TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Der Stich des Skorpions.

Die Thermodynamik des Bewußteins. Zur informationellen Funktion
der Blut-Hirn-Schranke.

Für Fische ist das Wasser eine unbekannte Größe.
Chinesischer Philosoph.

Habe nun (ach) mich auf ein medizinisches Thema eingelassen. Die Blut-Hirn-Schranke, ein Begriff, der mir zuerst beim Aufräumen in die Hände gefallen war. Ich hatte ihn beiseite gelegt und wieder vergessen. Irgendwann aber, ich sollte wirklich aufpassen, ist mir dieser Begriff unvermittelt – durch den Kopf geschossen – wie man so sagt. Er gab mir zu denken.
Es steht geschrieben: Die Blut-Hirnschranke reguliert ein Gleichgewicht im elektrochemischen Millieu des Gehirns. Und soll es (halbwegs) sicher vor Viren und Mikroorganismen schützen. Aber sie kann noch mehr. Sie stimmuliert, vielleicht gerade weil sie da ist, zu informationellen Anbauten.

Wie funktioniert das?
Das Zentralnervensystem und das Gehirn sind vom Milieu des übrigen Körpers besonders auffällig abgeschirmt. Eigentlich werden zwei Schranken, die Blut-Liquor-Schranke (Rückenmark) und die Blut-Hirnschranke (Gehirn) in der Medizin unterschieden. Aufgefallen war das zum ersten Mal im 19. Jahrhundert dem Bakteriologen Paul Ehrlich, der Ratten einen Farbstoff gespritzt hatte. Der Farbstoff war bald im ganzen Rattenkörper nachzuweisen – nur nicht in ihrem Kopf.

Warum ist das so? Und was hat das zu bedeuten?

Blut ist nicht gleich Blut. Wenn ich nachgucke, lese ich zunächst, dass die Organe des Körpers nicht einfach so von immer dem gleichen Blut durchflutet werden. Da die Organe des Körpers selbst spezialisiert sind, brauchen sie jeweils spezialisierte aber konstante Bedingungen an Nährstoffen, Hormonen oder Elektrolyten. Alle Organe sind durch den Blutkreislauf miteinander verbunden.
Da im Blut alle Bestandteile für die Versorgung aller Organe aber auch für die Entschlackung des Körpers enthalten sind, müssen Filtersysteme dafür sorgen, dass für die spezialisierten Organsysteme nur die benötigten Stoffe durchgelassen beziehungsweise teilweise zurückgehalten werden. Bestimmte spezialisierte Zellen an und in der Perepherie dieser Organe, besser: an den Wänden der Blutgefäße, die solche Organe versorgen, übernehmen diese Filterfunktion.
So erhält die Leber oder die Niere nicht genau das Blut in derselben stofflichen Zusammensetzung wie zum Beispiel der Zeigefinger. So ziemlich jeder Ort im Körper erhält immer schon eine “verzollte” oder kontrollierte Variante des Blutes. Außer der Blut-Hirn-Schranke kennt die Medizin deshalb noch die “Blut-Leberschranke”, eine “Blut-Nieren-Schranke”, eine “Blut-Liquor-Schranke” eine “Blut-Retina-Schranke”…und noch einige andere mehr. Die Blut- Hirn-Schranke zusammen mit der Blut-Liquor-Schranke jedenfalls ist die Schranke mit der auffälligsten Abschirmung. Sie scheint sehr auffällig und für Mediziner sogar oft problematisch, da bestimmte Medikamente, die als “gute” Substanzen direkt im Gehirn ankommen sollen, diese Schranke nicht ohne weiteres überwinden können.
Spritzt man verschiedene Substanzen in die Armvene, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sich viele dieser Substanzen nach einer Zeit im ganzen Körper nachweisen lassen, nur nicht im Gehirn, das abgeschirmt bleibt. No entry.
Eine Schrankenfunktion, die hier spezialisierte Zellen an den Blutgefäßen ausüben, arbeitet raffiniert auf molekularer Ebene – und – soweit ich das recherchieren kann, ist sie noch nicht bis in alle Details abgebildet. Trotzdem weiß die Medizin, besonders auch die Pharmakologie und die Toxikologie gut Bescheid. Dass sie funktioniert, warum das notwendig ist, und sie weiß auch, dass sie nicht immer funktioniert (Alkohol, Drogen, etc) und auch regulative Toleranzen hat. Außerdem erfahre ich, die Blut-Hirnschranke ist bereits bei Neugeborenen voll eingeschaltet und evolutionsgeschichtlich sehr alt.
Seit ca 500 Millionen Jahren immerhin, seit dem der Entwicklungsprozess begonnen hat, größere Zellhaufen mittels eines “Zentralorgans”, das wir Gehirn oder Zentralnervensystem nennen, zu steuern und zu überwachen, gibt es offenbar die Notwendigkeit, dieses Gehirn, stofflich abzugrenzen, es in eine stoffliche Wirklichkeit einzubetten, die sich von der Wirklichkeit im übrigen Körper unterscheidet. Ein stoffliches Millieu also, von dem man sagen kann, dass es sich von der “eigentlichen Realität” im übrigen Körper abgrenzt.

An dieser Stelle taucht bereits schwach die erste informationelle Frage auf. Was denn die “eigentliche Realität” der übrigen stofflichen Situation im Körper sein soll?

Ich soll mir ein Bild machen: Aus der Perspektive des Gehirns ist das Blut im Körper die Spree. Das Gehirn aber bekommt nur feinstes Volvic. Dafür sorgt die Blut-Hirnschranke, die hier wie eine besonders strenge Kläranlage funktioniert.

Ich merke aber gleich, das Bild ist schon zu dick. Es bringt bereits eine Wertung mit hinein. Schmutzige Spree hier, sauberes Trinkwasser da. Tatsächlich sollte eine funktionale Beschreibung ausreichen, wenn ich mir sage: Das Gehirn und der übrige Körper haben sich entwickelt, arbeiten und vermitteln einander in einer jeweils stofflich unterschiedenen Wirklichkeit.

Warum interessiert mich das eigentlich?

Früher konnte man einfach noch einen Zitronenfalter betrachten und darüber nachdenklich werden, heute muss es die Blut-Hirnschranke sein.
Mein innerer Erbsenzähler macht mich zunächst auf eine Nachlässigkeit aufmerksam. Wenn ich von “Durchblutung” spreche, ist damit nicht befriedigend ausgedrückt, was eigentlich passiert. “Durchblutung” klingt so, als würden alle Organe immer und überall von dem selben nassen Blut durchflutet. Tatsächlich aber, wenn man genauer hinguckt, so wie die Wissenschaft dies tut, beobachtet man die diskrete Übergabe diskreter “Gegenstände” zwischen diskreten “Zellwänden.” und diskreten “Gefäßen” mittels diskreter “Ionenkanäle”, “Schleusen.” oder elektromagnetischer Valenzen, die über Spannungsgefälle oder Kapillarwirkungen Transportbewegungen provozieren. Auf molekularer Ebene prozessiert hier ein Anfassen und Loslassen, ein Einhaken und Unterfassen, ein Anziehen und Abstoßen, ein Einschleusen und Ausklinken… Fette “docken an”, Zuckermoleküle werden “eingebaut” Kohlendioxid wird “abgegeben” Sauerstoffmoleküle “aufgenommen”, Harnstoffe und Eiweiße resorbiert und absobiert – deshalb: bei näherem Hinsehen stellt sich das, was man irgendwie geneigt war als Fließ-Prozess der Durchblutung zu beschreiben eher als hochorganisierter Ablauf eines milliardenfach diskreten Händeschüttelns, eines Türenöffnens und Türenknallens, eben als organisierter Prozess im Entgegennehmen von neuen Lieferungen und des Müllraustragens dar – ein Prozess, den Forscher ganz zu Recht als “Wunderwerk des Stoffwechsels” empfinden und der eben das ist, was man sonst einfach nur “Durchblutung” nennt oder etwas wissenschaftlicher: Osmose/Diffusion. Diffusion innerhalb von diskreten Wänden und zwischen diskreten Grenzen.

Dieses Verhalten, bei dem die Wand eines biologischen Systems sowohl als diskret geschlossen, zugleich aber als bedingt, vorübergehend oder selektiv durchlässig für Diffusionsprozesse sich öffnet, beschäftigt nicht nur Molekularbiologen seit geraumer Zeit heftig. Philosophen seit Platon (Oikos) und Systemtheoretiker sind lange schon davon fasziniert. Sie erforschen, was ein Oikos – als autarker Haushalt (in diesem Fall eine Zelle) ist, und wie er sich gegenüber seiner Umwelt (das Blut) als System verhält, und schließlich: wie man die so genannte strukturelle Kopplung (Varela, Maturana) als offenes Geschlossensein zwischen einem System und einem zweiten System (seiner Umwelt ) immer beser verstehen kann.

Das Zwingende an dem Spiel der Systemtheorie ist, je tiefer man in die Abläufe eindringt, es um so deutlicher, ja geradezu immer notwendiger wird, dass ein Beobachter darüber entscheidet, was gerade System (zum Beispiel Haushalt, Zelle oder Gehirn) und was gerade Umwelt (zum Beispiel Blut, Außenwelt) ist. Der Beobachter als der Entscheider. Er entscheidet, was sein Oikos ist, sein Haushalt, sein System.
Die Molekularbiologie handelt da pragmatischer. Und zu Recht. Die Molekularbiologie philosophiert nicht systemkonstruktivistsch. Sie forscht praktisch, wie jede Wissenschaft. Weil sie nicht nur zwischen Hier und Dort unterscheidet. Sie kennt auch ein Vorher/Nachher und Ergebnisse. Zum Beispiel neue Medikamente.

Aber was bedeutet die Blut-Hirn-Schranke – informationell?

Die Systemtheorie oder der systemische Konstruktivismus spielen ihr Spiel als ein Beobachterspiel. Jedes Spiel ist genau deshalb sinnvoll, weil es gespielt werden kann. So auch das Spiel der Systemtheoretiker. Aber dieses Spiel bleibt nicht immer harmlos. Und es hat deutliche Grenzen.
Wenn jede Weltbeschreibung von einem Beobachter abhängt, dann hängt auch die Weltbeschreibung, dass jede Weltbeschreibung von einem Beobachter abhängt, von einem Beobachter ab – und ist damit lediglich die Beschreibung eines Beobachters….also selbstbezüglich. Ich habe wieder nichts interessantes erfahren.
Und nachdem Wittgenstein seine Leiter weggeworfen hat, darf man auch wieder sagen: Die Struktur unserer Sprache reicht nicht hin, um die Komplexität von Wirklichkeit zu erfassen, was wiederum bedeutet, dass die Wirklichkeit so komplex ist, dass ein Satz, der sagt, dass die Struktur der Sprache nicht hinreicht, um die Komplexität der Wirklichkeit zu erfassen, eben wieder nur auf sich selbst verweist.

Allerdings, um dem systemischen Konstruktivismus nicht Unrecht zu tun, bei ihm stabilisiert sich Wirklichkeit innerhalb von Kommunikationen zwischen vielen Beobachtern.
Ein gedachter Beobachter, der das Spiel spielt, der etwas erfahren will, wird irgendwann einmal auf die Idee kommen, sich nicht nur in seinem eigenen System aufzuhalten, dass er durch seine eigene Beobachtung selbst stabilisiert. Er wird irgendwann einmal wissen wollen, ob er seine eigene Bedingtheit, die immer zugleich die Bedingungen des eigenen Beobachtungs-Schemas sind, ob er also seine eigene Beobachterperspektive verlassen kann.
Er weiss, dass er auf einen anderen Beobachterpunkt wechseln könnte, was auch schon nicht ganz leicht ist, wobei sich auch seine Perspektive verschöbe. (manche Konjunktive sind irgendwie tröstlich)
Aber der hier gedachte Beobachter sucht danach, ob sich ein gänzlich beobachterunabhängiger Wert erkenntlich zeigt, der aber trotzdem ein real existierender Wert bleibt, den er erkennen kann.
Der Beobachter steckt hier in einem bekannten Dilemma. Immer wenn er sich als Beobachter bewegt, so der systemische Konstruktivismus, verändert sich seine Perspektive. Was sich aber nicht verändert, ist die Tatsache, dass er immer eine bestimmte Perspektive schematisiert, mit sich herumführt, die dann eben seine Perspektive ist.
Um das zu verhindern, müsste er die Augen zumachen, die Augen der Erfahrung, die Augen der Erkenntnis, die Augen der Hoffnung. Aber dann wäre er als Beobachter gestorben. Er könnte nichts mehr beobachten.
Ein Wissenschaftler würde sagen: Er sucht nach einer total objektiven Refferenzgröße, die unabhängig von einem Beobachter konstant bleibt, ähnlich wie die Lichtgeschwindigkeit in der Physik.
Spätestens seit der Quantenmechanik weiß die Physik: Einen absolut beobachterlosen Standpunkt, der trotzdem ein absolut fester Standpunkt ist, kann praktisch nicht nur nicht realisiert werden, es gibt ihn schlichtweg nicht. Und die Lichtgeschwindigkeit bezeichnet keinen Standpunkt, sondern eine Geschwindigkeit. Weg durch Zeit.
Trotzdem. Auf welchem Platzt stand zum Beispiel Einstein, als er sich relativ zueinander bewegte Beobachter vorstellte? Überlegungen, in deren Verlauf, ein längerer Verlauf, er dann darauf kam, dass die Lichtgeschwindigkeit immer und überall konstant sein muss? Was die Welt nicht wenig verändert hat. Völlig unabhängig von jedem nur denklichen Beobachter.

Eine Ironie der Benennungen, dass die Relativitätstheorie ausgerechnet so heißt, hat möglicherweise auch Missverständnisse in die kulturelle Mentalitätsgeschichte getragen. Genauso gut könnte sie auch Theorie der absolut konstanten Lichtgeschwindigkeit heißen. Die geradezu brutal konstante Konstanz der Lichtgeschwindigkeit war eine ihrer Konsequenzen und ist heute ihr wichtigster Pfeiler. Da ist weniger relativ.

(Auch über die Konstanz der unüberbietbaren Lichtgeschwindigkeit wird immer mal wieder diskutiert, weil sie ein Axiom ist. Sie kann immer tiefer bestätigt, aber nicht einzeln mathematisch hergeleitet oder beweisen werden. )

Der systemische Konstruktivismus würde antworten: Einstein habe sich eben auf einen Beobachterpunkt zweiter Ordnung gestellt. Er hat Beobachter beobachtet. Und er hat natürlich an vorangegangene Ergebnisse und Leistungen seiner Vorgänger angeknüpft.

Aber wer beobachtet Einstein? Und von wo?
Wie konnte er das tun? Wie verhält es sich mit der Psyche. Wenn eine beobachterlose Weltbeschreibung auch physikalisch unmöglich ist, warum kann sie dann überhaupt solche Fragen nach einer beobachterunabhängigen Wirklichkeitsbeschreibung stellen? Haben 500 Millionen Jahre Evolution nicht ausgereicht, um ein Gehirn wachsen zu lassen, in dem solche Fragen einfach nicht mehr gestellt werden?
Vielleicht liegt es ja an den Skorpionen, die ungefähr auch schon so lange da sind, und deren Gift die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann.

Kaminski hat neulich etwas Schönes gesagt. Kant, unser großer Aufklärer der Vernunft, habe ja bekanntlich schon festgestellt, dass wir das “Ding an sich” nicht erkennen könnten. Hätte aber Einstein sich von dieser Aussage beeindrucken lassen, hätte er niemals diesen Biss entwickelt. Er wäre vernünftig geblieben. Ganz ohne Kant aber, hätte er gar nicht erst zugebissen.

Wenigstens im Gedankenexperiment wird also ein sehr neugieriger Beobachter seinen Standpunkt weder ausschließlich im Feld des Gehirns noch ausschließlich im Feld des fließenden Bluts wählen. Er wird die mittlere Zone suchen wollen, um beide Felder einmal gleichzeitig in ihrer Wechselwirkung zu verstehen. Er wird also direkt auf der Blut-Hirnschranke balancieren wollen. Wenn er das Spiel noch ernster nimmt, ernster als erlaubt, sucht er den mittelsten Grat dieser Schranke. Aber auch dort schließlich wird er irgendwann der Einsicht folgen, dass auch die Mitte des mittleren Grats noch eine Mitte hat, die er erreichen muss. Irgendwann steht er dann in der Mitte der Mitte der Mitte, wähnt sich in größter Neutralität und in der maximalen Objektivität und Übersichtshoheit, die er braucht, um beide Sphären zu überblicken. Denn das will er, weil er – was ist? Ein Mensch? Der etwas wissen will? Er will beide Sphären sehen. Die Sphäre des Blutes und die Sphäre des Gehirns. Deshalb hat er sich in die Mitte der Mitte der Mitte der Blut-Hirn-Schranke selbst begeben. Dort steht er nun und registriert wie ein Schiedsrichter das Tennisspiel des Stoffwechsels zwischen beiden Feldern.
Er sieht jetzt einen Tausch, der immer hin- und her läuft. Wie ein Ball. Er sieht eine – Mechanik, eine Technik der Natur, die auf ein ewig gleich-gültiges, mechanisches, beinahe stumpfsinniges Stoffwechsel-Ping-Pong-Spiel hinausläuft…….. Blut-Hirn-Blut-Hirn-Blut-Hirn. Aber hat er jetzt wirklich alles gesehen, erfährt er ein Geheimnis?
Ist ein Beobachter, der mitten auf der Blut-Hirnschranke ballanciert, überhaupt möglich?

Um seinen Übersichtsort mitten in der Mitte der Schranke zwischen dem Blut und dem Gehirn zu erreichen, hat er drei hohe Preise bezahlt: Er darf selbst nicht der Ball dieses physisch-metaphysischen Ping-Pongs sein. Er darf nicht Gedanke, also das Gehirn sein. Er darf nicht Blut sein, das Leben. Er darf selbst mit nichts und niemanden wechselwirken. Folglich wäre er weder Blut noch Gehirn. Weder Gedanke noch Physis.
Aber was ist er dann?
immerhin – er hat etwas erfahren, das er weder aus der Perspektive des Gehirns, also des reinen Denkens, noch aus der Perspektive des Blutes, also der vitalen Erfahrung so deutlich hätte “erleben” können. Er hat sich selbst erfahren, aber sich selbst als ein absolutes Nichts an einem Nichtort inmitten der Schranke, der ein ausdehnungsloser Ort der reinen Ent-Scheidung ist. Wenn er ein ausdehnungsloser mathematischer Punkt wäre, stünde er bereits auf der Seite des Gedankens, also des rechnenden Gehirns. Wenn er eine molekulare Struktur hätte, stünde er auf der Seite des Blutes, der Physis. Er aber steht mitten auf der Schranke.

Was ist er?

Aber gut, davon lässt er sich nicht kirre machen. Es ist ihm vorerst egal, was er ist. Auf seiner Spur in die Mitte der Mitte der Mitte verdünnte sich diese Spur unter seinen Füßen von einer Landschaft zu einer Straße, von einer Straße zu einem Weg, von einem Weg zu einem Pfad, von einem Pfad zu einem Grad, von einem Grad zu einer Klinge, von einer Klinge zu einer fadenscharfen Schneide…. Dieser Weg entspricht dem Gang des Beobachters in Richtung seines höchsten Auflösungsvermögens. Bis es als letztes Vermögen den Ort seiner eigenen Auflösung erreicht. Dann ist er selbst auf die physisch geringst mögliche Größe, auf die so genannte Plancklänge geschrumpft. (Wieso Plancklänge? Er ist doch weder rechnendes Gehirn, noch ist er das Blut!)
Weiter schrumpfen kann er nicht, weil er dann selbst zu einer Wahrscheinlichkeitswolke verschwömme (…) In einer Wahrscheinlichkeitswolke fühlt sich kein “Selbst” mehr wohl. Alle seine Eigenschaften, seine Subjektivität wie seine Körperlichkeit musste er auf dem Weg über den Grat rechts und links der Blut-Hirnschranke von sich abfallen lassen. Um schließlich auf einer fadendünnen Schneide balancieren zu können, muss der Beobachter selbst beinahe unendlich ausdehnungslos und gewichtslos werden, damit ihn die Schneide, auf der er geht und steht nicht selbst – zerschneidet…..ent-scheidet.

Stop! Gibt es diese “Wahrscheinlichkeitswolke wirklich? Oder ist sie nicht vielmehr auch schon eine Konstruktion des Gehirns? Auch eine Wahrscheinlichkeitswolke braucht ein Gehirn! Weil Sie eine mathematische Konstruktion ist.!

Wenn er dort steht oder gestanden ist, oder gefährdet balanciert, kippelt, droht ein Moment von Gefahr: Die reine Nichtigkeit, die Auflösung und Einsamkeit, da er auf dieser Schneide mit niemandem wechselwirken darf, schon lange von niemanden mehr begleitet. Neben ihm war kein Platz mehr für einen Begleiter. Möglich ist dann Suizid als Konsequenz. Oder seine Psyche löst sich eben auf. Er endet verrückt, als “Wahrscheinlichkeitswolke”, schizophren oder schwer depressiv in irgendeiner Betreuung. Oder er stürzt in sich hinein. Wird zu einem mathematischen Punkt, was ein Mensch auch nicht sehr gut verträgt.

Möglich aber auch, dass er vorsichtig zurück balanciert, zurück von der Schneide über den Grat zurück auf die breiteren Straßen und Plätze der Sozialität. Wo er selbst wieder ein Mensch sein darf aus Blut und Hirn, wo er dann als gereifter (gealterter) aber lebenskluger, vielleicht sogar auffälliger Erotiker jetzt in einer XXL-Badehose glückhaft anlangt, hier dann oft davon spricht, wie wichtig es letztlich sei, die Balance zu halten, den Tanz zu pflegen zwischen Sinnlichkeit, teilnehmender Emphase und ein wenig denkender Betrachtung, die dann als eine ästhetische, eine komische oder eine ironische, vielleicht irgendwie künstlerisch ins Werk gesetzt wird. Aber er spricht nicht nur davon. Er tut es auch. Wie wichtig das Blut und das Gehirn gleichermaßen doch für einen ganzheitlichen Lebensbezug sind. Das weiß er jetzt. Blinzelnd.

Und sehr zu Recht. Schließlich ist er von der Klinge gesprungen. Diese lebensrettende Alternative, für die sich der ehemals auflösungsgefährdete Beobachter aus Liebe zu sich selbst und aus einem Wärmereflex seinen Mitmenschen gegenüber entschieden hat, aus Überlebensinstinkt entschieden hat, diese Entscheidung, die als eine Entscheidung für ein Vonderklingespringen und gegen die asoziale und einsame Kälte der Beobachterballance nun als wahre Lebensklugheit endlich verstanden wurde – diese Entscheidung droht dann manchmal mit der selben autoritären Unbedingtheit eine Schranke zu setzen, jetzt aber als eine Blut-Hirnschranke, die er besonders geschäftig von der Blutseite her abdichtet gegen alle Gefährdungen der denkenden Diffusion.

Er wird jetzt tüchtig. Er gründet eine Familie. Er macht sich ans Werk. Er entdeckt die Natur neu. Er hört wieder Musik. Und findet plötzlich, dass Goethe doch gar nicht dumm war. Der ehemalige Beobachter auf der Blut-Hirn-Schranke, spricht jetzt öfter von “Herzensangelegenheiten” als früher. Die anderen Fragen lässt er im Imperativ des Just do it verstummen.

Wenn er seine Bälle spielt, dann spielt er sie jetzt von der Blutseite her gegen die Schranke wie beim Squasch. Aber sie durchdringen die Schranke nicht mehr. Sie prallen ab, halten aber ihn und sein kommunikatives Milieu in Bewegung. Und damit liegt er im Grunde ganz richtig. Er handelt weise. Lebensklug. Das Leben hat ihn wieder. Es gibt Schlimmeres. Let it flow.

So wird der ehemalige von der Klinge gesprungene Beobachter (vielleicht) und auch nur ganz allmählig zu einem transzendental Unhöflichen. Dem Machen allein, und er ist jetzt ein Macher und sieht sich als Macher, dem Produktivsein, der Familie, der Tradition, dem “Werk”, aber auch der Lust, der er nun umso redlicher folgt, droht dann die selbe Autorisation, wie sie vorher der ebenso unhöflichen, gefährdeten Beobachterkälte galt. Sein “Werk” verliert ein wenig an Durchlässigkeit. Es stabilisiert sich millieugerecht und systemintern. Was er tut, dimensioniert er nun zunehmend anti-diffus. Es wird “kommunizierbar”, sozial, moderat, nichtinformativ, ein bisschen anstößig, ein bisschen passend, ein bisschen nachdenklich, ein bisschen widersprüchlich, dann chic und schließlich immer ganz okay. Ein Squasch-Spieler, der seine Bälle gegen die geschlossene Schranke spielt.

Das kann passieren. Muss aber nicht. Aber die Möglichkeit kann die Suche nach einer Mitte, nicht nach der unendlich schneidenden Mitte, aber nach einer durchlässigen Mitte, auf der Blut-Hirnschranke, die Wechselwirkung zulässt, immer wach halten.. So weit so interessant. Aber weiter zur Blut-Hirnschranke.

Aus den molekularen Diffusionsprozessen folgt dann wohl, dass sich schon jede einzelne Körperzelle nicht wirklich für die ganze “Realität da draußen” interessiert, aber sie interessiert sich sehr wohl für bestimmte Pakete, Abschnitte und Ausschnitte dieser “Realität” , die sie hier selektiv, ja selektiv, böses Wort, entweder als brauchbare Sauerstoff-Lieferungen entgegennimmt, als unbrauchbares Ionen-Angebot ignoriert, zurückweist, oder als Abfall und Lipidrest den Entsorgerkanälen zum Abtransport aufläd.
Wie viel wann was warum wie und von wem eingeschleust oder abgegeben wird, hängt bei einem höheren Tier wiederum von einer Gesamtsituation ab, einer Art innerkörperlichen Zustandsreflektion, die von einer Zentrale, den (getakteten) vegetativen Elementen des Gehirns und des Nervensystems eingeschätzt und über Rückkopplungsschleifen hormonell, nervös, elektrolytisch, reguliert wird.
Ist es Tag oder Nacht? Atme ich ein oder atme ich aus? Fahre ich Rad oder sitze ich am Tisch? Habe ich gegessen oder bin ich hungrig etc… Die Fragen, die dann rückgekoppelt geklärt werden, lauten entsprechend: Muss ich schlafen oder wachen, muss ich einatmen oder ausatmen. Muss ich Radfahren oder am Tisch sitzen, muss ich essen oder …..nicht. Dazwischen unendlich viele Zwischenwerte, wie: Ich esse nur ein bisschen, eigentlich bin ich nur wenig müde… vielleicht sollte ich mal das Fenster aufmachen… Es leuchtet ein, dass große Teile dieses Steuerungsapparates selbst, der eigentlich ein Reflektionsapparat ist, das zentrale Nervensystem und das Gehirn, nicht im selben stofflichen Millieu agieren können, wie die übrigen Subsysteme des Körpers. Dass sie also durch irgendeine Grenze oder ein Schrankenmechanismus in einem anderen Millieu gepuffert, isoliert, oder “schwimmend gelagert” sein müssen, um so etwas wie eine Differenz zu ermöglichen. (von der Hirnanhangdrüse mal abgesehen) Und das immerhin schon seit ca 500 Millionen Jahren.

Eine Differenz, die eine Einschätzung oder Reflexion der Lage überhaupt erst möglich macht. Genauer: eine Differenz die einem Wort wie “Zustand” oder “Lage” überhaupt erst einen Sinn gibt. Als Unterschied, der einen Unterscheid macht.

Um das noch anders zu verdeutlichen – der Wettersatellit kann nicht das Wetter sein, er muss sich vom Wetter unterschieden. Oder: Ein General sollte sich nicht mitten im Schlachtgetümmel aufhalten. Er braucht einen Abstand. Der General ist nicht die Schlacht.

So erkläre ich mir die Blut-Hirnschranke als eine Barriere-Funktion, die einen innerkörperlichen Millieu-Unterschied erzeugt, und dadurch wiederum eine bestimmte Funktion formuliert. Die das Gehirn und die Nervenkanäle des Rückenmarks ( Blut-Liquor Schranke) zwar nicht völlig vom Gesamtprozess isoliert, aber eben doch wenigstens eine halbdurchlässige (oder oszillierende) Differenz, einen Unterschied ermöglicht. Die Blut-Hirn-Schranke sorgt so für einen Unterschied, der einen Unterschied macht. So hätte es jedenfalls der Forscher Gregory Bateson formuliert. Ein Unterschied, der einen Unterscheid macht, ist nach Gregory Bateson – eine Information.

Dieser Unterschied, der einen Unterschied macht, war evolutionär offenbar eine Vorraussetzung, damit sich ein Zellhaufen irgendwann, vermittelt über den innerkörperlichen Unterschied (der einen Unterschied macht) also dem ZNS und dem Gehirn, zu den so genannten höheren Tieren entwickeln konnte. Oder jedenfalls in die Art von organisiertem Metazeller, dem wir angehören.

Die Blut-Hirnschranke als Barriere zwischen Vielzeller und Metazeller – eine notwendige Abweichung.

Das Wort Metazeller ist eine Erfindung der Evolutionsbiologie. Es klingt anders als das Wort “Vielzeller.” obwohl es eigentlich das selbe meint. In dem Wort “Metazeller” steckt aber ein verpupptes philosophisches Problem, das die Evolutionsbiologen Maturana und Varela damals in ihrem Buch “Der Baum der Erkenntnis” nur kurz angerissen hatten. Maturana und Varela haben damals die Frage aufgeworfen, ob in einem “Metazeller”, zum Beispiel in einem Blauwal, den einzelnen Körperzellen, aus denen er sich zusammensetzt, noch der gleiche autopoietische Status zugebilligt werden kann, wie ihn die einzelne Zelle hat, wenn sie als Einzeller auftritt. In einem Metazeller, so die beiden Autoren, wie der Blauwal einer ist, stehen ja alle Teile, die einzelnen Körperzellen, die jede für sich strukturell geschlossen und zugleich organisatorisch offen sind, in einem höheren, meta-physischen Funktionszusammenhang.

So ließe sich eben auch ein Blauwahl als “Kollektiv” von vielen Einzellern auffassen, oder als “Schwarm” von vielen einzelnen Zellen. Dass an dieser Auffassung etwas nicht stimmen kann, haben die beiden Evolutionsbiologen wohl gespürt. Sie haben es aber damals unterlassen, mit dem Verweis auf einen noch ungenügenden Forschungsstand, die Frage näher zu entscheiden. Sie war in ihrem Beschreibungszusammenhang auch nicht so wichtig. Vielleicht sind sie der Frage auch deshalb ausgewichen, um nicht in eine schwierige “Leviathan”- Disskusion hineinzurutschen. Die dann die Frage hätte behandeln müssen, welcher Beobachter, sprich: welcher “Souverän” bei einem “Staatskörper” wie dem Blauwal eigentlich die Politik entscheidet. Wer oder was die Meta-Funktion “Blauwal” definiert. Wo hört in einem Blauwahl der Einzeller auf und wo beginnt der Meta-Zeller? Anders gefragt: Sind 3 Zellen eines Blauwals schon ein Blauwal?
Wo fängt der Blauwahl an, wo hört er auf?

Diese Fragen haben dann Nikolas Luhmann und andere auch inspiriert, ihre Systemtheorie für die Gesellschaft zu entwickeln. Deren wichtigste Pointe lautet: Weder gibt es die Teile noch gibt es ein Ganzes apriori. Was die Teile sind und was das Ganze sei, legen Beobachter und deren Kommunikationen fest. Der Rest ist Kommunikation, Irritation, strukturelle Kopplung, Auschluss/Einschluss, Rekursion, Ausdifferenzierung zu Subsystemen.

Luhmanns Theorie ist operativ antimoralisch (nicht unmoralisch), weil sie die Frage nach moralisch normativen Werten, die für alle gelten, in die kommunikative Selbstorganisation der Subsysteme verweist, die untereinander nur lose, wiederum über Kommunikationen, Irritationen, Rekursion, gekoppelt sind. So kann zum Beispiel die Frage, ob die Naziherrschaft samt 2. Weltkrieg moralisch gut oder böse war, von der Systemtheorie nicht beantwortet werden. Dafür war sie auch kritisiert worden. Aber das ist nicht ihr Zuständigkeitsbereich. Sie ist eine Theorie, kein Gericht.

Subtilere Überlegungen haben aber gezeigt, dass darin der Vorteil der Systemtheorie liegt, der zu einem Erkenntnisgewinn führt. Mit den Mitteln der Systemtheorie kann gezeigt werden, dass zwischen einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft und einem totalitären Regime kein plötzlicher Graben oder gewaltsamer Bruch wirkt. Obwohl er sich für bestimmte Subsysteme der Gesellschaft gewaltsam darstellt. Oder sogar katastrophisch.

Die Antwort der Systemtheorie lautet hier lapidarer: Die Kommunikationen der Weimarer Republik haben sich zum 3. Reich hinkommuniziert. Oder anders: Die Weimarer Republik hat sich zum 3. Reich hin kommunikativ ausdifferenziert. Was nach einem kalten Euphemismus klingt, rückt aber ein System viel näher in seine eigene Gegenwart hinein. Es wird normaler. Es wird zum Farbfilm. Und darin wieder unheimlicher.

Wenn man eine Gesellschaft als Metazeller auffasst, deren Subsysteme einzelne Zellen sind (Individuen), die in einem sozialen Verbund wechselwirken, dann steht man irgendwann immer vor der Frage, welche allgemein wirkenden Kommunikationen innerhalb einer Gesellschaft das einzelne Individuum unter das Kommunikations-Regime eines Metazellers zwingt. Ein solcher Metazeller kann dann “Blauwal” heißen oder auch “3. Reich.” oder auch “Europa” oder “Familie” oder “Firma” Die moralische Sterilität der Systemtheorie wirkt zugleich als ihre Stärke. Erst wenn Moral nicht apriori gesetzt ist, kann die Theorie den Blick frei geben für die “Kommunikationen” und Normalitäten, die Moral überhaupt erst entstehen lassen. Die dann auch eine pervertierte, oder “supertotalitäre” Moral sein kann. Diese Erkenntnisse können dann helfen, Systeme besser einzuschätzen.

Aber was einschätzen. Umschläge? Zusammenbrüche?
Moral ist per se immer totalitär. Sonst hieße sie ja nicht Moral. Aber sie wird nie ausserhalb von Gesellschaft erzeugt, Gesellschaft gibt es nur innerhalb der Gesellschaft und in Gegenwart von Gesellschaft. Die Gesellschaft kennt kein Aussen. Und sie kennt nur ihre eigene Gegenwart und ihre eigenen Kommunikationen. Selbst Ihre Vergangenheitsaufbereitung i s t ihre Gegenwart im Jetzt. Die jeweils nachfolgende Gesellschaft ist eine andere Gesellschaft, die wieder ihre eigene Gegenwart hat.

So ist die “Moral” der einzelnen Zellen eines Blauwals eben die, dass sie jetzt gerade zu einem System gehören, das sich zu einem “Blauwal” ausdifferenziert hat. So jedenfalls würde die Systemtheorie nach Luhmann argumentieren. Und wurde auch dafür wieder kritisiert. Man hat versucht, ihr genau das vorzuwerfen, dass sie nur den Ist-zustand eines jeweils Gegebenen theoretisch reproduziere. Damit stünde bei ihr keine Vision, keine Utopie im Regal. Und sie könne auch keine Hinweise geben, wie etwas, zum Beispiel der Umweltschutz, sich zum Besseren wenden ließe. Aber diese Vorwürfe perlen alle an der Systemtheorie ab. Sie antwortet, dass auch Utopien und Visionen zur Gegenwart der jeweils gegenwärtigen Irritationen und Kommunikationen der Systeme und Subsysteme gehören, die sich lediglich weiter ausdifferenzieren. Wertungen wie “besser” oder “schlechter” können demnach nicht zu ihrem Instrumentarium gehören, da sie lediglich Kommunikationen zwischen Kommunikationen beobachte und beschreibe. Zu diesem Haushalt der Kommunikation gehöre eben auch die Kritik an bestimmten Kommunikation etc…

Die Systemtheorie bestreite nicht, dass sich Kommunikationen und damit auch Gesellschaften, Systeme und Subsysteme ändern könnten, dass passiere ja ständig, nur könne sie eben keine Moral angeben, die nicht ebenfalls aus Kommunikationen hervorgegangen sei. Besser oder Schlechter, gut oder böse seien aber nur von einem “Außerhalb” der Kommunikationen zu formulieren. Ein solches “Außerhalb” gäbe es aber für die Systemtheorie nicht, und könne auch nicht ihr Thema sein.

Das muss präzisiert werden. Der Systemtheoretiker beobachtet Beobachter aus einer Position der 2. Ordnung, und stellt für die Beobachter der 1. Ordnung ein Außerhalb da. Der Systemtheoretiker kann dann eventuell Prognosen abgeben, ob ein Verhalten der Beobachter 1. Ordnung ein System stabilisiert oder destabilisiert. Ob das aber “gut” oder “böse” ist, können nur wieder die Beobachter der 1. Ordnung entscheiden. Auch ein destabilisiertes oder zusammenbrechendes System kann eine Wendung zum “Besseren” hin bedeuten.
Demnach kann die Systemtheorie auch keinen “Blauwal” an sich benennen, geschweige denn, dass sie einen gesunden Blauwal von einem kranken Blauwal unterscheiden wollte. Die Systemtheorie würde sich vor der Aussage hüten: “Wir alle als kleine KörperZellen (Individuen) sind jetzt der Blauwal.” Sie argumentiert immer aus der absoluten Gegenwart der Kommunikationen im Innern einer Gesellschaft, das sie sehr allgemein als Kommunikations-System bezeichnet, aber niemals – konkret als Blauwal. Selbst wenn also der Blauwahl krank wird, stirbt und verwest, sagt die Systemtheorie: Die Subsysteme differenzieren sich weiter aus in ihre Moleküle und Bestandteile, in Subsubsysteme. Ob das gut oder böse ist, sagt sie nicht. Weil das nicht ihre Aufgabe ist. Die Systemtheorie kennt keine Totalität.

Selbst wenn ein Asterioid die Erde zerschmettert, sagt die Systemtheorie, das Sub-Subsystem Asterioid und das Subsystem Erde,haben sich im System Kosmos lediglich weiter ausdifferenziert zu Micro-SubSystemen aus Steinen, Brocken, Staubkörnchen.

Es sind Religionen und Ideologien, die Totalitäten definieren, die den Blauwal zu kennen glauben oder glauben, ihn definieren zu müssen.Und die folglich sich ein Bild des Blauwals machen, das definiert, wann er krank und wann er gesund erscheint. Es sind Menschen. Und deren Kommunikationen. Wirklich nur die?

So etwas muss einem Beobachter aus Blut und Hirn natürlich zu denken geben, auch wenn er kein Politiker ist. Irgendwo hat auch diese Theorie ihren blinden Fleck. Ist unsere moderne Zivilgesellschaft oder die globale Menschenversammlung ein Blauwal oder nur eine Versammlung von Zellen, Subsystemen, die sich immer weiter ausdifferenzieren?

Zerfällt der Blauwal, in dem sich seine Subsysteme immer weiter ausdifferenzieren zu Molekülen und Wesen aus Handys, Computern, Handymenschen, Software, Computermenschen, Biotomaten, Budhisten, Islamisten, Autisten, Nudisten, Explosionisten, Linken, Rechten, Mittelmenschen, Patchworks Bühnen und Bühnenbühnen und Patchpatchworks und Patschpatschpatchpatchworks…..?

Die Frage, die ein Beobachter, der auf der Blut-Hirn-Schranke gerade zurück ballanciert, an die Systemtheorie stellen könnte, lautet: Wenn diese Ausdifferenzierung unhintergehbar gesetzt ist, ist sie dann nicht auch eine -Totalität? Eine Totalität als Prozess?

Die Blut-Hirnschranke zwischen Information und Form.

Abkühlung ist eine Bewegung. Das kann man sich nicht oft genug klar machen.
Was sich abkühlt, mischt sich und bewegt sich.

Kaminski kommt. Das passt.

Sein gern genommenes Beispiel: Blaue und rote Kugeln, gleicher Größe und gleichen Gewichts befinden sich in einem Glas. Das Glas bewegt sich und die Kugeln vermischen sich dabei so “total”, dass blau und rot irgendwann gleichmäßig im Glas durchmischt sind, sich gleichmäßig nach allen Seiten verteilen und alle die gleiche Temperatur haben. Für blau und rot kann auch warm und kalt angenommen werden. Dann passiert nichts mehr. Ein maximal mögliches Mischgefüge ist erreicht, Es herrscht größte Formlosigkeit. Vielleicht tauscht noch eine Kugel mit der anderen die Seite, aber irgendwann bleibt alles so, wie es ist, blaue und rote Kugeln perfekt durchmischt. Das Glas bewegt sich weiter, aber die Statistik der totalen Durchmischung ändert sich nicht mehr. Dieser Zustand heißt Entropie, eine statistische Zustandsgröße als der geringst mögliche Ordnungszustand, oder der höchst mögliche Unordnungsgrad. Die totale Mischung. Alle Meinungen sind ausgetauscht, die kleinen Streitereien zwischen blau und rot wiederholen sich. Werden vorhersagbar. Gleichmässiger als gleichmäßig können sich die Kugeln im Glas nicht mehr verteilen. Das Millieu im Glas erreicht die totalste Wahrscheinlichkeit der Wahrscheinlichkeit.
Die Widerspruchswunschmaschine zwischen blauen und roten Kugeln, zwischen blauen und roten Ansichten, zwischen blauen und roten Religionen hat sich in ein Gleichgewicht eingeschaukelt. Statistisch betrachtet passiert nichts mehr. Die blauen Kugeln sagen den roten Kugeln dass sie blau sind, die roten Kugeln sagen den blauen das sie rot sind, das war’s. Kämen gelbe, grüne und lila Kugeln hinzu, brächten sie noch einmal Bewegung in die Statistik. Aber auch sie würden sich irgendwann mit den blauen und roten Kugeln durchmischt haben und alles verharrte wieder in totaler Gleichmäßigkeit bis in alle Ewigkeit.
Dies alles als Konsequenz des 2. Hauptsatz der Thermodynamik, der hier die Wärmeverteilung, als Zustandsgrößen von Körpern beschreibt, die keine Eigenschaften haben, ausser ihren jeweiligen Freiheitsgrad.

Aber Kaminski bringt noch ein anderes Beispiel: Wenn sich ein Glas voller loser Angelhaken bewegt, dann werden sie sich zu Strukturen, Formen, verhaken, zu immer wieder anderen Strukturen, die Variabilität hängt dann von der Form der beteiligten Angelhaken ab, aber sie dürfte eine sehr hohe Zahl ergeben. Wenn ich irgendwann an einem Haken anfasse und ihn aus dem Glas ziehen will, ziehe ich eine ganze Struktur heraus, mehrere Haken, die sich ineinander verhakt haben. Ein Knäuel. Eine Form.
So oft ich auch ziehe, werde ich immer wieder eine andere Form erhalten. Vielleicht halte ich dann einen Blauwal in der Hand, eine DDR, eine Kirche, ein Europa, ein Korallenriff, ein Schokoladeneis, einen radikalen Islamisten, einen Dichter, ein NSDAP-Mitglied oder beides.
Der Systemtheoretiker aber würde immer von einem kritisch stabilisierten System sprechen. Er wertet nicht. Denn schon die nächste Bewegung kann es wieder verändern oder in Subsysteme ausdifferenzieren. Die Form kann auch wieder zerfallen.

Ich habe Kaminski gefragt, wie das denn sein könne, dass in dem 1. Glas ein Gesetz wirke, das auf totale Formlosigkeit und Durchmischung hinaus liefe, während im 2. Glas immer wieder Formen, Ordnungen entstünden?

Kaminski hat geantwortet, das sei kein Widerspruch und hänge auch nicht an den Häkchen.
Tatsächlich wirke im 2. Glas das selbe Gesetz wie im 1. Glas. Jede Bewegung habe die Tendenz einen Zustandsraum und darin befindliche Objekte aus einem Zustand höherer Ordnung (geringe Freiheitsgrade) in einen Zustand niedrigerer Ordnung (höhere Freiheitsgrade) zu überführen. Dabei kann sie formende Arbeit verrichten, aber – es kann niemals alle Bewegung zu 100 Prozent in formende Arbeit umgewandelt werden. Deshalb habe alle Bewegung letztlich die unhintergehbare Tendenz, Formen, Ordnungen aufzulösen.

Jede Bewegung streut und zerstreut letztendlich jegliche Ordnung. Sie dissipiert, wie die Fachwelt sagt. Und das ist irreversibel. Das könne nur in dieser Richtung ablaufen.

Die Dissipation erzeuge einen eindeutigen Zeitpfeil.

Das Glas mit den Häkchen sei lediglich ein Trick von ihm gewesen, um mir etwas anderes klar zu machen. Denn dieses Glas sei ja ein offenes Glas, in das ich hineingreifen könne, und damit würde es einem lebenden System ähneln, einem Vielzeller aber auch einer einzelnen Zelle, die im energetischen Austausch steht.

Solange dieses Glas geschlossen sei, könne es statistisch nicht von dem ersten Glas unterschieden werden. Aber durch mein Hineingreifen und mit dem Herausziehen habe ich den völlig vermischten Häkchen einen neuen Energieimpuls gegeben, der sie dann zu einer neuen Ordnung formiert hat, dem Häkchenknäuel. Eine vorrübergehende Ordnung, eine kritisch stabilisierte Ordnung, denn so ein Häkchenknäuel kann auch wieder zerfallen, oder sich in neue Formen ausdifferenzieren, weil die Hand zittert… oder das Glas sich weiterbewegt.

In der realen Natur gäbe es keine absolut geschlossenen Gläser, nur verhältnismäßig geschlossene. Dieses verhältnismäßige Geschlossensein kann als kritisch stabilisierte Form bezeichnet werden, zu denen auch jedes Lebewesen zählt. Leben, aber auch unser Denken, unser Gehirn, seie eine Form im Fließgleichgewicht. Aber dieses Fließgleichgewicht werde jederzeit von einem Verlust der Ballance bedroht, also von dem irreversiblen Zeitpfeil der Entropie.

Aber ohne diese Bedrohung durch Entropie, könne es sich gar nicht erst etablieren, weil es dann keinen Fluss gäbe. Da aber alle Formbildungsprozesse bezogen auf das heutige Standardmodell im Fluss einer Abkühlung nach dem Urknall abliefen, könne man sie auch als Geburten einer Abkühlung bezeichnen oder als – dissipative Strukturen.
Aber Bewegung, Wirklichkeit, Wirkung, energia, wirke immer und überall. Physikalisch gesehen existierten keine gänzlich unbewegten Gläser .

Wenn mir Angelhaken zu mechanistisch erschienen, könne ich mir auch schwingende Raumzeitdimensionen mit Eigenfrequenzen vorstellen, die angeregt werden und sich so über Resonanzeffekte zu einem größeren gleichschwingenden Kanon verbinden, in dem sie sich vorübergehend kanonische Refferenz erweisen und eine stabilen Kanonisationsraum bilden. Kanonische Refferenz wäre ein anderes Wort für “Kommunikation”.

Auch Hoffnungen, Wünsche und Visionen sind Eigenfrequenzen, die sich zumeist ihren “Resonanzraum” suchen oder von einem Resonanzraum gleichgeschaltet werden. Dieser Resonanzraum kann sie dann zu einem Formenkanon zusammenfassen, der dann Literatur heisst, budhistische Meditationsgruppe, Kernforschungszentrum, Schokoladeneis, oder er schaukelt sich hoch zu Fackelzügen, Loveparaden, etc…dann heißt es good vibrations or bad vibrations.

Kaminskie sagt, der Unterschied zwischen den beiden Gläsern, markiert den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Modellen der Weltbeschreibung, die beide durch seriöse Wissenschaften formuliert sind, die sich nicht widersprechen aber komplementär zueinander abschirmen.
Glas1 der Entropie ist durch die Erkenntnisse der Physiker des 19. Jahrhunderts, (Ludwig Boltzmann, James Clark Maxwell, Hermann Helmholtz und andere.) mit ihren Arbeiten zur Thermodynamik, der Statistik und zur Gaskinetik formuliert und konsistent moduliert worden. Es zeigt die Thermodynamik von der statistischen Seite. Immer, wo sich etwas bewegt, wird Energie gestreut. Sie dissipiert, wie es so schön heisst. Von einem höheren Ordnungsniveau auf eine niedrigeres.

Glas 2 der Strukturbildung wurde durch Arbeiten der Biologen Ludwig von Bertalanffy sowie dem Chemiker Ilyia Prigogine und anderen formuliert, mathematisch experimentell reproduziert. In glas Nr. 1 entsteht durch Bewegung maximale Unordnung, die statistisch informell beschrieben werden kann. (Entropie) In Glas Nr. 2 entsteht durch Bewegung eine Ordnung, eine Form, die ich herausziehen und lesen kann. Das Häkchenknäuel.

Kaminski macht mich noch auf eine andere Sache aufmerksam.
Die Bewegung i n – f o m i e r t die Häkchen zu einem Knäuel. Ein Nachrichtentechniker könne mit den ungeordneten Häkchen im Glas nichts anfangen. Statistisch betrachtet, liegen in dem Glas, solange niemand hineingreift, nach dem Gesetz der Entropie beinahe unendlich viele Formen vor. Als reine Wahrscheinlichkeit. Noch niemand könne eine Form lesen. Allein die Bewegung des Herausziehens, formt ein bestimmtes Knäuel, von dem der Informatiker dann sagt: Das ist 1 Bit.

Das ist ein Blauwal. Das ist ein Schokoladeneis. Interessant daran sei, wenn ich die “Form” des Häkchenknäuels aus dem Glas herausgezogen habe, endet der P r o z e s s der Information. Der Prozess der Information formt die Form und den Beobachter. Der Informatiker wird gleichzeitig erschaffen, mit dem, was er 1 Bit nennt. Kaminski meint, etwas überspitzt heißt das: 1 Bit bedeutet: da ist ein Informatiker.

Die Form ist nicht die Information. Die Erfahrung ist nicht das Fahren.

Er meint, ich könne das Glas entweder nur bewegen und die Angelhaken i n f o r m i e r e n, oder ich könne das Glas öffnen, die F o r m als Knäuel herausziehen und dann als F o r m beobachten – lesen.

(Ein Grund, warum es immer wieder zu Missverständnissen bei der Benutzung des Informationsbegriffs kommt. Nachrichtentechniker sprechen von 1 Bit als Information. 1 Bit ist aber die Form, nicht die Information.)

Bisher ist es noch nicht gelungen, den Informationsbegriff der Nachrichtentechnik, der immer ein Sender und Empfänger vorraussetzt und gelesen werden muss, mit dem energetischen Formationsbegriff zu versöhnen.

Ein System, eine Zelle, sei eine komplementäre Ballance zwischen statistischer Verteilung als Entropie (Zeit) und Formation (Ort). Entropie und Formation bedingen einander, aber sie können sich gegenseitig nicht zugleich rezipieren. Eine Art von meta-physischer Komplementarität. Irgendwo hier müsste es einen kritischen Wert geben, der angibt, unter welchen Bedingungen die komplementäre Ballance zwischen statistischer Verteilung (Zeit) und Formation (Ort) eine kritische Binnenspannung (Balancen als Spannungsgefüge), und damit eine Wand ausbilde. Eine Membran, eine Schranke – so dass sich ein System aufspannt, ein Unterschied, der einen Unterschied macht. Eine Zelle, ein Stein, ein Gehirn, ein Schokoladeneis, ein GEGEN-WART.

Lebende Systeme sind statistisch offen und formal geschlossen.

Aber weiter zur Blut-Hirn-Schranke.

Wie kann ich, frage ich Kaminski, denn mit einem Gehirn, dass selbst eine kritisch stabilisierte Form im Fließgleichgewicht darstellt und nur als solches evolutionär entstehen konnte, überhaupt Prozesse erkennen, die irreversibel sind, die einem klaren irreversiblen Zeitpfeil folgen, wie die Tasse, die vom Tisch fällt?

Kaminski meint, das Fließgleichgewicht des Gehirns sei geradezu eine notwendige Vorraussetzung dafür, um irreversible Prozesse zu erkennen. (Der General ist nicht Schlacht.) Die höheren Funktionen des Gehirn selbst, in seinem Innern, sind energetisch betrachtet reversibel strukturiert, weil es in einem mittleren Fließgleichgewicht sich etabliert.

Die Blut-Hirnschranke-sorgt dafür, dass es in einem “konstanten elektrochemischen” Millieu arbeitet. Was auch notwendig ist. Elektrochemisch sorgt die Blut-Hirnschranke im Innern des Gehirns für einen kleinen regulierten “Tidenhub” ähnlich Ebbe und Flut. Nicht nur bei der Sauerstoff – und Glukose-Versorgung, die ändert sich auch je nach Bedarf. Gemeint seien hier alle Stoffe, vor allem Ionen, die auf Grund ihrer Polarität das elektrochemische Milieu beeinflussten. Bei diesen Stoffen reguliere die Blut-Hirnschranke homoöstatisch, also auf Gleichgewicht. Damit werde den höheren Funktionen des Gehirns in gewisser Weise vorgegaukelt, dass es keine Bewegung gäbe, keine Zeit, dass immer alles gleich bliebe. Es könne vorwärts und rückwärts denken.

Seine höhreren Funktionen könnten aber nicht irreversibel denken. Sie können nur Irreversibilität abbilden, nachdem sie wahrgenommen wurde.

Das Gehirn kann vorwärts und rückwärts denken, aber (genau deshalb) kann es nicht irreversibel denken.

Irreversibilität kann es nur wahrnehmen, aber nicht denken. Man stelle sich die höheren Funktionen des Bewusstseins deshalb als Gummi-Ente in einer Wanne vor, das von einem Wellengenerator leicht hin-und herbewegt wird. Diese Gummi-Ente kann vorwärts und rückwärts denken, auch hin – und her – denken. Weil sie selbst eine Funktion des Fließ-Gleichgewichts darstellt. Aber niemals kann sie einen wirklich irreversiblen (unumkehrbaren) Gedanken denken, weil sie selbst im fein regulierten Hin-und Her eines quasi zeitlosen immer gleichen Milieu schaukelt. Die höheren Funktionen des Bewusstseins können deshalb keine Zeit denken, nur sensorisch wahrnehmen und verarbeiten.

Weil ich vor und zurückdenken kann, kann ich nicht irreversibel denken (!) Das hat Konsequenzen. Es wäre ein eindeutiger Beweis dafür, dass es die Welt da draussen wirklich gibt. Und ein Beweis dafür, dass die Weltwahrnehmung keine bloße Konstruktion des Gehirns ist. Denn das Gehirn kann Irreversibilität gar nicht selbst konstruieren. Es ist unmöglich. Nur wahrnehmen und abbilden. Damit kann man in Zukunft zwar nicht von einem platten Abbildungsverhältnis zwischen Gehirn und Realität sprechen, aber wenigstens von einem gegenseitigen Reflektionsverhältnis.

Alles was wir als irreversibel wahrnehmen, muss ganz eindeutig der “Welt da draußen” zugerechnet werden, die tatsächlich existiert. Für das Gehirn insofern immer ein Skandal. Das Anfluten und Abfluten von allen elektrochemisch kritischen Substanzen und Molekülen, die mittels der Blut-Hirnschranke kontrolliert Einlass und Auslass erhalten, sorgt im statistischen Mittel dafür, dass ein konstantes elektrochemisches Millieu aufrecht erhalten bleibt. Dieses konstante Millieu könnte man auch “Refferenz” nennen oder “Totalität” oder auch: Psycho-Physisches Gleichheitszeichen.

Das statistisch konstante Millieu ist notwendig, weil viele Nervenverbindungen ihre Erregungsweiterleitung nicht geschlossen verdrahtet, dafür synaptisch im synaptisch offenen Spalt auf den elektrochemischen Austausch ionisierter Substanzen (Neurotransmittter) gründen.

Gäbe es keine Blut-Hirnschranke, würden, übertrieben ausgedrückt, alle Substanzen aus einem Teller Spaghetti direkt ins Gehirn geschüttet. Salzig, sauer, basisch, minus, plus, etc…. würden unterschiedslos ins Gehirn geschüttet werden und dort elektrochemisch statistisch Entropie annehmen. Eine geordnete, unterschiedene, “geformte” Reizleitung wäre nicht mehr möglich. Die “Form” des Gehirns würde sich mit der “Form” des Spaghettihaufens vermischen. Es gäbe keinen Unterschied mehr, der einen Unterscheid macht.

Bei Drogenkonsum wird hier auch manchmal von der “bewusstseinserweiternden Wirkung” gesprochen. Und zu Recht. Drogen können die Blut-Hirnschranke überwinden. Ebenso wie das Gift des Skorpions.

Warum interessiert mich das eigentlich?

Die Systemtheorie steckt in einer Schwierigkeit. Mit den Worten System und Umwelt fokussiert sie ihre (sprachliche) Aufmerksamkeit stark räumlich. Um mit dem Moderator Slotterdijk zu sprechen: Sie betrachtet Globen, Sphären, Ballone, Blasen, Schäume…Bläschen.

Insofern wäre das Gehirn mit dem ZNS, ein durch die Blut-Hirnschranke “formulierter” zweiter Globus im Globus des Körpers. Die Bluthirnschranke “formuliert” diesen Unterschied und gibt damit die Vorraussetzung für beide Globen.

Das Interessante an dem Phänomen “Blut-Hirn-Schranke” scheint mir aber, dass hier nicht zwei “Räume” miteinander vermittelt werden, Vielmehr vermittelt die Blut-Hirnschranke eine räumlich irreversible Struktur (Nervengewebe, Gehirn) mit einem zeitlich reversiblen Fließ-Prozess (BlutKreislauf)

Eine zeitlich irreversilble Stukururbildung (Gehirn) wird hier mit einem zeitlich reversiblen Kreislauf durch eine Barrierefunktion miteinander gekoppelt. Dies natürlich schon seit 500 Millionen Jahren. Was wiederum dazu führt, dass die höheren Funktionen des menschlichen Gehirns in einem Fließgleichgewicht als reversibel funktionierend betrachtet werden können.

Da die Funktionen des Gehirns durch den elektrochemischen “Tidenhub”, den die Blut-Hirnschranke realisiert, statistisch in einem reversiblen Fließgleichgewicht eingebettet sind, kann das Weltbild der rechnenden Mathematik und Physik notwendig nur ein symmetrisches sein. Die höhreren Funktionen des menschlichen Gehirns selbst können also gar nicht anders, als psycho-physische “Gleichheitszeichen” zu produzieren – Symmetrien. Sie reproduzieren damit in gewisser Weise die Vorraussetzung für ihr eigenes Funktionieren. weil es selbst nur in einem Fließ-Gleichgewicht sich entwickeln konnte und darin gelagert ist, wie in einer komfortablen Eselsmilch.

Dass die Mathematik wie auch die Physik auf dem Gleichheitszeichen, sowie auf den wichtigsten Symmetrien der Erhaltungssätze beruht (Impulserhaltung, Energieerhaltung, Drehimpulserhaltung, Ladungserhaltung, plus Eichfeldsymmetrien), dürfte jedem einleuchten. Die Konsequenz aus diesen Überlegungen ist, dass ein menschliches Gehirn, nicht irreversibel denken kann. Das bedeutet, dass es “Zeit” nicht denken kann.

Zeit kann nur wahrgenommen, aber nicht gedacht werden. Es kann sie lediglich wahrnehmen als Erfahrungstatsache, als Axiom, so wie es den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nur “erfahren” kann, aber eben nicht selbst konstruieren. Es kann ihn deshalb auch mathematisch nicht beweisen, nur als Axiom immer wieder formal bestätigen.

Das Gleichheitszeichen und die Symmetrien, für die es steht, repräsentiert die Totalität des inneren physiologischen Fließgleichgewichts, in dem alle höheren Hirnfunktionen ablaufen.

Das innere psychophysische Gleichheitszeichen wird entweder religiös oder ideologisch – oder, in höchster Stufe symmetrisch mathematisch operativ reproduziert. Das psycho-pysische Gleichheitszeichen des Fließgleichgewichts wird operative Totalität. Je nach Entwicklungsstand heißt diese Totalität dann “Gott”, eine andere Totalität heißt “Führer”, wieder eine andere Totalität heißt “Kommunismus”, eine andere Totalität heißt “Kontinuum Humanum” , AllEinheit etc…. (Alleinheit – schönes Wort) Aus der Tauschsymmetrie ableiten ließen sich dann Fließgleichgewichtsoperationen, die das psycho-physische, elektrochemische Fließgleichgewicht reproduzieren, wie im “Opfer” bei archaischen Kulturen.

Archaische Kulturen suchen über das Opfer, das sie ihrem Gott darbringen, ein Fließgleichgewicht zu reproduzieren. Das entspricht der Reproduktion des Tiedenhubs im Anfluten und Abfluten des elektrochemischen auf statistische Konstanz getrimmten Millieus der höheren Hirnfunktionen. Dass die Gemeinschaft als “Selbst im Fließgleichgewicht” gegenüber der Irreversibilität versichert und damit “Sinn” produziert. Indem sie aber Sinn produziert, produziert und schließt sie sich selbst als Gemeinschaft, als geschlossene (zeitlose) Konstante.

Als weitere operative Stufe des Fließgleichgewichts kann das Geld betrachtet werden. In modernen bürgerlichen Gesellschaften fungiert das Geld schließlich als wiederum abstraktes Physis gewordenes Gleichheitszeichen, Ein Gleichheitszeichen, dass ein Fließgleichgewicht reproduzieren soll zwischen Ware und Wert. Der Handel als stabilisierendes Element. (Solange wir etwas hin- und her tauschen und handeln können, müssen wir uns um irreversibilität nicht kümmern. Alfred Sohn Rethel sagt hier an dieser Stelle auch: Solange gehandelt wird, stehen die “Waren” oder “Werte” nicht im Gebrauch. Ich füge hinzu: Sie stehen damit sozusagen außerhalb der Zeit. Solange lediglich gehandelt wird, nutzen sich die Dinge nicht ab – scheinbar. )

In sehr modernen Gesellschaften, wie in der unsrigen, beginnt sich ein Kreis zu schließen. Aber er schließt sich auf der Ebene 2. Ordnung. Das Geld wird getauscht und mündet ein und wird überführt in ein ontologisches Primäräquivalent. Es wird Information. Geld und Information sind äquivalent. Das Gleichheitszeichen nähert sich wieder dem an, was es ürsprünglich im einzelnen Gehirn immer schon war und darstellt: Ein rein statistisches (informelles) Fließgleichgewicht. Die nachrichtentechnisch produzierte und vermittelte Information aber ist ein rein statistisches Phänomen. Nicht Inhalte oder Eigenschaften sind mehr wichtig. Wichtig ist, dass der Fluss als Informationsprozess im “Hin und Her” der Kommunikationen am laufen bleibt. Als Fließgleichgewicht.

Dies führt dahin, dass Menschen in einer sehr modernen Gesellschaft, sich selbst zunehmend als eine von einem statistischen Fließgleichgewicht bewegte statistische Masse empfinden und zugleich auch so verhalten. Das Individuum verliert seine Eigenschaften an die Statistik der Informationsgesellschaft.

Moderne Zivilisationen nehmen durch Informationsflüsse und Formationsverarbeitung die Form eines statistischen Fließgleichgewichts an. Sie werden fließend, liquide und liquidieren damit auch die Eigenschaften der Individuen zu einem rein informativem Fließpotential, das zunehmend den Gesetzen der Thermodynamik unterliegt. (eigentlich in diese zurückkehrt, jetzt aber aus der Ebene des einzelnen Gehirns auf die Ebene der informationsverarbeitenden Gesellschaft.)

Die Gesellschaft mündet selbst in ein thermodynamisches (statistisches) Mehrkörper-Ensemble nach Ludwig Boltzmann. Hier haben die Individuen als Partikel kein Eigenschaften mehr, nur noch Freiheitsgrade.

Diese Freiheitsgrade teilen sie sich gleichwertig auch mit allen Dingen, Apparaten und Techniken, die mit den Anwendung der Statistik über Boltzmann, Planck, etc…in die Technik abgeflossen sind. Der Übergang in die Informationsgesellschaft bedeutet, dass die einzelnen Mitglieder oder auch Subsysteme weniger über die Systemtheorie beschrieben werden können, dafür mehr über die statistische Mehrkörperkinetik, in der die einzelnen Partijkel und Subsysteme als abstrakte eigenschaftslose Körper in einem Mehrkörper-Ensemble sich nach den Gesetzten der Entropie, also der Wärme-Statistik, verhalten.

Menschen und Dinge wären jetzt lediglich Vermittler von Freiheitsgraden und agieren als statistische Wärme-Menge, die zugleich eine informationelle Menge darstellt, innerhalb derer die Freiheitsgrade ineinander sich eintauschen können.

Es ist deshalb durchaus denkbar, dass zukünftige Gesellschaftsformationen sich als statistische Fließgleichgewichts-Regulatoren ausbilden. Wärmestaaten. Joulokratien, Infokratien, deren Administrative gemischt aus Großrechnern und “Polikern” eine Blut-Hirn-Schranke nachbilden, die ein optimales elektrochechmisches Fließgleichgewicht reproduziert und aufrecht erhält.

Ähnlich wie das statistisch konstante elektrochemisches Millieu könnte dann ein statistisch konstantes “staats-elektro-chemisches Millieu” etabliert werden, verbunden mit einer rückgekoppelten präzisen thermodynamisch statistischen Millieuabtastung. Dies hätte zur Folge, dass dem einzelnen Individuum innerhalb einer Gesellschaft nicht mehr ein maximaler Freiheitsgrad, sondern ein optimaler (statistischer) Freiheitsgrad eingeräumt wäre. Das Individuum würde aber nichts von dieser Verschiebung bemerken, weil jedes Individuum als Gesellschaftswesen auch heute schon, wenn überhaupt, immer nur seinen optimalen Freiheitsgrad erreicht, nicht seinen maximalen. Denn der maximale Freiheitsgrad ist jeweils der, der das Individuum selbst auflöst.

Die Selbstauflösung des Individuums wird heute zumeist negativ als Wahnsinn markiert oder positiv als Orgasmus begrüßt. Und zurecht gefeiert und gewürdigt. Da der Wahnsinn einzelner Individuen (Auch Einstein war damals, gemessen an der klassischen Physik seiner Umwelt ein Wahnsinniger) letztlich die Gesellschaft formiert, steht aber auch der Wahnsinnige (oder Orgiastische) in einer produktiven Funktion der Gesellschaft, die auf ihn ihre mentalen Außenränder oder Durchschnittszustände projeziert, um sich selbst als statistisches Mittel informativ zu stabilisieren/informieren.

Der Wahnsinn verhält sich damit in einer Informationsgesellschaft statistisch systemkonform. Er stellt kein Ausserhalb der Gesellschaft da. Er ist eine Funktion wie jede andere. Der Wahnsinn trägt zu ihrer Formation und Entwicklung bei. (Nietzsche oder Einstein muss man sich hier wie jedes “enfant terrible” als die bravsten Bürger vorstellen, als Funktionäre des Prozesses, die ihre statistische Pflicht erfüllen.)

Jede informative Statistik ist überhaupt nur von ihren Rändern her formulierbar und lesbar. Deshalb ist der Wahnsinn auch etwas, dass in einer Joulokratie wie in einem Mehrkörper-Ensemble nach Ludwig Bolzmann innerhalb der statistischen Verteilung läge und nicht ausserhalb. Ja sogar ausdrücklich erwünscht ist. Er moduliert die statistischen Ränder.

Diverse Science Fiktion-Autoren haben ein solches Szenario immer mal wieder problematisiert und zumeist als “Bienen-Staats-Totalitarismus” oder Hyperfaschismus oder “Matrix” genüsslich ausgeschlachtet. Verständlich. Denn sie haben nicht gesehen, dass ihre Bienenstaats-Totalitarismen lediglich die alten Subjektfunktionen des Menschen als “Eigenschaftsträger” auf einen totalitären Big-Brother projezieren. Der dann ein “Feind” ist. Und damit konnten sie ihre Geschichten erzählen, die als modernisierte Gut-Böse,- oder Liebe-Anti-Liebe- Schemata, die guten alten Antagonismen zwischen Individuum und Regime nur wiederholen, als modernisierte Projektionen der Verlusterfahrung eines vorstatistischen Subjekts, das selbstverständlich dafür immer irgendeinen bösen Big-Brother oder eine Macht, wie die Matrix verantwortlich macht. (Und damit wieder ein Gleichheitszeichen projeziert, wo keines ist. Der Mensch kann nicht irreversibel denken. )

Jeder Kampf ist nichts weiter als ein Ausagieren des inneren Fleißgleichgewichts, ein psychophysisches Gleichheitszeichen.

Die “Matrix” lebt nur als naive Projektion eines Subjekts aus dem vorstatistischen Zeitalter, dass seine momentanen Verlust an Eigenschaften gerade schmerzlich erfährt und deshalb zu gern auf eine “böse” Matrix projeziert, gegen die es dann kämpfen kann, um sich selbst zu behaupten. Im klassischen Selbstgestaltungskrieg. Um sein eigenes Gleichheitszeichen zu bestätigen. Da es aber unser eigenes inneres psycho-physisches Fließgleichgewicht der Blut- Hirnschranke ist, dass uns in einer Informationsgesellschaft untereinander als thermodynamische Statisten der Information immer ähnlicher macht, in dem es die ursprünglichen, dem Subjekt zugeordneten Eigenschaften per Informationstechnik in die thermodynamischen Statistik der Informationsflüsse überführt, hat ein Film wie die Matrix keinerlei philosophischen Wert. Weil hier noch “Eigenschaften” gegeneinander kämpfen. In einer Informationsgesellschaft gibt es aber keine “Eigenschaften” mehr, sondern nur noch ein Mehrkörper- Ensemble mit statistischen (abstrakten) Freiheitsgraden, die lediglich einem Wärmedurchsatz unterliegen. Deshalb bleibt die “Matrix” ein altes (beinahe beruhigendes) Märchen nach dem Hänsel und Gretel-Schema.

Mit anderen Worten: Der reale Prozess könnte viel schmerzloser und damit viel unspektakulärer ablaufen. Normaler. Gesetz den Fall, es käme zu einer “Matrix”, dann ließe sich auch niemand mehr denken, der nach ihr sucht, geschweige denn gegen sie aufbegehrt. Denn sobald es diesen einen Helden gäbe, gäbe es auch sofort keine Matrix mehr. “Matrix” und “Held” verhalten sich hier unhintergehbar komplementär. “Held” und “Matrix” bedingen einander, indem sie sich gegenseitig ausschließen, auch physisch ausschließen. So wie man nicht gleichzeitig Welle und Teilchen an einem Doppelspalt nachweisen kann, obwohl beide Zustände komplementär gekoppelt sind. “Matrix” und “Held” wären durch die Blut-Hirnschranke voneinander getrennt und komplementär miteinander gekoppelt. Ein Durchbruch der Blut- Hirnschranke würde beide füreinander adhoc unmöglich machen. Es gäbe keinen heldenhaften Kampf.

Die Blut-Hirnschranke macht uns physiologisch möglich. Aber ontologisch liefert sie uns aus. Der Vergleich einer Joulokratie mit einem Bienenstaat trifft auch aus einem anderen Grund nicht. Zwar wird in einem Bienenstaat die Temperatur reguliert, ob das hier aber als “Primär-Speisung” einer Gesellschaftsformation betrachtet werden kann, bleibt fraglich. Denn die Bienen sammeln Pollen, sie essen keinen Wärme. Sie essen Glukose und wandeln davon einiges in Wärme um, einiges in Bewegung und nur weniges in das, was einem nachrichtentechnischem Zeichenvorrat entspräche. Aber Bienen kennen keine Technik als Externalisierungen von informatorischen Potentialen.

Eine Informationsgesellschaft dagegen wird von Wärme gespeist und wandelt das meiste davon in Statistik um, in Informationsflüsse und lesbare Formationen. Ein auf der Blut-Hirn-Schranke zurück ballancierender Beobachter muss sich heute die Frage stellen, ob wir nicht längst, ohne es zu realisieren in einer Joule-Diktatur leben. (Die immer auch eine Informationsdiktatur ist.) Es scheint ihm, als seien es die “Wärme-Potentiale”, die Energien, die sich längst als der eigentliche “Souverän” innerstaatlicher statistischer Prozesse etablieren. Klimawandel, Ressourcenknappheit, reale Bedrohungsszenarien durch die vorhandene Wärmepotentiale von Atomwaffen lassen den Politiker aber auch jeden beliebigen Manager selbst zum eigenschaftslosen austauschbaren “Statisten” werden.

Das Individuum einer Informationsgesellschaft stabilisiert sein Fließgleichgewicht zwischen den beiden Polen Eigenschaft – und Freiheitsgrad. Da aber in einer wärmetransformierenden Informationsgesellschaft der Fluss der Information immer wichtiger wird als die Lesbarkeit der Form, bettet sich das Individuum zunehmend in ein rein statistisches Fließverhalten ein, in dem seine Eigenschaften sich in abstrakte Freiheitsgrade verwandeln, die sich nach den Gesetzen der Statisitik verhalten, als auch selbst wieder Statistik erzeugen.

Die Gesellschaft verwandelt sich in ein Statistik verarbeitendes und Statistik erzeugendes Mehrkörper-Ensemble mit rein statistischen, eigenschaftslosen, sich selbst ähnlichen Freiheitsgraden, zwischen Partikeln, die von einer Normalverteilung dominiert und von Rändern begrenzt wird.

Anders gesagt: In einer Informationsgesellschaft gibt es kein Individuum, das mehr tut oder mehr denkt als das, was sowieso immer gerade geschieht. Was früher seine Eigenschaften waren, ist jetzt sein Freiheitsgrad innerhalb einer Statistik. In einer Informationsgesellschaft ist jedes Individuum ein eigenschaftsloses Partikel der Statistik. Sein Verhalten folgt den Gesetzen der Thermodynamik eines Fließgleichgewichts.

Ein Großteil der Bevölkerung und auch des Journalismus glaubt immer noch, hierin eine Schwäche der Politik auszumachen, weshalb sie die Poliitker wegen ihres mangelnden “Charismas” , ihrer Unfähigkeit zu wahrnehmbaren Entscheidungen wegen verurteilt oder kritisiert. Was natürlich Unfug ist. Denn in einer Informationsgesellschaft muss jedes Subjekt seine Eigenschaften, sein “Charisma” an die statistische Funktion der Freiheitsgrade abgeben, die es im Beschreibungsrahmen der Entropie eines Mehrkörper-Ensembles als Wärmehaushalt im Fließgleichgewicht eigenschaftslos aufgehen lässt. Dies gilt auch für Politiker. Dass ein Politiker heute mehr als “Statist”, denn als charismatisches Subjekt agiert, kann ihm als Leistung angerechnet werden, nicht als ein Versagen. Zumindest sollte man es als logische Folge akzeptieren. Deshalb braucht man sich auch bei einem zukünftigen Präsidenten wie Barak Obama keinen Illusionen hingeben, dass mit ihm ein Zeitalter des charismatischen Visionärs anbrechen könnte. (Mit seiner wunderbar globalen Misch-Biografie steht er vorzüglich auf der Seite der thermodynamischen Statistik und des Mehrkörper-Ensembles. Schon deshalb wünsche ich ihm das Präsidentenamt.)

Trotzdem wird sich die globale Gemeinschaft irgendwann die Frage stellen, ob sie sich den Risiken einer blind wirkenden Joule- und Informations-Diktatur weiter aussetzen möchte, oder ob sie diesen Zustand nicht in ein geregeltes Fließgleichgewicht einer Joulokratie überführen sollte, in der die Informationen über Energien, Energieflüsse und Wärmepotentiale kontrolliert und schließlich regulativ an der Regierung beteiligt werden. Dies kann nur unter aktiver Beteiligung von leistungsfähigen Großrechnern geschehen, die eine genaue Statistik über den Energiedurchsatz einer Gesellschaft erstellen und diese Gesellschaft als Boltzmann-Mehrkörper-Ensemble auffassen, für das es nach den Gesetzen der Entropie ein optimales Fließgleichgewicht geben müsste.

Jeder Gedanke, jede Arbeitsleistung ist an einen Wärmedurchsatz gekoppelt. Eine solche Joulokratie wäre eben gerade kein Überwachungsstaat, weil sich die Administrative eben gerade nicht für Individuen (und deren Eigenschaften) interessiert. Denn ein Boltzmann-Mehrkörperensemble kennt keine Individuen, nur eine eigenschaftslose statistische Wärmeverteilung eigenschaftsloser Körper mit informellen statistischen Freiheitsgraden. Sie interessiert sich lediglich für die Energiedurchsätze als Statistik des Fließens. Sie interessiert sich nicht für lesbare Formen.

Deshalb würde hier auf molekularer Ebene weiterhin normales Zivilrecht gelten, dass von Subsystemen kommunikativ austariert ist. Das allerdings würde voraussetzten, dass diese Großrechner in der Lage wären, eine dynamische joule-mäßige Bestandsaufnahme, adäquat zur elektrochemischen Milieu-Stabilisierung der Blut-Hirnschranke beinahe sekündlich zu realisieren und ebenso sekündlich über Regulative als konstantes Millieu zu erhalten.

Dass es für eine Gesellschaft ebenso eine optimale Körpertemperatur geben müsste, wie sie die 37 Grad Celsius (mit Toleranzen) für einen Menschen als Metazeller nahe legen, ebenso wie eine Form der elektrochemischen Homoöstaseist nicht ausgeschlossen. Der französische Philosoph Bruno-Latour hatte ja schon ein “Parlament der Dinge” vorgeschlagen. Ein “Parlament der Wärme” scheint mir der heutigen Situation aber viel genauer angemessen. Da die Nachbildung einer solchen Barriere-Funktion, ähnlich einer Blut-Hirn-Schranke, heute auf Grund der noch völlig unterentwickelten Rechentechnik völlig ausgeschlossen scheint, muss sich auch kein Mensch Sorgen machen. Aber ein wenig Spekulation ist ja immer erlaubt. Eine andere Variante der Joulokratie legt nahe, Teile der nordafrikanischen Wüste mit Solar-Elementen zu bebauen. Berechnungen haben ergeben, dass eine Fläche, anderthalb mal so groß wie Deutschland, den gesamten Globus mit emissonsfreier Energie versorgen könnten, die allerdings sicher übertragen und zwischengepuffert sein müsste… man setzt hier aber einen wachsenden Wirkungsgrad der Elemente voraus und eine technischen Globalgesellschaft mit klaren zivilen Standarts. Heute ist Heute.

Zurück in die Gegenwart.

Das ehemalige Subjekt erster Ordnung, das in modernen Informationsgesellschaften seine Eigenschaften zunehmend an die Statistik der thermodynamischen Gleichverteilung im Fließgleichgewicht verloren hat, reagiert darauf heute bereits mit Selbstbehauptungsstrategien 2. Ordnung. Zellbildungen 2. Ordnung. Es muss neue Eigenschaften künstlich konstruieren. Es betreibt Seelen-Wellness in verschiedenen “informellen Millieus.”

Diese Eigenschaften sind aber keine Eigenschaften mehr, sondern statistische Freiheitsgrade. Die autopoeitische Selbstschließung zweiter Ordnung gründet Selbstfindungsgruppen, Fight-Clubs, retrokardinale Werteverbände, Bioläden, Bloggergemeinschaften, Lyrik-Semiotope, Swingerclubs, Ich-AG’s, oder findet sich mit hohem Wellnessbewusstsein zur Körperstrukturierung in Fittnes-Studios ein. Und gründet immer wieder auch noch, Gottseidank, neue Familien. Aber das Wort “Familienplanung” zeigt schon an, wohin auch hier die Reise geht.

Schließlich gründet es Unternehmen, die zumeist unter Zuhilfenahme modernster Informationstechnik selbst Informationen neu formieren, kommunizieren – und mit unternehmerischem Geschick, da Informationen immer noch nicht essbar sind, in altmodisches Geld zurück überführen, damit das tägliche Brot als (noch) notwendiges Wärmeäquvalent und Joule-Reservoire schließlich zur Aufrechterhaltung des innerkörperlichen Fließgleichgewichts teilweise wieder in Arbeit und teilweise in neue Formationen ausdifferenziert werden kann.

Die autopoeitische Selbstschließung 2. Ordnung, zu denen auch alle Formen neo-religiöser Rückbezüglichkeiten gehören, wird missverständlicher Weise oft als subjektiver Willensausdruck interpretiert und dem Kontinunum Humanum zugerechnet. Aber auch das Kontinuum Humanum ist ein Gleichheitszeichen, dass lediglich sein eigenes Fließgleichgewicht reproduziert, welches von der Blut-Hirnschranke formuliert wird und in eine Realität projeziert, in der lediglich irreversible Prozesse ablaufen. Das Gehirn kann nicht irreversibel denken. Das Kontinuum Humanum ist offenbar eine Illusion, die für die autopoietische Selbstbehauptung 2. Ordnung notwendig ist, um informelle Milieus auszubilden. Tatsächlich können die Selbstschließungsprozesse zweiter Ordnung mit der Formbildungsbeschreibung des 2. Glases (siehe oben) gut wiedergegeben werden. Es handelt sich um informelle Milieus in abkühlenden (sich mischenden) Milieus. Seit Ilya Prigogin heißen sie “dissipative Strukturen”.

Abkühlung ist eine Bewegung und kann Formen hervorbringen. Eine globalisierte Gesellschaft kann so als eine dissipativ sich mischende (abwärmende) Gesellschaft beschrieben werden, die auch neue dissipative Strukturen erzeugt (informelle Millieus) Diese neuen Strukturen etablieren sich im informativen Fließgleichgewicht nicht mehr zwischen Eigenschaft und Freiheitsgrad, dafür zunehmend als sich selbst informierende Formationen zwischen Form und Entropie.

Zu globalen dissipativen Strukturen gehören heute auch noch die informellen Milieus fanatischer Selbstschließungen in religiösen Werte-Gemeinschaften. (Statistische Ränder, die ein Mehrkörper-Ensemble braucht, um sich der statistischen Normalverteilung zu versichern. ) Hier deutet sich eine wirksame Äquivalenz zwischen Energie und Information an, die immer noch nicht ganz verstanden ist.

Das elektrochemische Fließgleichgewicht im Gehirn stellt eine “Totalität” her, eine notwendige Referenz, damit Reizübertragungsvorgänge im Unterschied dazu,einen Unterschied machen, der sinnvoll ist.

Gut, aber dann gilt das Gleiche auch umgekehrt. Denn unsere Erkenntnisse über Ladungen, Polaritäten, Ionen, Elektrodynamik, Fließgleichgewicht etc… beruhen ja wieder auf der Arbeit dieses Gehirns und auf einer Physik, die genau genommen über Jahrhunderte als symmetrisch organisierte Physik jetzt selbstrefferenziell nur ihre eigene Symmetrie wiederholt, in dem sie sagt, das Gehirn befinde sich in einem elektrochemischen Fließgleichgewicht, weshalb es also nur ein symmetrisches Denken hervorbringen könne, das dann wiederum von einem Gehirn spricht, in dem Polaritäten, Ionen, Fließgleichgewicht etc… ad infinitum. Und damit hätte man wieder nur etwas über das Gehirn erfahren und nicht über die Welt. Dieser Einwand scheint schwerer zu wiegen, als er tatsächlich ist. Ich kann ihn nicht wirklich entkräften.

Ich habe Kaminski gefragt, wie er einem solchen Einwand begegnen könnte, als Physiker. Kaminski, von dem ich immer noch nicht weiß, woran er als Physiker genau forscht, antwortete sehr positiv. Dieses Argument würde ihn inspirieren, denn es liefe darauf hinaus, dass es gar keinen Unterschied zwischen einer so genannten Lebenswissenschaft wie der Biologie und einer so genannten harten Wissenschaft, als solche die Physik manchmal ungerechterweise bezeichnet werde, gebe. Wenn Physiker lediglich sich selbst erforschten, dann sei das doch der Beweis, dass sie das Leben erforschten. So ein Fließgleichgewicht sei doch eine wunderbare Sache. Für Biologen und für Physiker. Im übrigen sei ja die Tatsache, dass es mathematisch und physikalisch nichtbeweisbare Axiome gäbe, geradezu der Beweis, dass ein Gehirn eben nicht alles könne, folglich könne es auch nicht alles konstruieren. Folglich müsse man Irreversibilität, die nicht bewiesen, sondern lediglich wahrgenommen und formal beschrieben werden könne, als härtesten Beweis für eine objektive Realität gelten lassen.

Ich fragte ihn, ob es ihn nicht störe, dass jemand dann behaupten könne, ein Physiker erforsche gar nicht sich selbst, sondern er reproduziere lediglich das elektrochemische Fließgleichgewicht seines Gehirns In Form von Symmetrien, Äquivalenzen, Gleichheitszeichen und Erhaltungssätzen? Er reproduziere also lediglich den Tiedenhub im Anfluten und Abfluten des elektrochemischen Millieus, das statistisch ungefähr immer das gleiche bleibe, selbst wenn es jahreszeitlichen, hormonellen oder Tag-Nacht-Schwankungen unterläge. Kaminskie hat mir darauf geantwortet, dass tatsächlich einige Hinweise dafür sprächen, dass die Astrophysik eine weiträumigere Variante der Hirnforschung sei, der Soziologie oder auch der Bewusstseinsforschung. Dies könne ausdrücklich auch umgekehrt gelten. Er wolle sich aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. So könne das rätselhafte Ausdehnungsverhalten des Universums als ein real existierendes statistisch-strukturelles Äquivalent zum menschlichen Reflexionsvermögen beschrieben werden. So wie ein Ich, dass über sich selbst sprechen könne und dann wiederum über dieses Ich, dass über sich selbst spricht in eine unendlich ausgedehnte Spiegelreflexion expandiere und sich von seinem inneren Kern immer weiter entferne, so expandiere eben auch der Kosmos. Es habe, nach heutigem Wissensstand, in der Geschichte des Kosmos Temperatur-Schwellen gegeben, die einem Reflexionsvorgang homolog seien. So sei zum Beispiel der erste Übergang von dem ursymmetrischen und ultraheißen Gluonenplasma hin zur Ausbildung der ersten Kraft, der starken Kernkraft, die einen ersten Atomkern bildete, einem Reflexionsprozess sehr ähnlich. Der erste Unterschied, der einen Unterschied mache. Das Universum konnte zum ersten Mal “ich” sagen. Denn in einem ursymmetrischen Gluonenplasma, das nichts weiter ist, als eine reine Wahrscheinlichkeitswolke, kann das Universum noch nicht “ich” sagen. Diese Situation entspräche in der Anthropogenese der Ausbildung des Spiegelbewusstseins erster Stufe. Man dürfe nicht vergessen, dass die Fähigkeit “Ich” zu sagen, bereits das Ergebnis einer Abspaltung sei. Schon das erste kindliche Ich, das “Ich” sage, sei das Ergebnis einer autopoeitischen Selbst-Schließung, und damit die Abspaltung eines Kerns von einem meta-physischen Wahrscheinlichkeitsplasma, zu dem es aber fortan eine komplementäre, sich gegenseitig abschirmende, in einem Fließgleichgewicht kritisch stabilisierte, Wechselbeziehung unterhalte. An dieser Stelle sei die Blut-Hirnschranke tatsächlich ein interessanter physisch-metaphysischer Wechselbalg. Wenn sich die Blut-Hirn-Schranke in eine sinnvolle Beziehung zu den höheren Hirnfunktionen setzten ließe, dann könne sie möglicherweise auch etwas zur Kosmologie beitragen. Dann sei sie eine Grenzbetrachtung wert. Die Einrichtung einer Sektion für Grenzbetrachtungen, etwa Psychokosmologie oder Neuroastrophysik sei in Erwägung zu ziehen. Die Wissenschaft sei aber deshalb nicht weniger wirklich. Im Gegenteil. Wir könnten uns selbst dann dabei zusehen, wie wir uns immer weiter ausdifferenzierten. …. und uns von uns selbst entfernen? – fragte ich ihn. (An dieser Stelle hatte sein Handy geklingelt. Unser Gespräch wurde unterbrochen, er musste weg.) Kaminski hatte mir noch gesagt, es sei im Grunde überhaupt garnicht sein Problem, die Frage, ob es eine beobachterunabhängige Realität gäbe, zu bejahen oder zu verneinen. Obwohl das Problem ja nun geklärt sei. Es würde ihn sogar langweilen. Es käme einem unergiebigen Ping-Pong-Spiel sehr nahe. Er als Wissenschaftler wisse aber, dass dieses Ping-Pongspiel notwendig sei als Frequenz zu einem oszillatorischem Reflexionsschema, dass er in einer Verbindung zu autopoetischen Schließungsvorgängen sehe. Entscheidend sei, dass etwas geschehe. Und dies würde ihn als Wissenschaftler täglich anstacheln und motivieren. Sogar als Mensch. Was die Leute glauben oder nicht glauben, interessiere ihn nicht. Es interessiere ihn ja noch nicht mal, was er selbst glaube. Die Wirklichkeit sei derartig phantastisch, dass er noch nicht einmal Phantasie brauche, um sich zu amüsieren.

Zur weiteren Befragung. Notizen zur Blut-Hirn-Schranke

Die Blut-Hirnschranke als halbdurchlässiger Spiegel, oszillierend.

Möglich, dass die heutige Hirnforschung, sofern sie dem Geheimnis des Bewusstseins auf die Spur kommen will, und solange sie ausschließlich innerhalb des Gehirns das Feuern der Neuronen untersucht oder den Glukoseverbrauch misst, nur immer zu Teil-Ergebnissen kommt. Wenn sie nicht zugleich die Stelle mit beobachtet, wo die Differenz, wo also der Unterschied erzeugt wird, der einen Unterschied macht. Ich denke mir die Blut-Hirnschranke als Vermittlerin zwischen zwei stofflichen Wirklichkeiten wie einen halbdurchlässiger Spiegel aufgefasst. Und die Primär-Reflektion, die noch vor aller internen Neuronen-Aktivität von einem solchen halbdurchlässigen Spiegel geleistet wird, müsste eigentlich eine stoffliche oder energetische Grenzreflektion sein, die dem Gehirn als Ganzem “sagt”, wo es anfängt und wo es aufhört. Wo also der Unterschied zwischen Gehirn und “Nichtgehirn” sich stofflich formuliert, bezogen auf seine räumliche Abgrenzung. Der Unterschied zwischen Reversibilität und Irreversibilität.

Außerdem müsste die Blut-Hirnschranke auch einbezogen werden in eine Betrachtung hinsichtlich einer Primär- Reflexion der Zeit. Denn sie reguliert ja auch die innere Stoffballance eines “Energieverbrauchers” und warmen Körpers, der abwechselnd Entropie produziert als auch reduziert. (Tidenhub) Mit Primärreflektion ist gemeint, dass die Blut-Hirnschranke als Vorraussetzung und als physisch-metaphysischer Reflektor betrachtet werden kann, an dem das Gehirn als physisch-metaphysischer Transformator seinen “Zeit-Ort” bezogen auf die Entropie formuliert und reguliert. Diese physisch-stoffliche Primärreflektion am albdurchlässigen Spiegel der Blut-Hirnschranke geht jeder denkenden “Ich”-Reflexion voraus.

Halbdurchlässigkeit kann physikalisch auch durch ein “Oszillieren” erreicht werden. So müsste sich die Blut-Hirnschranke oszillatorisch verhalten, oder wenigstens beschreiben lassen wie der Shutter an einem Filmvorführgerät. Dieser Shutter “osziliert” und ist so synchronisiert, dass er die Bildwechsel des Films genau verdeckt, so dass sich für ein träges Auge der Eindruck einer fließenden Bewegung sich darstellt. Der Shutter in einem Filmvorführgerät ist also “halbdurchlässig” und leistet in sofern eine Reflexion. Indem er die Bildwechsel sperrt, reflektiert er sie nach innen. Die Bilder die er freigibt, reflektiert er nach aussen.

Der Shutter in einem Filmvorführgerät ist ein grob mechanistischer Vergleich. Aber immerhin kommt er als Vergleich bereits aus dem technischen Zeitalter. Und er ist eine sehr gute Analogie, um Phänomene wie Komplementarität und Dialektik abzubilden, ohne dass man dafür eine besondere Logik bräuchte.

Um hier ausnahmsweise einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Der Vergleich mit dem Shutter meint gerade nicht die optische Signalverarbeitung des Auges oder des Sehzentrums. Der Vergleich meint die oszillatorische “Formulierung” des Gehirns als Ganzem an der Blut-Hirnschranke in seiner Abgrenzung zum übrigen stofflichen Millieu des Körpers.

Was wie ein Widerspruch klingt: Etwas muss oszillatorisch zerhackt werden, damit ein Fließen sich realisiert. Dieser Widerspruch aber entspricht eigentlich der Dialektik zwischen Information und Energie. Während “Energie” immer nur fließend (dissipativ) in Erscheinung tritt, kann die Formation immer nur als diskrete Einheit (1 Bit/Bild) beobachtet und gelesen werden. Wenn also die Blut-Hirnschranke als ein solcher oszillierender Shutter aufgefasst wird, dann “formuliert” sie Wirklichkeit, nicht innerhalb des Gehirns, sondern an seinen Grenzen.

Dann wäre die Blut-Hirnschranke die (eine) Grenze (im Universum), nicht die einzige, wo sich Energie in Information umwandelt und wohl auch umgekehrt. (Hirn-Blutschranke) Ohne, dass es hierfür zunächst einen Beobachter bedarf, der die Information liest. Die Blut-Hirnschranke ist dann die Grenze, die Information/Dissipation (Blut) und Form (Gehirn) oszillatorisch vermittelt, aber zugleich abschirmt und sie damit in ein komplementäres (oder dialektisches) Verhältnis stellt. (Das Gehirn kann Irreversibilität nicht denken, nur wahrnehmen.) Daraus folgte dann: Formation (Teilchen) und Information (Welle) können sich nicht gegenseitig wahrnehmen. Trotzdem sind beide wirklich. Was sie vermittelt, ist die Blut-Hirn-Schranke.

Auch die wichtigsten Experimente zur Quantenphysik werden heute mit halbdurchlässigen Spiegeln veranstaltet. Mit Mach-Zehner-Interferometern und deren Modifikationen. Hinsichtlich der dunklen Materie im Universum, die immer noch nicht aufgeklärt ist, ließe sich möglicherweise auch eine Shutter-Funktion als Barriere-Beschreibung annehmen. Ein Shutter muss ja nicht genau halbdurchlässig oszilieren. Er kann ja auch vierteldurchlässig oder achteldurchlässig, oder sechzehnteldurchlässig oder in allen möglichen Zahlenverhältnissen synchronisiert sein.

(ab hier wird’s endgültig spekulativ.)

So wäre die dunkle Materie im Universum möglicherweise das Ergebnis einer Synchronisation. Sie ist der “nach innen” reflektierte “Bildwechsel” als ausgeblendeter Anteil, der die sichtbare Materie als fließende Kontinuität etabliert, als ablaufender Film in Richtung Entropie. Wenn man einmal hypothetisch davon ausginge, dass die Ausdifferenzierung des Universums einem Reflexionsprozess gleichgestellt wäre, dem selben, der auch zur evolutionären Ausdifferenzierung des Gehirns geführt hat. Ob das jemand mathematisch beschreiben kann?

So würde sich das gesamte menschliche evolvierte Bewusstsein, (nicht nur sein Auge) zum Universum verhalten wie der Betrachter eines Films. Er sieht eine irreversiblen Film ablaufen. (2.Hauptsatz) Da er selbst ein Produkt des Universums ist, ist die Frequenz der Oszillation seiner Blut-Hirn Schranke (als Shutter) umgekehrt proportional zur (angenommene) Oszillation der dunklen Materie, die er weder wahrnehmen noch messen kann, synchronisiert. Als meta-physische Achsen-Synchronizität zwischen Blut-Hirn-Schranke und Dunkler Materie. (Da sich sowohl das Gehirn als auch die Blut-Hirnschranke evolutionär über Jahrmillionen ausgebildet haben, ist die physisch-meta-physische Abschirmung als evolutionäre Struktur nicht mit “bewusstseinerweiternden” Medikamenten sinnvoll oder etwa ad hoc aufzuheben. Denn Bewusstsein (Gehirn) und Realität (Blut) sind ja “schrankenvermittelt” über permanente Abgleichs – und Ausleseprozesse von der Zeit selbst mit formuliert worden. Jede heutige physische Struktur ist ja zugleich ein Zeit – Körper, gewachsene Zeit. Medikamente aber können nur auf Orts-Körper wirken, nicht auf den evolutionären Anteil von Zeit, der in jeder physiologischen Struktur enthalten ist.

Zur weiteren Bearbeitung: Ich würde die Blut-Hirn-Schranke gerne befragen, ob sie einen Betrachtungsort dafür abgibt, um die philosophische Barriere-Problematik, die letztlich immer eine bipolare ist, und die ich in Zukunft Barriere-Funktion nennen will, besser zu verstehen. Zum Beispiel die bipolare Barrierefunktion zwischen Leib und Seele. Oder die Barrierefunktion zwischen Bewusstsein und Realität. Zwischen System und Umwelt. Und letztlich eben auch, ob die physiologische Blut-Hirnschranke als Betrachtungsort für die Barrierefunktion zwischen Subjekt und Objekt irgendwie interessant sein kann. Dual – dichothomisch – binär – bifurkal – bipolar – es hat immer wieder Versuche gegeben, den Zwang zur Dualität, also zur Entweder/Oder-Alternative in Frage zu stellen oder sogar als hemmendes und unnötiges Dogma zu entlarven. Anstelle dieses weltanschaulichen Flick-Flacks könne doch eine dynamische, kreisende, mehrwertige, zwischenwertige, tripolare, multipolare, heterogene, multiuniversale, tänzerische, spirituelle etc…. Welteinvernahme treten. Ich wäre auch sehr dafür. Dieses ewige Hin-und Her kann einen schon Kopfschmerzen bereiten. Nur – wie man es auch dreht und wendet, alle kreisenden, mehrwertigen, multipolaren Versuche der Beschreibung lassen sich schließlich und endlich und in der Praxis immer auf die Grunddualität von Statik und Dynamik, Energie und Formation zurück definieren. Nicht zuletzt deshalb, weil die neuronalen Prozesse in unserem Gehirn tatsächlich auf einer einfachen Ebene, (nicht auf der Ebene ihrer Vernetzung) als An/Aus-Schalter konzipiert sind.

Ich nenne die Blut-Hirn-Schranke Betrachtungsort. Gemeint ist also nicht die mittelalterliche Suche nach einem “Organ für den Sitz der Seele” Befragt wird auch nicht ein “Organ für den Sitz der Philosophie.” Es soll lediglich eine Zone oder ein Ort des diffusen Übergangs zwischen zwei Wirklichkeiten erforscht werden als ein Ort, der eine “Dualität”, einen Unterschied bereits innerhalb des Metazellers Mensch formuliert. Ein Unterschied, der einen Unterschied macht. Ein neugieriger Beobachter will also nicht wissen, ob es eine Seele gibt oder ob es sie nicht gibt. Er will auch nicht wissen, ob es das Subjekt oder das Objekt wirklich gibt. Aber er will wissen, warum es einen “Instinkt für Dualität” gibt. (Auch der Antimetaphysiker Nicolas Luhmann kommt ohne diese Dualität nicht aus)

Die Barrierefunktion 1 + 1

Man stelle sich das Pluszeichen als ein Rotes Kreuz vor, das einen Schwerverletzten markiert. An dem Pluszeichen lässt sich gut die Ambivalenz einer Barriere erkennen. Ein vermittelnder Längsstrich wird durch einen senkrechten Strich zerschnitten. Eine Plus-Operation, die sowohl verbindet als auch schneidet. Das Pluszeichen als gekreuztes Pflaster auf einer heilenden Wunde. Schon die einfachste Addition verwandelt die so genannte Realität in eine Wunde. Aber ohne eine solche Verletzung gäbe es keine Barrierefunktion, zu der auch die Blut-Hirnschranke gehört. Die Blut-Hirnschranke als eine Wunde, die nie ganz schließt. Aber ganz ohne Blut-Hirnschranke wären wir nicht das, was wir sind. (Interessant ist vielleicht noch, dass 1-1 viel harmloser aussieht. Eigentlich viel freundlicher. Die beiden Einsen sind miteinander durch einen horizontalen Längsstrich verbunden. Kein Rotes Kreuz. Kein Schwerverletzter. Aber wenn man das rechnet, sind beide Einsen weg. Was noch?

Man könnte meinen, dass die Barriere-Funktion zwischen der Wirklichkeit Nr.1 und der Wirklichkeit Nr.2 eine typisch westliche oder abendländische Erbsenzählerei ist, zu der auch die vorangegangenen Hochkulturen beitrugen, die alle schon irgendeine Art von verletzender und zugleich verbindlicher Mathematik kannten. War es nicht der Westen, der allerspätestens seit Pythagoras so brutal scientistisch die Sphären getrennt hat, zählend zerschnitten, aufgereiht, kategorisiert, abstrahiert, hierarchisiert… Winkelfunktionen aus der schönen harmonischen Kreisbewegung der zyklischen Natur wie Tortenstücke herausgebrochen hat und seit dem die Welt in berechenbare Dreiecke und damit in operable Hackstücke zerfleischte, die er später dann auf den Grill seiner cartesischen X-Y Koordinatensysteme aufgespießt hat? Wo doch “die Welt” eigentlich und in Wirklichkeit eine ambivalente Einheit in Vielheit atmet, deren wahre Natur aber nie in Totalität erfasst werden kann. Weil jeder Betrachtungswinkel nur eine einzige Beobachterperspektive ist, eingebettet in einen unhintergehbaren Relativismus unendlich vieler Beobachterperspektiven, die sich dann irgendwann immer zu einem Zirkel schließen, aus dem es kein Entkommen gibt?

Es mag stimmen, dass das so genannte Abendland, zu dem auch grosse Teile des so genannten Morgenlands gehören, über einen speziellen philosophisch/religiösen Schlüssel die Dualität zwischen der 1 und der Operation 1+ , später dann über die 0 und die 1, technisch operabel gemacht und instrumentalisiert hat. Aber in jeder nichttechnischen oder nichtwestlichen Kultur, sei sie nun in Asien oder auf einer pazifischen Insel beheimatet, findet sich bereits das voll ausgebildete Ensemble der Dualität und damit eben das, was ich hier Barriere-Funktion genannt habe. Nur zeigt sie dort ein anderes Verhalten. Sie trägt andere Namen. Und sie bleibt im kreisenden Rhythmus der Regenzeiten, der Jahres – oder Erntezeiten der Gemeinschaft als geschlossene Dualität im Fließgleichgewicht von Ankunft und Wiederkehr, als rotierender Lebensprozess integriert. Ein kreisender Verlauf, aus dem (noch) keine euklidischen oder nichteuklidischen Winkeltortenstücke herausgeschnitten sind. Aber auch die Ngayo Dayak auf Süd Borneo kennen eine “Oberwelt” und eine “Unterwelt”. Das sind die Urwasser. Und Ihr “heiliges Land”, dass ihren Lebensraum bezeichnet, ruht auf dem Rücken der Wasserschlange. Es wird begrenzt von dem erhobenen Schwanz und dem Kopf der Gottheit der Unterwelt, die Schlange, die aus dem Wasser emporschaut.

Was mir an dem Bild der Wasser-Schlange gut gefällt, die mit dem Kopf und dem Schwanz aus dem Wasser schaut und auf deren Rücken die Lebenswelt, der Ngayo Dayak ruht – es ergibt eine Metapher für “Diffusion” innerhalb einer Barriere. Das gleichzeitige Durchdringen beider Sphären, die sowohl getrennt als auch verbunden sind. Wenn ich als systemtheoretischer Spieler “Blut” und “Hirn” für “Oberwelt” und “Unterwelt” setze, dann bezeichnet die Wasserschlange ein Ab- und- Auftauchen, eine Vermittlungsfunktion zwischen den Sphären. Die Blut-Hirnschranke. Sozusagen als ambivalenter Barrierengott. Die Welt der Ngayo Dayak in Borneo sitzt so auf dem Rücken der gewellten Wasserschlange, die hier auf-und abtauchend zwischen der Dualität von Oberwirklichkeit und Unterwirklichkeit vermittelt. Die einen Unterschied macht, der einen Unterschied macht. Ich würde hier deshalb sagen: Die Ngayo Dayak organisieren ihre Welterzählung paradigmatisch inmitten ihrer Blut-Hirn-Schranke. Welche Gründungsmythen oder Weltbeschreibungen aus welchen Kulturen man auch immer heranzieht, man wird Geschichten oder Bilder finden, die auf eine dynamische Barriere-Funktion verweisen, die eine Dualität zugleich trennt und formuliert. Einen Unterschied, der einen Unterschied macht.

Es bleibt keine spezifisch westliche Erfindung oder Angewohnheit, einen Unterschied zu machen, der einen Unterschied macht. Ob Diesseits und Jenseits, Oberwirklichkeit und Unterwirklichkeit, rechte Welt oder linke Welt, Leben oder Tod, Regenzeit oder Trockenzeit, Sommer oder Winter (- halt stop – hier gerät etwas zwischen die Zeilen, die Zeitlichkeit, die einen Unterschied macht, bisher war ja nur von Orten die Rede, aber davon später – ) alle Kulturen, auch die archaischen kennen (mindestens) eine Dualität, zwei Reiche, zwei Welten, zwei Sphären, zwei Zeiten, die durch eine Barrierefunktion einander vermittelt sind. Das Klisché, dass so genannte primitive Kulturen in einem “Einklang” oder einer “Einheit” oder in einem “einwertigen” Verhältnis mit der Natur leben, unterschlägt diese Dualität und erscheint mir deshalb ungenau formuliert. In ihren Erzählungen findet sich immer (mindestens) eine duale Grundalternative bewusst reflektiert.

Ein schönes Beispiel für eine Dualität formierende Barrierefunktion aus einer anderen Kultur überliefert der Budhismus. Hier erzählt ein Text, von Mircea Eliade dokumentiert, wie der Budha einem zweifelnden Mönch erklärt, warum metaphysische Fragen sinnlos sind. Der Mönch Malunkyhaputta ist unzufrieden und möchte von Budha wissen: “…. alle die Ansichten, die von dem Herrn unerklärt gelassen, beiseite geschoben oder zurückgewiesen worden sind, ob die Welt endlich sei oder nicht, ob die Seele das selbe wie der Körper sei oder nicht, ob ein Budha nach dem Tod sowohl existiere als auch nicht existiere -, diese Ansichten hat der Herr mir nicht erklärt, und dass sie mir der Herr nicht erklärt hat, gefällt mir nicht, es sagt mir nicht zu, ich will zu dem Herrn gehen und ihn darüber befragen. Wenn der Herr mir dies nicht erklärt, werde ich das mönchische Leben aufgeben und in das weltliche Leben zurückkehren….” Nachdem sich Malunkyhaputta dem Budha genähert und ihm seine Fragen gestellt hat, antwortet dieser.

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