TEUTONIKA – Leben in Deutschland

ES WAR STILL UND BEINAHE GANZ UND GAR DUNKEL.

ES WAR STILL UND BEINAHE GANZ UND GAR DUNKEL
in dem langen Korridor, als Charlie auf seinem Weg zur Wohnungstür war, um sie zu öffnen. „Ja, ich komme doch“, brummelte er vor sich hin, als es noch mal kurz klingelte.

Sie war maßlos auf ihn konzentriert, die Frau, vor seiner Tür, im fahlen Licht der Treppenhauslampe, das spürte er sofort. Ein wenig Schimmer lag auf der einen Seite ihres glatten halblangen Haares. Ihr Gesicht war im Dunkeln.

„SIE!?…?“
  Jetzt hatte Charlie sie erkannt.

Sie rückte ein paar Zentimeter von ihm zurück, und sagte, ruhig sprach sie: „Darf ich?“
  „Ja… natürlich… selbstverständlich.“
  Sie lief zwei, drei Schritte, atmete dabei die fremde Welt. Hätte ihr jemand diesen Geruch vorher zu beschreiben versucht, sie hätte ihn nicht verstanden.
  Charlie stand da, sah ihr nach.

Sie spürte seine Lähmung. Sie hätte ihn jetzt greifen und überall hinführen können, wohin sie wollte. Sie spürte, auch ihre kleinsten Bewegungen, alle. Mit jedem Schritt betrat sie eine unglaublich vertraute Fremde.
  Sie blieb stehen. Nie war sie so stehen geblieben, vorher, irgendwann, jemals, da war sie sich sicher: – „Wohin?“

Charlie ging auf sie zu, griff einen Stuhl und stellte ihn verlegen vor sie. „Bitte“, sagte er und sah um sich, verfolgte im Augenwinkel, wie sie sich setzte und ein Bein über das andere schlug, so als wolle sie lange bleiben, das spürte Charlie. Sie, diese Frau, warum gerade sie, hier, in der Nacht, bei mir, gerade bei mir, dachte er. Und schon vernahm er, wie sie auf einmal flüsterte: „Ich heiße Penelope. – Ansonsten… ja, ansonsten kennen Sie mich ja schon… relativ gut.“
  Sie sah, wie er sich wand, dass er etwas tun wollte, irgendeinen Handgriff, einen Schritt und am allerliebsten wohl auch etwas sagen wollte, es aber überhaupt nicht konnte.

„Kennen!? – Kennen? – Na ja, nun gut… doch, vielleicht ein ganz klein wenig… aber eigentlich…“
  „Sie brauchen nicht lügen… es besteht dazu gar kein Anlass.“
  Sie erhob sich und zeigte auf eine Zimmertür. Die müsste es sein, dachte sie sich und lief einfach los. Sie fühlte sich leicht, blickte kurz auf ihn, erkannte noch, wie er mit den Schultern zuckte und dann auch auf jene der Türen zeigte, die sie vorher gemeint hatte.
  Sie drückte die Klinke herab; und verschwand still in dem Raum; ohne Licht gemacht zu haben.

Er wartet in der Tür. Er sieht, wie sie in einem der offenen Fenster ruht und hinausblickt, ohne eine jede Regung; finster wirkt sie und groß, auf einmal.
  Er weiß, dass sie auf das gegenüberliegenden Haus, das zu ihrer Wohnung schaut, und wahrscheinlich all die anderen Fenster, außer die von ihrer Wohnung, schon lange dunkel sind.
  Es ist, wie sonst, mitten in jeder Nacht.

Sie horcht, wie Charlie neben sie tritt.
  Bis in die Geräusche jeder seiner vorsichtigen Bewegungen spürt sie seine Pein, spürt, wie er die Kamera, die neben ihr steht, die sie leicht berührt, wie er die vom Stativ nimmt.

Es ist windstill.

Sie raunt, als sie hört, dass Charlie den Raum verlassen will: „Ich wollte Sie nur einmal kennen lernen. – Den Ort sehen, wo Sie stehen, wenn Sie mich sehen. – Eigentlich wollte ich nur Ihre Stimme hören, spüren wie Sie riechen – wie Sie atmen.“

(Auszug aus „“Augen auf Penelope”)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert