TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Das Tagebuch

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Schon lange vor meiner Geburt hatte das Kind des damaligen Försters, Karl gerufen, im Wald ein Tagebuch gefunden. In diesem Buch, heißt es, war nur eine einzige Seite beschrieben. Das Kind aber, da es schon lesen konnte, lernte den Text seinerzeit auswendig und wurde ihn dann leider sein Leben lang nicht mehr los: erzählte also bis ins hohe Alter das Gelesene auch dem, der es gar nicht mehr hören wollte.
   Doch in seinen letzten Lebensjahren wußte Karl überhaupt nichts anderes mehr zu sprechen als jenes, was in dem Tagebuch wohl gestanden haben wird, und erzählte überall:
   “Mich haben heute beim Schwimmen drei Segelboote eingekreist, die schwarze Segel hatten und weiße Schiffskörper. Niemand war auf ihnen. Morgen aber werde ich der Sache auf den Grund gehen. Ich bin zuversichtlich.”
   Und selbst mir hatte er es, als schon alter Mann, immer noch so erzählt. Nur manchmal erregt, manchmal ruhig-entschlossen, manchmal aber auch resigniert, ohne jede Kraft.

Gelesen von Sandra Hüller linkhausklein.png

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