TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Gebrauchsanweisung für einen Menschen

Der perfekt durchmischte Mensch ist jetzt ein leicht indogermanischer Ibero-latino-afro-anglo-russophil-Chinese mit aborighinesk- arabischem- Enuit- Einschlag. Er wandert durch vogelpiepende Klimazonen von gemäßigter Temperatur, die in höheren Lagen wieder Schneebedeckung zeigen, und, wenn ihm danach ist, projeziert er aus einem bleistiftgroßen Gerät eine Benutzeroberfläche zur Kommunikation auf ein bläulich aufschimmerndes Pflanzenblatt: Telefon, Computer, Net.
Aber er tut das eher selten, vielleicht um sich mal ein Bier an sein Flussufer zu bestellen, dass ihm dann von einem anderen Menschen freundlich geliefert wird, in einem leise summenden, elektrostatisch und vom Erdmagnetfeld angetriebenen Propellerfahrzeug, kredenzt in einem Gefäß, das sich nach vier Stunden rückstandsfrei auflöst zu Wasserdampf. Ansonsten lebt er in Gemeinschaft und Familie.

Der Aussteiger aus der Zivilisation bürstet das Fell gegen den Strich, aber er bleibt im Fell. Er bürstet gegen den Strich, weil das Gegen-den-Strich-Bürsten der Zivilisation eine Erfindung der Zivilisation ist, die auch das Fell erfunden hat und den Menschen, der das Fell bürstet. Natur der Technik. Unmögliches Träumen mit Rousseau:  

Afrika zum Beispiel könnte zu einem Kontinent erwachsen, auf dem ein Internetcafe-Betreiber bei einem Stammesältesten um die Hand einer Stammes-Schönen anhält.
Nicht ohne vorher mit lehmbedecktem Gesicht ein Initiationsritual der kriegerischen Mannbarkeit im Wegrennen vor einem jugendlichen Nashorn bestanden zu haben.
Was im Prinzip nicht zu gewinnen war. Aber darauf kam es hier nicht an. Bewertet wurde, von den anwesenden älteren Frauen und verdienten Großmüttern der Gemeinschaft, die Geschicklichkeit, die körperlichen Wendemanöver, die ein Freier in spe bei diesem nicht zu gewinnenden Wettlauf in der Savanne zeigt. Die Sache ist eher ein schlammiger Spaß, aber mit Folgen.
Danach darf dann geheiratet werden, ein Fest mit dreitägigen Maskentänzen.
Das Paar wird viele Kinder zeugen und in einer Fabrik arbeiten für umweltfreundliche Hochwirkungsgrad-Solarzellen, er als Chef oder Abteilungsleiter, die Familie und ein Teil des Stammes ernährend. 16 Wochen Urlaub für ihn. 18 Wochen Urlaub für sie.

So ungefähr stelle ich mir heute als ein optimistisch gesinnter Moderator einen geglückten Zivilisationsprozesses vor. Den optimalen Gang der Dinge in sehr leichtfertigen Träumen.

In einigen leichtfertigen Träumen sehe ich die Zukunft der Erde als eine Zukunft, in der Online – Ärtzte von jedem Punkt auf der Erde über Glasfaser und Orbitalkomplex an jedem beliebigen Punkt auf der Erde Menschen von ihren Leiden befreien. Auch als Online-Psycho-Analytiker.
Aber nein, man leidet ja nicht mehr. Also sind die Ärtzte nur noch Unfallärtzte.
Sie musizieren hauptsächlich in gewaltigen Orchestern, deren Klang sich mit den Walgesängen des Planeten harmonisch vermischt und die saubere Luft erfüllt. Ganz leise aber, dezent.
Seltenste Pflanzen und Urwald-Bäume sind wieder nachgewachsen, Wüsten teilbewässert, die Luft und die Flüsse sauber, die Tierwelt reichhaltig, man hat sich auf einen Status-Quo als auf einen definierten Menschen geeinigt, der jetzt exakt 127 Jahre (Durchschnitt nach langen Diskussionen in der Uno) alt wird, eines natürlichen Todes im Schlaf stirbt, jeden Tag Sex hat, aber an dem nun nichts mehr genetisch verändert werden darf.
Nachwuchs muss er anmelden und sich genehmigen lassen, eine kleine Formalität, aber meistens ohne Probleme.

Nein, durchaus keine brave new world, statt dessen: a realy good world.

Die Menschen sind hochgebildet, aber aus Spaß, denn im Grunde brauchen sie auch das nicht mehr, weil alles im Prinzip soweit verstanden wurde und jetzt auf einem hohen Niveau im status quo eingefroren bleibt. Sprachen gibt es nur noch eine.
Man spricht einen Dialekt, man spricht: Ibero-latino-afro-anglo-russophil-chinesisch mit leicht aborighinesk-arabischen Enuit- Einschlag. 
Es geht um Lebensfreude, ums Dasein. Sich lieb haben. Dichten. Musizieren. Malen. Gesund und raffiniert essen. Sport treiben. Arbeiten, was Freude macht. Mit den Kindern spielen.
Religionen? Wozu?
Alle Kreisläufe sind zu 100 Prozent geschlossen. Alles wird zu 100 Prozent wieder eingespeist, recycelt. Wozu ein Jenseits? Wozu ein Anders-Raum?

Das Gerät Erde samt Zivilisation ist jetzt optimal eingestellt.

Um sich nicht zu langweilen, nimmt der homo thermodynamis an komplexen Gesellschaftsspielen teil, die da heißen: “Ich spanne Dir die Frau aus.” oder “Wer ist der Diktator?” oder “Wer beneidet mich?” oder “Tausche Leistung gegen Liebe.” oder “Ich hatte eine problematische Kindheit.” oder: “Lass uns mal etwas Verbotenes tun.”
Aber bei diesen Spielen wird niemand verletzt, da sie unter der längst bekannten und einregulierten Psycho-Historie eines komplett verstandenen, komplett durchanalysierten mentalen Humanhaushalts gespielt werden, man spielt sie ironisch, augenzwinkernd, andeutungsweise, zur Erfrischung.

Dieser 127 Jahre alt werdende Mensch ist sich kein Geheimnis mehr. Er tanzt als ein leichter, freundlicher Spieler, der sich seinen Reibungskoeffizienten zur Stabilisierung seiner Persönlichkeit im Tausch mit anderen spielerisch organisert.

NA JA. KLEINER SCHERZ. MAL SCHAUEN.

Gebrauchsanweisung für einen Planeten. Wozu kann man das Gerät benutzen?
Ist das ein Designerstück? Eine Lampe von Rahaus, die man sich übers Bett hängt?
Oder so ein Ball, wie in der berühmten Heil Hinkel-Sequenz mit Charly Chaplin?
Hier steht aber: Man soll nicht schütteln.
Das soll rotierend gelagert werden.
Man erkennt immer mal wieder feine Verwirbelungen.

Konvektionen.

Der Kulturwissenschaftler Hans Freyer hat es einmal als das Geheimnis der Geschichte bezeichnet: Ein Geheimnis im Verlauf der zivilisatorischen Entwicklung ist die Wechselwirkung zwischen bremsend bewahrenden Elementen mit dem unaufhaltsamen Voranschreiten dessen, wogegen sich der “Bewahrer” ursprünglich gewendet hat – dem Streuprozess hinein in die Ausdifferenzierung und weiteren Homogeniserung des zivilisatorischen Mehrkörper-Ensembles – das immer bald in die nächste “unmenschliche” Mischungs-und Beschleunigungsrate hineinrennt, gegen die dann wieder ein bewahrendes “Zurück zu” gesetzt wird.

Das erstarkende Asien könnte heute moderierend wirken, weil es in seinem geschichtlich religiösen Hintergrund keinen statischen Seins-Begriff kennt.
Den Begriff  des “Seins” kennt zumindest der chinesische Kulturraum traditionell nicht.
Darauf hat der französische Sinologe und Philosoph Francoise Julien aufmerksam gemacht.
Für die globale Entwicklung könnte so ein seins-begriff-loser dynamischer Eintrag moderierend wirken – einerseits – weil er sich für Dynamiken flexibel hält.
Andererseits tut sich ein seinsloser Weltbegriff schwer damit, regulative Standarts festzulegen, geschweige denn einen Status Quo für irgendetwas.
Schon heute kann man bei den Japanern beobachten, wie sie, absolut sympathisch, begeistert, verspielt, und erstaunlich hemmungslos, den Menschen durch Roboter und Prothesen ersetzen.
Man gebe bei youtube den Begriff “Toyota Robot” ein.

Aber sie werden uns gut aufnehmen.

Hoffentlich, Hoffentlich droht diesem Asien so bald kein Rousseau, der dann sagt: “Retournons à la nature”. Hoffentlich nicht.

Es lebe die Dichtkunst am Display zwischen den Wäldern.

 

 

Lange Weilen: Fußnoten. Schleifen. Wirbel. Rekursionen, Wiederholungen. (Übungen)
Bei Rousseau schaue ich nach. Sein “Retournons à la nature” wollte den freien, gleichen, reinen Menschen, den er in einem naturgegebenen Gerechtigkeitszustand verortete.
Eine deutliche Anmeldung gegenüber einer aristokratisch verlotterten Gesellschaft von hierarchisch oben stehenden Genießern, die sich mit Sprüchen wie: “Was – das Volk hat kein Brot? Dann soll es Kuchen essen!” (Marie Antoinette, angeblich) nicht gerade als Sozialisten hervortaten.
Rousseaus Motto bereitete dann bekanntlich als ein ideologischer Motor die Französischen
Revolution mit vor.
Dieses Vor-der-Natur-Gleich-Sein umspielt eine Variante der Referenzbildung, ähnlich wie Luther sie verfolgte in seinem radikalen Gleichsein vor Gott. All dies sind Referenzbildungen, Einbildungen der Zeitlosigkeit. Gleichheit im Gleichsein meint immer auch: Im Gleichbleiben. Die Reversibilität des Fließgleichgewichts hinter der Blut-Hirnschranke.
Obwohl Rousseau kein vordergründig praktizierender Protestant war, verfolgt auch sein “Retournons á..” einen protestantischen Gedanken, Ergebnis einer geistigen Entwicklung, die ohne Luther plus Technik des Buchdrucks nicht möglich gewesen wäre. Auch Luthers Bewegung ging in Retour: Zurück zu Gott. Weg vom Apparat. Weg von der Scholastik. Zurück zur Schrift, zu den Gründen und dem was da steht. Auch Luther also von der Bewegung her krümmte sich zurück zum Ground. Dem reinen Glauben.
Back to the Roots
Paulus gab ihm eine böse Nuss auf.
Eine Konvektionszelle ist ein dissipatives Formungsverhalten, das auf gut einsehbare Art das Phänomen der dynamischen “Rückkrümmung” mit der Ausbildung einer neuen Form verbindet. Eine Verwirbelung. Ein dynamischer Wärmestrom strömt bis zu einer Mediengrenze, kühlt dort ab und krümmt sich wieder zurück. Um dann in Form eines kleinen Wirbels sich einkrümmend wegzurollen. Oder sich zu stabilisieren.
So ein Konvektionswirbel verbindet eine Dynamik mit einer Einkrümmung, und diese Rück-krümmung kann bei ausreichend gleichmäßiger Energiespeisung unter bestimmten Voraus-setzungen eine Form ausbilden. Eine Form kritisch stabilisieren.
Ein Konvektionswirbel wird von einem einströmenden Energiefluss aus der Vergangenheit eingebogen und biegt sich in Richtung Zukunft wieder auf.
Aber was ist die Dynamik?
Die Dynamik liegt immer irgendwie im blinden Fleck der Handlung.
Die Dynamik zeigt, dass Rousseau selbst eben ganz und gar kein gleichgleicher Mensch im Naturzustand war, sondern sich bilden konnte, sich “formuliert” hat, gebildet wurde, indem er auf die Technik des Buchdrucks zugriff, auf Bibliotheken, auf einen technologischen Entwicklungsprozess Jahrhunderte vor ihm, der ihn informierte und formulierte.
Bis er selbst anderen zur Information wurde.
Jeder informelle Körper, so auch Rousseuau, steht also in einem dynamischen Konvektionsstrom der technischen Fertigkeiten, der Geschichte dieser Technik, die ihn “formuliert”, die ihm prothetisches Verhaltens- und Freiheitsgrade schenkt. Insofern ist sein Dasein als Individuum davon auch bestimmt.
Selbst der so genannte Aussteiger bürstet das Fell nur gegen den Strich, aber er bleibt im Fell. Er entkommt dem Fell nicht.
Sich dann als Rousseau hinstellen und den Naturzustand des Menschen einklagen, wirkt dagegen rückgekrümmt, paradox, notwendig paradox, sprechend im blinden Fleck der eigenen technischen Bildung. Die Entwicklung des Buchdrucks war absolut keine Kleinigkeit in diesem Zusammenhang.
Aber im Paradox dieser ideologischen Rückkrümmung bildet sich eine neue Form, ein neues Bewusstseinsgefäß mit Namen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die Französische Revolution – an einer bestimmten Stelle der informellen Dissipation.
Ein Pflänzchen, das die eigenen Neuigkeit nicht lange aushielt und flugs, nach den Guillotinen, die schwere Blüte eines kryptopäpstlichen Napoleonismus ausbildete, die dann bald militärisch expansiv aufplatzte und ihre Samen über Europa ausstreute.
So aus der angestrebten bürgerlichen Demokratie zunächst wieder in ein Prinzip der hierarchischen Repräsentanz sich einkrümmte – hineinblühte- Kaisertum, wenn auch leicht semi-konventaristisch abgefedert, im Zeichen einer anderen, neuen Mobilität und Modernität.
So lässt sich die erste kurze Epoche nach der französischen Revolution durchaus mit der Epoche der Weimarer Republik vergleichen, als eine zarte Pflanze von versuchter Demokratie bald eine schwarzstinkende Passionsfrucht des repräsentativen Hitlerismus ausbildete.
Bloss gut, dass ein Napoleon nicht auch schon über Panzer und Flugzeuge verfügte.
Später hat man Napoleon mit seinen Code Civils immer mal wieder als Europas Modernisierer gefeiert.
Bei dem Stand der damaligen Kriegstechnik geht das gerade noch so durch.
Ein Modernisierer, der nichts desto trotz seinen Modernismus auf den Leichenbergen diverser Feldzüge gründete.
Und der Marxismus? Auch er krümmte sich ideologisch zurück, Rousseau darin gar nicht unähnlich, in den Urkommunismus früher Gentilgemeinschaften, die noch kein Eigentum kannten, der dann über Friedrich Engels als Re-Projektion eines wieder zu erlangenden Gesellschaftszustands in der Zukunft die ideologische Linie vorgab.
Aber die Blindheit der Praxis trieb auch diese Pflanze bald in die rotstinkende Blüte der Funktionärskirchen und stalinistischer Priesterkasten in denen einige gleicher waren als andere. Die Blindheit des Marxismus zeigte sich, bei aller scharfen Analyse der Produktionsverhältnisse, darin, dass er von einem antiquierten Freiheitsbegriff ausging, ein Freiheitsbegriff der die Möglichkeit eines “freien” “vernünftigen” autonom steuernden Menschen projezierte, wie ihn Kant noch gedacht hat – dabei aber nicht sah, dass in einer technisch automatisierten Welt bereits viele Potentiale der Vernunft und der Freiheit, ebenso wie der Steuerung, im technischen Prozess gebunden sind, so dass sie für die “vernünftige” Gestaltung von Gesellschaft, sofern man sie lediglich als eine Gesellschaft von “reinen” Menschen auffasst, nicht mehr frei sein können.
In jeder technisierten Gesellschaft gehört ein Teil des Individuums immer schon der Technik, mit der es informell verknüpft ist. Deshalb kann es in einer technischen Gesellschaft keine “naiv-freien” Individuen geben.
Tatsächlich ist Marxismus nur um den Preis der De-Industrialisierung zu haben. Dies kann nur ein Krieg oder Terror leisten. Das aber auch nur vorüber gehend.
Die Idee des Nationalsozialismus wiederum speiste sich in ihren Grundzügen – wie der Name schon sagt – ebenfalls aus einer Idee der Gemeinschaft von Gleichen unter Gleichen. Allerdings mit strengen Ausschlusskriterien. Auch der Nationalsozialismus startete als Dunkel-Religion in Rückkrümmung auf dunkelmythisches Heilsgemurmel eines okkulten Ariertums.
Der Nationalsozialismus kämpfte eng an eng mit dem Kommunismus um die selben Stimmenanteile der Massen, um die selben Rückbeugungsversprechen.
Letztlich auch um die selbe Bereitschaft, sich an die nächste geschichtsautoritäre Groß-Erzählung zu binden. Die Wahlen gingen dann, wie man weiß, knapp aus und führten dann über die Ermächtigungsgesetze in das braune Kaisertum, dass dann – ähnlich wie bei Napoleon – sich technisch militärisch ermächtigte.
Aber: Auch die Nationalsozialisten besetzten das Wort “Revolution” für sich. Wer bei der Wählerschaft etwas bewirken wollte, kam um diesen Terminus offenbar nicht herum. Höchstwahrscheinlich gewannen die Nationalsozialisten die Wahlen am Ende deshalb, weil sie noch härter, noch klarer in Feindbildern argumentierten, mit ihrem Judenhass – und darin dem Ressentiment des kleinen Mannes zuspielten – ihm einen Schuldigen für sein Elend, einen Bösen, einen Feind, vorzeigten – der für das Dilemma der Armut, der Verunsicherung, verantwortlich war, eigentlich damit nach langer Zeit mal wieder: einen echten Teufel. So war dann dieser Nationalsozialismus das attraktivere und stärkere krypto-katholische Konstrukt, das geistige Heimat nicht nur über Visionen versprach, sondern auch in der Gegenwart über klare Außengrenzen seiner Einschluss- und Ausschluss-Demagogie, quasi über eine massenhafte Hexenverfolgung gut hantierbare Feindbilder lieferte. Feindbilder, die nachweislich jeder Gemeinschaft Stabilität geben. Er bot damit das stärkere festere System.
Und er siegte auch, weil er sich schlauerweise und informell mit der technologischen Industrie in ein moderateres Verhältnis setzte.
Revolutionen sind Figuren im informellen Konvektionswirbel. Ideologisch zurückkrümmend treiben sie den technologischen Vektor voran. Auch das Wort “Umwälzung” gibt dies noch wieder. Ihre Dynamik beginnt in einer kreisenden Rückbeugung, Rückkrümmung gegen den technologischen Vektor. Ihr Ergebnis sind noch immer Katastrophen gewesen, kritisch stabilisierte Hierarchie-Regime, Stinkblüten der Repräsentation, Diktaturen oder Kaisertümer, neopäpstliche Funktionärskasten. Die stinkenden Repräsentanzblüten einer ursprünglich immer gut gemeinten oder – wie bei den Nazis – wenigstens für gut verkauften Pflanze.
Ihr Ergebnis aber war immer auch, ironischerweise dann: militärisches Aufplatzen dieser stinkenden Blüte. Reifung zur Ausstreuung, weitere Beschleunigung, Versachlichung. Dingwerdung. Die weitere Übergabe der Menschendinge an die Sachzwänge –
– eines Krieges.
– eines KZ/Gulags.
– einer Industrialisierung.
– einer noch höheren Produktivität.
– einer immer sauberen, stilleren und leiseren Produktivität, die letztlich mit der Pille dann sogar den harten Krieg der Menschenvernichtung in einen
weichen Krieg der Menschenvermeidung überführt hat.
-an die Mobilität, die heute den verschiebbaren “Selbstständigen” und immer leicht gestressten Projekte-Hopper hervorgebracht hat.
So wie der furchtbare Leninismus letztlich doch ein riesiges Land vom menschenverachtenden Feudalismus in einen menschenzermalmenden Halb-Industriestaat katapultierte, so beschleunigte der zweite Weltkrieg die Amerikanisierung Europas und großer Teile des Globus, sowie der Eroberung des Orbits zur nachrichtentechnischen Globalisierung und Raumzusammenziehung.
Eine nicht mehr rückgängig zu machende Wirkung, irreversibel.
Und noch den 68igern kann man heute das Bundesverdienstkreuz für Wirtschaft und Kapitalismus umhängen, für ihre Leistung, den Märkten einen wählerischen, hoch ausdifferenziert adornitisch individualistischen Verbraucher und Konsumenten zugespielt zu haben, der ganze Tage damit verbringt, in Katalogen zwischen 1000 Waschmaschinen zu blättern, bis er dann doch zum Waschsalon geht und auch diesem Geschäftszweig noch sein Auskommen sichert.
Wenn man, um mit Joel de Rosnay zu sprechen, sein “Makroskop” einmal scharf stellt, dann kommt man nicht umhin, hier offenbar eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken.
Meine Vermutung ist, dass es sich bei der beschriebenen Konvektionsdynamik der Krümmungswirbel samt Formbildung und Ausstreuung um eine meta-thermische Dynamik der Information handelt, die immer weiter, über neue konvektionistische Rückkrümmungsprozesse in Künstlichkeiten und in der Technik sich ausformt.
Wenn man das aber einmal annimmt, dann stellt sich die Frage, ob man hieraus eine Ethik, eine Art Gebrauchsanweisung für den Planeten ableiten kann, ohne dabei blind in einen erneuten Retro-Schwachsinn von Neo-ismus zu verfallen.
Oder vielleicht wäre ja der Retroschwachsinn irgendwie zu handhaben, ähnlich einem Regler, den man aufdreht oder zudreht.
Wenn man den Planeten samt seiner Zivilisation als ein “Gerät” auffasst, das man bedienen kann, dann setzt das voraus, dass man den Standpunkt eines Außerirdischen einnimmt. Was natürlich verboten ist. Was sich nicht gehört. Unappetitlich. Anmaßend.
Fragwürdig bleibt aber auch die Hoffnung, es gäbe irgendwie auch nur im Allergeringsten Anzeichen dafür, dass die technologische Entwicklung sich letztendlich doch nicht über den gesamten Planeten ausbreitet. Es gäbe irgendwie ein balancehaltendes Einvernehmen zwischen der archaischen Struktur eines wie auch immer festgezurrten Humanums und der dynamischen Wucht der informellen Dissipation in die Technik
Rousseau beteiligte sich 1749 an einer Preisfrage, ausgeschrieben von der Akademie Dijon:
„Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu reinigen?“
Leicht zu erraten, was Rousseau darauf geantwortet hat. Nein. Hat sie nicht.
Ja, sie hat! – sage ich. Du konntest Bücher lesen, weil andere vor Dir den Buchdruck erfunden haben!
Eine Konvektionszelle ist ein dissipatives Formungsverhalten, das auf gut einsehbare Art das Phänomen der dynamischen “Rückkrümmung” mit der Ausbildung einer neuen Form verbindet. Eine Verwirbelung. Ein dynamischer Wärmestrom strömt bis zu einer Mediengrenze, kühlt dort ab und krümmt sich wieder zurück. Um dann in Form eines kleinen Wirbels sich einkrümmend wegzurollen. Oder sich zu stabilisieren.
So ein Konvektionswirbel verbindet eine Dynamik mit einer Einkrümmung, und diese
Rückkrümmung kann bei ausreichend gleichmäßiger Energiespeisung unter bestimmten Voraussetzungen eine Form ausbilden. Eine Form kritisch stabilisieren.
Ein Konvektionswirbel wird von einem einströmenden Energiefluss aus der Vergangenheit eingebogen und biegt sich – wegdrehend – in Richtung Zukunft wieder auf.
Jede Idee der Erneuerung, die auf eine Gerechtigkeit hinauswill, begann bisher seltsamerweise immer mit einer ideologischen Rückkrümmung. Zurück zu…Retournons á la…
Luther: Zurück zum Originaltext. Zurück zur Bibel Zurück zum reinen unverstellten Glauben.
Jean Jacque Rousseau: Zurück zum freien gleichen Menschen im Gleichheitszustand der Natur.
Marx/Engels: Zurück (nach vorn) zum eigentumslosen Urkommunismus der Gentilgesellschaft. (Friedrich Engels Urkommunismus – “Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats.)
All das, all diese, haben nie reflektiert, wie sehr ihre Rück-Projektionen, all diese
Ur – Sprünge bereits an von der Vergangenheit anströmende Techniken der Schrift, der Archive, des Buchdrucks, und vorangegangender Wissenschaften gekoppelt waren.
Luther – griff zu auf Schrift, Klosterbibliothek: sind Techniken, die er nicht erfunden hat.
Rousseau griff zu auf Bildung, Buchdruck – Bibliothek, frühes Nachrichtenwesen: sind Techniken, die er nicht erfunden hat.
Marx/Engels – griffen zu auf Anthropologien/Wissenschaften/Archive/Schriften: Die sie nicht angelegt haben. Die sie nicht erfunden haben. Die sie nicht geleistet haben.
Wie blind ist also jedes “Zurück zu…” das nicht zugleich mitreflektiert, wie weit vorn es im Vektor der technisch informellen Bildung all diese falschen “Retournons…” konstruiert.
Denn das praktische Ergebnis all dieser “Retournons” war zivilisatorisch bisher immer Öffnung und Beschleunigung in den technologischen Vektor, und immer menschenzermalmend.
So katapultierte Luthers ‘”Zurück zu.” – halb Europa in die Modernisierung über die Leichenberge des 30igjährigen Krieges.
So katapultierte Rousseaus “Zurück zu.” die halbe Welt in die Modernisierung über die Leichenberge der Guillotine und der folgenden Napoleonischen Kriege in den Code civil.
So katapultierte Marx/Engels “Zurück zu” ein Russland in die Modernisierung von einem Feudalstaat über die stalinistischen Leichenberge in einen menschenzermalmenden Industriestaat.
Und so katapultierte Hitlers “Zurück zu” einer (arischen) Reinheit der Rassen die ganze Welt über die Leichenberge des Weltkriegs in die informatorische Jetztzeit.
(Dies sei auch all jenen nahe gelegt, die heute wieder “zurück zu Marx/Lenin” wollen.)
Luthers Reformation war, wie hier schon mehrfach angedeutet, keine Reformation und auch keine Revolution – sie war eine Detonation.
Sie detonierte als meta-physische Atombombe der Kirchenkernspaltung. Zufällig, leider, mit Deutschland und seiner Gemeinschaft im Ground Zero.
Eine zeitlang hörte man – und immer mal wieder – hört man auch heute noch die Behauptung, “die Deutschen” hätten nie eine eigenen Revolution zu Wege gebracht. Hätten sich nie aus eigenen Fähigkeiten zu einer Demokratie durchringen können. Die Deutschen seien zu dumm dazu. Darüber muss man durchaus streiten. Denn in Wirklichkeit sind all die Demokratien, die es dann irgendwann “geschafft” hatten, aus den verdichteten Trümmern am Rande der Schockwelle Luthers erstanden. Oder aber von der Reformation inspiriert. (auch der halbwegs glückliche Sonderweg der anglikanische Kirchen-Reform im England von Heinrich VIII wäre ganz ohne Luther als Vorhut wohl nicht zu denken.)
Die Ideen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, sind nichts weniger als lutherisch – metaphysische Kernspaltungs-Isotope des Protestantismus. Bei guter Laune kann man England, Amerika, Frankreich, als deutsche Demokratien bezeichnen.
Warum das in Deutschland selbst, im Kernland der Detonation, dem Ground Zero, immer wieder so furchtbar missglückt ist, auch darauf findet man die Antwort bei Luther. In zwei seiner Thesen heißt es:
92. “Darum weg mit all jenen Propheten, die den Christen predigen: “Friede, Friede”, und ist doch kein Friede.”
93. “Wohl möge es gehen all den Propheten, die den Christen predigen: “Kreuz, Kreuz”, und ist doch kein Kreuz.”
Luther macht hier klar, dass es weltlicherseits keinen gesichererten Anspruch auf “Einlösung” geben kann und geben wird. Man kann diese beiden Thesen nicht getrennt von einander lesen. Sie gehören zusammen.
Luther formuliert hier mit diesen beiden Thesen nichts weniger als den Gödelschen Unvollständigkeitsbeweis, intuitiv natürlich, aber immerhin. Er formuliert eine Komplementarität, einen 2. Hauptsatz der Information.
Ich übersetze einmal quantendynamisch:
Darum weg mit all jenen Beobachtern, die beobachten: Welle! Welle! – und ist doch ein Teilchen.
Wohl möge es gehen jenen Beobachtern, die beobachten: Teilchen! Teilchen! und ist doch eine Welle.
Ich übersetze atheistisch auf heute:
Darum weg mit all jenen Sängern, die singen: Natur, Natur – und ist doch Technik.
Wohl möge es jenen gehen, die predigen: Technik, Technik – und ist doch Natur.
Schließlich aber zeigt sich hier ganz überraschend eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem asiatischen Daoismus. Luther hat im Prinzip hier eine Religion des “Weges” formuliert. Die beiden Thesen 92 und 93 machen klar, dass es keinen festen oder geschlossenen Kreis gibt, in dem man sich einrichten kann, keine Repräsentanzen des Seins. Das ist erstaunlich asiatisch. Die Thesen 92 und 93 könnten, würde man sie nachzeichnen, das ying-yang-Zeichen ergeben, dass auf einen Fluss, eine Bewegung abziehlt. Auf einen rotatorischen Wechsel der Mondphasen.
Ich übersetze mal 1/2 asiatisch:
92. “Darum weg mit all jenen Propheten, die predigen: “Zunehmend! Zunehmend! – und ist doch ein abnehmender Mond.”
93. “Wohl möge es gehen allen Propheten, die predigen: “Abnehmend! Abnehmend! und ist doch ein zunehmender Mond.”
Der einzige Unterscheid zum asiatischen Daoismus wäre hier lediglich die Wertung.
Denn im Asiatischen gäbe es keinen Grund, den einen Propheten zu verdammen und den anderen Propheten zuzulassen.
Luthers Problem aber war, dass er “gegen” etwas zu Felde ziehen musste. Gegen die Bereicherung. Luther stand im Kampf einer Auflehnung. Eine kleine Windung mehr und er hätte den Daoismus in Europa eingeführt. Denn für den Daoisten ist klar, dass nach einem abnehmenden Mond wieder ein zunehmender folgt.
Luther war also ein halber Daoist, auf einem Auge blind. Weil er noch gezwungen war, etwas zu verdammen, nämliche die voll gefressenen Ablasshändler.
Es kann nicht darum gehen, das klassisch asiatische Dao jetzt zu reanimieren, im Sinne einer Stillstellung in “Weisheit” und in budhistischer Gelassenheit, aber man kann sich die Frage stellen, ob es möglich ist, eine Regulations-Idee zu formulieren, die das formbildende westliche Element der mathematisch – technischen Repräsentation, die nun einmal unausweichlich global technisch ausstrahlt, auch bis nach Asien, mit einer “Ethik des auf dem Weg seins” zu verbinden. Wenn man einmal akzeptiert hat, dass die Zivilisation auf einem Weg läuft, oder in einem Fluss treibt, dann könnte diese “Neue Dao”
1. das Wissen dazu liefern, dass wir den informellen Fluss nicht verlassen können.
2. dazu aber das Bewusstsein geben, dass wir wenigstens unsere formgebenden Konvektionswirbel und Fließgleichgewichtsroutinen so dimensionieren, dass sie die Gefahren hoch energetischer Konflikte und Polspannungen minimieren.
Also noch einmal anders übersetzt, hieße das – jetzt aber ohne Lutherische Verdammung, in voller neu-daoistischer Ausführung:
92. “Darum her mit all jenen Propheten, die predigen: “Energie! Energie! – und ist doch Information.
93. “Wohl meinen all jene Propheten, die predigen:”Information! Information! und ist doch Energie.”
oder noch einmal anders:
92. “Darum her mit all jenen Propheten, die predigen: “Form! Form! – und ist doch ein Fluss.”
93. “Wohl meinen all jene Propheten, die predigen:”Fluss! Fluss! und ist doch eine Form.”
Konvektionswirbel. Dissipative Strukturen. Prigogin.
Man hätte jetzt ein Bewusstsein zur Stömungs-Richtung der In-formation im zweiten Hauptsatz. Aber zugleich wüsste man um die Formbildungsprozesse und Formnotwendigkeiten, ohne sie jedoch in einem Status-Quo zu verabsolutieren.
Das Neue Dao wäre keine Religion, sondern eine strömungsdynamische In-Formationswissenschaft, welche zunächst mal die informatorischen Tauschprozesse in der Geschichte zwischen Mensch und Technik erforscht, und daraus dann eine naturwissenschaftlich grundierte Ethik ableitet, die aber wie alles im Fluss immer eine dynamische Ethik bleibt, die ohne ein Jenseits und ohne Heilsversprechen aber auch ohne symmetrische Regulierungs-Illusion auskommt, dafür aber naturwissenschaftlich grundiert und für jeden einsehbar ein Naturgesetz erläutert – das man dann wieder, wie ein Ingenieur das Wärmegesetz, zur Konstruktion einer gelingenden planetarischen Gemeinschaft im Strömungsvektor der Dissipation anstellen kann.
Dieses Naturgesetz müsste demnach lauten:
Alles was du bist, hast du dir nicht allein zu verdanken, sondern dem historischen mensch-technischen Fluss, der dich formuliert hat. Dein Reichtum. Dein Leben. Dein Wissen. Deine Technik. Dein Geld. Deine Firma. Du bist ein geformter Konvektionswirbel der Information. Gib an den Fluss zurück, was er Dir gegeben hat. Nimm Neues aus dem Fluss und gib Neues wieder ab. Nähre die Fluss-Richtung, so wie die Fluss-Richtung Dich nährt.
Diese Naturgesetz müsste im Prinzip auf dem ganzen Planeten und in allen Kulturen verstanden werden können. Der Westen könnte es naturwissenschaftlich über dissipative Strukturen anehmen. Asien könnte es verstehen auch wegen der Nähe zum Dao.
Problematisch blieben radikalmonotheistische Jenseitsreligionen mit kryptokatholischen Repräsentationsstrukturen. Hier bliebe nur behutsame, wachsame, Überzeugungsarbeit und ein gesteuertes “Überfließen” lassen. Mehr Handys. Mehr Internet. Mehr Bildung. Mehr Coca Cola. Mehr Radio Energy. Mehr Sushi…auch in die entlegensten Regionen. Und noch einmal Bildung.
Von einer Einstellung müsste man sich hier allerdings verabschieden: Dass jeder Tag eine neue Schöpfung sei, und gleichsam ahistorisch isoliert immer alles wieder neu von vorn beginnt.
Dem ist nicht so. Jedes Individuum ist informell gekoppelt an den Strömungsvektor der Vergangenheit. Es hat gegenüber der Vergangenheit eine Verantwortung, wie jeder Konvektionswirbel sozusagen vom ankommenden Medium ebenso formuliert wird, wie von der Abgabe, in der Wiederaufbiegung in Richtung Zukunft. Was aber nicht heißt, dass ein Konvektionswirbel nicht auch seinen Ort im Fluss wechseln kann, aber auch dabei steht er immer unter dem Einfluss der Gesamtdynamik.
Schließlich wäre klar, dass der Fluss für alle umso komfortabler fließt, je breiter er wird und je mehr sich in die Konvektionsgesetze und Strömungsprinzipien einpassen.
Asymmetrische Gerechtigkeit.
Es gilt einzusehen, dass der Konvektionswirbel niemals ein ganz geschlossenes Gebilde sein kann, in dem sich eine ewig auf sich selbst referierende Symmetrie einer sich selbstgleichen Gerechtigkeit schließt. Es gibt weder ein themodynamisches noch ein ethisches, noch ein mathematisch logisches Konzept der totalen Geschlossenheit im Selbstgleichgewicht. Jede Utopie, die einen sich selbst gleichen symmetrischen Gerechtigkeitszustand einfordert, muss scheitern oder in flussverleugnender Starrheit in den Selbstbruch, die Selbstzerstörung laufen.
Dass sind die Lehren von Luther, Clausius, Boltzmann, Gödel, Planck, Prigogin, Marx, Stalin, Hitler…
Es muss aber möglich sein, die formzeugend dynamische Binnenspannung im Fließverhalten eines Konvektionswirbels, so zu dimensionieren, dass der historisch-informelle An – und Durch- Fluss, als ein “Für-Fluss” die Form fließend stabilisiert, als auch in der permanenten Selbstveränderung weiterbewegt. Eine Zivilisation im Bewusstsein ihrer bewegten Strömungsgeschichte, die – sich einbiegend und wiederaufbiegend – von Form-Moment zu Fluss-Moment sich öffnend-schließend ein gegenwartsfreundliches Flussbewusstsein erarbeitet – durch Forschung und Formung, durch Wirklichkeitswissenschaft, in der sie sich – in Veränderung – gegenwärtig bleibt.
Jede Selbstwiederholung wäre Illusion. Das gilt letztlich auch für alle Menschen, die darin lernen müssen, dass sie sich weiter in die Technik hinein biegen oder in prothetischem Verhalten rational in den Fluss schmiegen, in dem sie – immer andere, speziellere Techno-Formen ausbildend – sich abgeben.
Das so genannte “Zurück” kann nur noch synthetisch, ironisch zerklingen, als gut oder schlecht dotierter Elegien-Plüsch, als liebenswertes Phantasma, in einem ebenso liebenswerten wie angenehmen Spiel der Hobbys und der Zeitvertreibe mit Namen Kunst, Dichtung, Fliegenfischen, Bergsteigen, Wildwasser-Rafting… Selbstplausibilisierungs-Strategien der Eigentüchtigkeit…. aber das war ja länger schon bekannt.
Nicht von Religionen war hier die Rede, aber von Naturgesetzen.
Vielleicht ist die deutsche Sprache und damit eine bestimmte Art des Denkens am stärksten davon betroffen, den Zweifel auszuhalten, die Asymmetrie zu benennen, während das romanisch-lateinische ebenso wie das Englische als Handelsprache der Mischung und der Moderation ein Handlungs – und Vermittlungsdenken unterstützt. Das macht sie beweglicher,
flexibler, weltlich zuversichtlicher, nonchalanter; das produziert aber auch die größeren blinden Flecke. Die problematische Aufklärung, rein denkerisch in der Tiefe ihrer Formulierung – konnte immer nur aus Deutschland kommen, aus dieser Sprach-Denk-Disposition: Luther, Kant, Hegel, Marx….Auch wenn die anglikanische Kirche mit Heinrich dem 8. einen eigenen reformatorischen Weg ging – das elisabethanische Zeitalter in England mit der aufblühenden Wissenschaft, der Forschung mit Francis-Bacon, Newton, in Nachfolge dann David Hume, der dann wiederum Kant anregte, all dies ist von der deutschen reformatorischen Bewegung mit inspiriert worden.
Es liegt in der operativen Blindheit, die ein Handeln mit sich bringt, dass es die grundsätzlich gegebene Asymmetrie zwischen einem Handlungsverlauf im Prozess und der stillgestellten Repräsentationen im Denken und den Begriffen nicht aufheben kann – stattdessen immer wieder zurück pendelnd in repräsentationale, hierarchische Systeme einmündet, in denen sich dann wieder eine päpstlich priveligierte Funktionärskaste ausbildet, sich anfrisst, zu der man dann wieder sagen muss: Weg mit all jenen Sängern, die singen: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit – und ist doch eine Guillotine, ein Gulag.
So konnte das zivilisatorische Projekt nie wirklich anders als über Ausrottungsfeldzüge und Leichenberge sich etablieren. Luther muss das gewusst haben. 
Dass er in diesem Wissen den aufständischen Bauern nicht beisprang, ja, ihre Hinschlachtung sogar befürwortete, war eine notwendige Tragödie.
Der Luther- Biograph Richard Friedenthal hat registriert, wie Luther in Erfurt noch vor seiner reformatorischen Wende einmal erschüttert wurde, als ein randalierender Mob einen nachweislich unschuldigen Stadtkämmerer gelyncht hat. Es findet sich bei Luther aufgezeichnet.
Vielleicht daher Luthers Zurückhaltung gegenüber weltlich-bäuerlichen Befreiungsbewegungen.
Dass Nietzsche dann ausgerechnet diesem Luther einen “Bauernaufstand des Geistes” anhängt, kann vor diesem Hintergrund nur als die dümmliche Entgleisung eines schwachinformierten Anti-Pfarrers gelesen werden.
Eigentlich zeigte die Geschichte der westlichen Zivilisation über Jahrhunderte die Geschichte eines nicht ausgehaltenen, nie wirklich praktizierten Lutherismus.Vielleicht mit der USA heute – als einzige Ausnahme, als ein Territorium und ein Vielvölker-Ensemble, dass den globalen meta- themodynamischen Mischprozess am weitesten vorwegnimmt – zweifellos um den Preis, dass es seine originär eingeborenen Stämme mit eigenem Gesicht so stark eingemischt hat, dass sie darin beinahe verschwunden sind.

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