Am Anfang war das Bier

Es ist eine erstaunliche Erkenntnis, die der Evolutionsbiologe Josef H. Reichholt präsentiert, warum die Menschheit vor etwa 10 000 Jahren beschloss, peu à peu das Nomadentum aufzugeben und sesshaft zu werden. Der Anfang lag im Bier lautet die Antwort. Wir Franken haben es ja immer gewusst, aber nun wird die These auch wissenschaftlich untermauert. Aber Spaß beiseite, Reichholt begründet in seinem Buch „Warum die Menschen sesshaft wurden“ durchaus sehr gekonnt, warum dies mehr als eine These ist.
warumsesshaftEs ist eine gelungene Darstellung, der man nicht immer stringent folgen kann, das Werk macht einen etwas unstrukturierten Eindruck. Dies klingt jetzt schlimmer als es ist, denn zu jedem Zeitpunkt werden interessante Fakten in kurzweiliger Weise geboten. Es dröselt sich jedoch erst im letzten Drittel auf, wohin der Autor wollte. Der Leser zweifelt nur kurzzeitig, aber ist um so erstaunter. Es wäre wahrscheinlich anders schwer durchführbar gewesen, die Kausalkette so zu führen, wie von Josef F. Reichholt dargelegt. Im Mittelpunkt des Buches „Warum die Menschen sesshaft wurden“ steht die so genannte neolithische Revolution, die wahrscheinlich – wenn man die Menschheitsgeschichte betrachtet – eine der umfassendsten Umwälzungen war die darinnen stattgefunden hat. Geschichtliche Zeitläufe sind lang, selbst ein Menschenleben von 70 Jahren in den westlichen Industrienationen ist eine eher kurze Zeitspanne. Und genau dies mach die neolithische Revolution so spannend, weil hier in einem wirklich geschichtlich kurzen Zeitraum der Mensch sesshaft wird, Ackerbau und Viehzucht betreibt und die Grundlagen legt für die Menschheitsentwicklung, wie wir sie heute kennen.

Dies alles kulminiert letztendlich in einen der Höhepunkte menschlicher Geschichte, der Bierbraukunst. Zwar mussten erst die Franken im frühen Mittelalter kommen, um den Hopfen einzubringen und somit die Grundlage des heutigen Bieres zu legen, aber gebraut wird überall auf der Welt schon lange Zeit davor. Auch Getreide als Grundlage wird dafür von Anfang an Gebraucht, eine Möglichkeit die Wildgräser, die sonst nur mit einem hohen energetischen körperlichen Aufwand zugänglich gemacht werden können, leichter zu verwerten. Der Gebrauch von anregenden Substanzen und Drogen ist fast ebenso alt wie die Menschheit selbst und so kommt in einem kurzen Zeitpunkt zusammen, was zusammen gehört: Der Beginn der Getreidezucht, der Gebrauch von Gefässen zur Aufbewahrung des Gebräus, die stärker werdenden kultischen Entwicklungen und als Endergebnis die Sesshaftigkeit des Menschen, da im Zustand des Nomadentums vieles nicht so praktikabel gewesen wäre. „Warum die Menschen sesshaft wurden“, ein Buch, dass uns den Weg unserer Vorfahren aufzeigt und am heutigen Welttag des Buches, der auch gleichzeitig der Welttag des Bieres ist – es sollte schon immer zusammgengehören, was zusammengehört – kann ich nur empfehlen dieses Werk zusammen mit einem kühlen guten fränkischen Bier zu genießen. Prost!

Bernhard Meyer

Meyer & Meyer

Meyer & Meyer

Bernhard Meyer 34 Jahre Buchhändler Zur Zeit Wanderer in verschiedenen Lebenswelten, schreibe ich in meiner Freizeit Rezensionen und Lyrik. Letzteres wird vielleicht nun öfter mal hier zu lesen sein. Neben dem beruflichen Leben steht auch vielfältiges Engagement im gesellschaftlichen und politischen Bereich. Aktueller Lieblingsdichter: August Stramm

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