Von Bomben, Lügen und Fischteichen

Die Suche nach den Massenvernichtungswaffen: Nachdem das offizielle Ende in Ergebnislosigkeit geendet und damit der zweite wichtige Grund für die Invasion im Irak entfallen ist, wird klar, welchen fulminanten Scherbenhaufen die Bush-Administration mit diesen völkerrechtswidrigen Kriegen verursacht hat. Wenn es nicht so bestürzend wäre, wie sich die mit Abstand größte Militärmacht auf dieser Welt in einen unkalkulierbaren Krieg begeben hat, so könnte man Bob Drogins Buch über den irakischen Informanten Rafid Ahmed Alwan, der Welt besser bekannt als „Curveball“, als spannende Fiktion eines Bestseller-Autors betrachten.

Denn dass die Vereinigten Staaten den Krieg auf einer Lüge basierend begannen, ist hinlänglich bekannt. Das Buch „Codename Curveball“ von Bob Drogin enthüllt daher keine Sensationen, keine wirkliche Neuigkeit. Aber es ist eine gute, bisweilen wirklich fesselnd geschriebene Chronologie einer Geschichte, die tief hinter die Kulissen von so genannten Geheimdiensten blicken lässt. Aufmerksamen Beobachtern der Bush-Administration war bewusst, dass diese Regierung den Krieg wollte und jeden Grund genommen hätte, um diesen zu beginnen. Dass aber Akademiker, Analytiker, Berater, ganze Behörden in Heerscharen auch in einer Demokratie als willfährige Erfüllungsgehilfen dienen, ist eine erschreckende Kenntnis dieses Buches. Nichts neues so sollte man meinen und doch will man es doch nicht wahrhaben. Bob Drogin jedoch beschreibt die Wirklichkeit in einer unprätentiösen Sprache, beschreibt wie Aussagen und so genannte Beweise bis zur Unkenntlichkeit manipuliert und zurecht gebogen werden. So lässt es sich – bei aller Sachlichkeit – zeitweise wie ein realer Politthriller lesen.

Ein weiteres Kapitel in der Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen der Geheimdienste und doch ist es mehr. Dank der modernen Kommunikationstechnologie und der Übertragung aus dem UN-Sicherheitsrat konnte die Menschheit live miterleben, wie ihnen von Collin Powell – der sicher noch der redlichste Vertreter der Bush-Administration war – die größte Märchenstunde des noch neuen Jahrhunderts präsentiert wurde. Diese begann am Münchner Flughafen und endete in der Invasion im Irak. Trotz allen Ernstes des Themas schafft Bob Drogin es aber den Leser hin und wieder zum Schmunzeln zu bringen, wenn er die vergebliche Suche nach den Massenvernichtungswaffen im Irak beschreibt und wie dabei u.a. die Fischzucht gefördert wird, weil sich ein Iraki die entsprechenden Gruben für die Fischteiche von der US-Armee mit der Begründung ausheben ließ, dass sich auf dem Grundstück unter der Erde versteckte Massenvernichtungswaffen vergraben seien. „Codename Curveball“ ist daher eine wichtige Ergänzung von Hintergründen, die zukünftig in keiner Gesamtdarstellung des Konfliktes fehlen werden, und für jeden empfehlenswert, der sich bereits in der Vergangenheit mit dem Themenkomplex beschäftigt hat.

Bernhard Meyer

Meyer & Meyer

Meyer & Meyer

Bernhard Meyer 34 Jahre Buchhändler Zur Zeit Wanderer in verschiedenen Lebenswelten, schreibe ich in meiner Freizeit Rezensionen und Lyrik. Letzteres wird vielleicht nun öfter mal hier zu lesen sein. Neben dem beruflichen Leben steht auch vielfältiges Engagement im gesellschaftlichen und politischen Bereich. Aktueller Lieblingsdichter: August Stramm

Schreibe einen Kommentar