vorbei, der Dichter ist tot.
Er hat es geschafft.

Die Echsen, die Mäuler mit vielen Zähnen,
schlingen sein Blut, sein Skelett wird zerteilt,
Sie knacken – sein Kopf – das muss ich erwähnen,
samt Gedicht – das hat er gefeilt:

Die Worte, die Reime, die Liebe, das Bild
jener Frau, an die er eben dachte,
das frisch zu fressen, machte sie wild.
Sein Schädel war’s, der gerad zerkrachte.

Äh…Herr Kauer, sie müssen erlauben,
die Frage, die dazu sich stellt:
Wer kann dabei Gewinn abstauben?
Anders gefragt: Wer verdient Geld?

Nun, die Sache ist einfach erklärt
Die Haut der Reptilien wird extra zart,
mit lebenden Dichtern man sie ernährt,
Teures Futter damit wird eingespart.

Der Stoffwechsel spült die Liebesgedichte
direkt in das Leder der Krokodile.
Schuhe, Taschen, Gürtel plus Lyrikgeschichte!
Das beschreibt die Unternehmensziele.

Produkte angefragt in aller Welt.
Deutsche Lyrik spricht sich herum.
Madonna sogar hat auch schon bestellt.
1 Kroko-Band entspricht 1 Stipendium.

So, am Schluss dieser Sendung
hoffe ich mal, sie wurden belehrt.
Dichter bei uns sind in Verwendung.
Die Sprachkultur bleibt unversehrt.

Herr Kauer, ein Schlusswort noch von Ihnen?

Ja, mit Gedichten kann man Geld verdienen.

Liebe Zuschauer daheim an den Zeilen.
Sollten sie dichten, dann bleiben sie arm.
Oder Sie melden sich, hier zu verweilen,
Herrn Kauer zu Liebe, den Tieren, der Farm.

Richtig, bei uns wird alles verwendet.
Die Adresse ist unten eingeblendet.

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