ER HAT SEIN KINN AUF DAS STEUER GELEGT.

ER HAT SEIN KINN AUF DAS STEUER GELEGT, und blickt zu den Fenstern unter seiner Wohnung. Seit Monaten sind die Räume leer.
  Er spürt Müdigkeit in sich, will ihr aber nicht nachgeben. Es riecht nach Rotwein in seiner Kleidung, fremdem üblem Zigarettenqualm.
  Er hebt den Kopf an. Früher, im D-Zug, konnte er nie schlafen. Nur, wenn er alleine war, im Kupee, er es gewagt hatte sich hinzulegen, über mehrere Sitze, und vorher wusste, er würde woanders sein, mit dem Aufwachen, irgendwo. Alles würde sich draußen verändert haben; aber wie ohne Zeit.


Hinter dem einen der Fenster seiner Wohnung, erkennt er eine Kamera, trotz des Dunkel im Raum. Ihr Objektiv ist auf ihn gerichtet. Und auf den Gehweg, die zwei Laternen, die Autos, und das ganze andere, wie, zum Beispiel, auch die zwei jungen Linden. Er kennt den Ausschnitt jetzt schon ewig, könnte alles, was es dort draußen überdies noch gibt, minutiös aufschreiben. Und würde es jemand überprüfen, Detail für Detail, zum Beispiel bestimmte Pflastersteine, besondere Fugen zwischen ihnen, einzelne Unkrautpflanzen, Farben, am Tag oder auch nachts, und vieles andere noch, der könnte sicher keinen einzigen Fehler finden. Er lächelt, als sei er erleichtert, als hätte er behaglich geträumt.


Laut gleitet die Scheibe, neben ihm, in die Tiefe der Tür. Noch einen Knopfdruck; und noch einen kleinen; abermals einen. Er rhythmisiert das Singen und heulende Summen beim Senken des dicken Glases, macht daraus eigene Musik.


Er möchte seinen Arm aus dem Fenster halten.
  Er wartet, schaut zur Kamera hinauf, legt dann seinen Kopf seitlich aufs Steuer. Die rechte Hand schließt sich um den Knauf am Schaltknüppel. Den linken Arm führt er durchs Fenster hinaus in die Nacht. Er spürt den Arm nicht, oder besser, fühlt ihn, wie den eines anderen, über den er aber gespenstische, weite Macht hat.
  Die Finger spreizen sich draußen zu einem V, zu einem stolzen „Victory“. Seine Hand richtet sich auf, frontal zur Kamera. Die Finger leuchten fade im Straßenlicht, neigen sich tänzelnd hin und her.


Er glaubt, er könne die Katze hören, wie sie, vom alten Ford, unter seinen Toyota schleicht und von dort aufmerksam sein Victory-V mustert.


Von der Kamera, oben, weiß nur er.
  Er grient, cool. Und er zieht die Hand irgendwann wieder ins Auto zurück, empfindet es: sein Leben.

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