TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Wie der Blues im Irak starb

Es ist wohl eines der ersten Jugendbücher (12 – 14 Jahre), das sich mit dem noch laufenden Irakkrieg beschäftigt und nun beim Verlag Boje in deutscher Übersetzung veröffentlich wurde. In „Himmel über Falludscha“ von Walter Dean Myers werden die Erlebnisse des jungen Soldaten Robin Perry – 19 Jahre ist er alt – bei seinem Einsatz im Irak geschildert. Diese Jugendlichkeit drückt sich in Erzählstil, Wahrnehmung und Gedanken aus. Ein überraschend ruhiges Buch ist Myers dabei gelungen, ganz ohne sensationelle Übertreibungen, um einen Spannungsbogen aufzubauen. Es wird auch nicht versucht die große Politik zu erklären, es schildert vielmehr ganz unprätentiös den Alltag eines Soldaten und seiner KamerdInnen im Kriegseinsatz. Unterbrochen wird dies nur durch die Kommunikation mittels Briefen und E-Mails mit der Familie zu Hause – insbesondere dem Onkel, der bereits in Vietnam gedient hatte.

Der Autor spart jedoch nicht heikle Fragen aus: Der Umgang mit der Zivilbevölkerung, der fragwürdige Kriegsgrund oder der Einsatz von Söldnern – wie beispielsweise chilenischen Fallschirmjäger, die unter dem Faschisten Pinochet gedient hatten – werden durchaus hinterfragt, wenngleich nicht immer tief schürfend. Die Jugendlichkeit, die Unerfahrenheit der Akteure, die psychisch am Rande ihrer Kapazitäten gebracht werden, wird eindrücklich geschildert. Der eine oder andere Zug ist allerdings auch allzu vorhersehbar. So vermutet man gleich zu Beginn des Buches richtig, dass der Blues-Man Jonesy, der im zivilen Leben einmal einen Bluesclub eröffnen will, das Ende des Werkes nicht erleben wird. Das Rätsel des Titels – auch nicht ganz korrekt übersetzt von „Sunrise over Falludscha“ kommend – löst sich, trotz eines dramatisch geschilderten Einsatzes in dieser irakischen Heldenstadt, bis zum Ende nicht auf. Es bleibt zu vermuten, dass dieses Fanal des Irakkrieges hier wohl eher dem Wiedererkennungswert beim us-amerikanischen Publikum dienen soll.

Für dieses ist es ja auch ursprünglich geschrieben worden, was man daran erkennt, dass, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, die us-amerikanische Sichtweise dieses Konfliktes dominiert. Dies ist besonders oft beim Nachdenken darüber erkennbar, warum sich die irakische Bevölkerung so verhält, wie sich verhalten hatte. Warum man zwar den Sturz des Diktators akzeptierte, aber nicht die Besetzung des Landes. Warum man die angebotene Hilfe nicht bejubelte, sondern nachts für ein Ende der Besetzung eines Landes kämpft, das völkerrechtswidrig angegriffen wurde. Fragen, die sich mit Sicherheit einige der eingesetzten Soldaten gestellt haben. Insgesamt ist es eine solide Geschichte, gut für ein junges Publikum erzählt, nicht übertrieben, eher einfühlsam. Ein Buch, das vielleicht auch Fragen nach mehr aufwirft, warum es diesen Krieg geben musste. Und wenn es dies bewirkt, so hat es schon einiges erreicht.

Bernhard Meyer

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