Lokalhandel

Bei Ingwer ist er sich immer unschlüssig. Ingwer hatten sie jetzt auch nebenan. Im Allkauf. Klar hat er genügend Geld, seinen lokalen Händler zu unterstützen. Mein Gott, wir reden hier von ein paar Cent! Trotzdem ist bei Ingwer die Entscheidung knifflig. Einmal ist selbst der kleinste Strunk nebenan schon deutlich billiger. Und er muss ja sowieso noch in den Allkauf. Weil sein Weinkontor Samstag schon mittags schließt. Ist ihm vorher nie aufgefallen. Dumm. Mein Gott, Samstag heißt Schlendern und mit Muße über die Märkte und savoir vivre beim bewussten Einkauf! Wann denn sonst? Beste Zeit für Weinhändlers Geschäft. Sollte man ihm sagen. Obwohl: erwachsener Mensch, wird es selber wissen. Wer die Augen vor den Bedürfnissen seiner Kundschaft verschließt, der muß seine Plörre selber saufen. Dann eben den 1996er Gran Reserva von Allkauf. Der ist ok., findet auch Melanie.

Nur eben der Ingwer. Das ist halt das Problem. Wahrscheinlich holt ihn Herr Li oder Lee oder Lie (er hat den Namen nie geschrieben gesehen)  auch aus dem Großmarkt. Dass er aus dem gleichen Lande stammt wie der Ingwer, heißt ja nix. Oder war das China? Gibt es überhaupt Fair Trade bei Ingwer? Muss man der Fairness halber sagen: Das macht der Allkauf besser mit seinen Hinweisschildchen. Wenn Fair Trade, steht es dran.

Könnte Herr Li (er nimmt jetzt die kürzeste Form, er muß sich sputen und auch noch Max und Sophie vom betreuten Malen holen) doch handschriftliche Eikettchen draufkleben. Wie bei den Preisen, nur bisschen größer. Wäre doch egal, wenn da Rechtschreibfehler drin sind. Und die wären drin, die sind ja sogar auf der Markise: Obst – Gemüse – Tabackwaren. Er grinst. Vielleicht wollten sie Platz sparen. Backwaren und Tabak in einem. Wie viele Leute sind beim Markisen-Druckprozess beteiligt? Auch wenn Herr Li die billigste Druckerei genommen hat, muß es da doch wenigstens einen geben, der der deutschen Rechtschreibung mächtig ist. Oder er hat sich die bedruckte Markise schon aus Vietnam mitgebracht. Wahrscheinlich ist das immer noch billiger, als es hier zu machen. Trotz Brandenburg nebenan. An so kleinen Dingen siehst du halt auch die Globalisierung. Gerade an so kleinen Dingen.

Scheiße, ist das spät! Mela hat gesagt, dass sie heute auf keinen Fall einspringen kann. Nicht beim Einkaufen und nicht beim Max-und-Sophie-holen. Bis Montag muß ich den Entwurf in Reinzeichnung haben, also halt mir am WE den Rücken frei. Das bist du mir schuldig. Steht als P.S. auf dem Einkaufszettel.

Ein kleines Etikett hier am Ingwer – und man müsste über so einen Scheiß überhaupt nicht nachdenken. Vergeudung von Lebenszeit. Er ist echt kein Gesetzfreak, beileibe nicht. Aber hier bräuchte man klare Regeln für Anbieter. Vielleicht nicht immer Fair Trade. Bei manchen Sachen ist ja auch Regionalanbindung wichtig. Ist doch pervers, wenn der deutsche Ingwer liegen bleibt, weil der eingeflogene, von Billiglohnkindern geerntete, immer noch günstiger ist! Wahrscheinlich haben die auch gleich noch die Markise bedruckt. Scheiße! War das um Halb oder um Voll mit Max und Sophie? Hier ist immer eine Schlange in der Bude.

Bei Gas zumindest. Bei Gas MUSS es ein Gesetz geben. Haben sie bei Illner drüber gesprochen: Siebzig Prozent Gazprom! Muss man sich mal vorstellen! Siebzig Prozent des deutschen Gases sind von Gazprom! Oder gehen siebzig Prozent des Gazprom-Gases nach Deutschland? Egal. Auf jeden Fall eine Menge. Schröder, alles Schröder. Peinlich. Gazprom-Gas – das müsste automatisch draufstehen. Ich koch hier rum, und im Kaukasus bezahlen sie davon ihren Vormarsch. Da ist die Grenze definitiv überschritten. Obwohl es natürlich auch nicht so klar ist, wer da Aggressor war. Mal gesehen, wie Saakaschwili seinen Schlips kaut? Youtube. Großartig. Und wenn die Amis mit drin sind… über die Amis braucht man ja gar nicht mehr reden. Erstmal. Mal abwarten mit Obama.

Wie langsam ist diese Schlange hier eigentlich? Jedes Mal, wenn die Mutti von Herrn Li eintippt. Bei dem Tempo könnte es auch die Urgroßmutter sein. Mein Gott, Ihr habt bei euch doch die gleichen Zahlen! Es ist schon Halb durch! Allkauf muss noch. Die Kinder heulen bestimmt schon. Und die Maltrulla wird die Augen verdrehen. Scheiße. Li soll Aufkleber machen. Und beim Gas wäre es am besten, wenn man tagesaktuell entscheiden kann. Ändert sich ja ständig, die Nachrichtenlage. Linker Gashahn: Gazprom. Rechter: Ohne. Das wär zur Zeit am fairsten. Dann wird auch der Dialog nicht ganz abgedreht.

Handy. Melanie. Scheiße! Bestimmt hat sich die Maltrulla schon gemeldet. Ich ruf zurück, Mela! Bitte? Sechzehn fuffzig? Für Ingwer, das Öl und ein bisschen Zitronengras? Nein, er braucht keine Tüte. Er hat seinen Beutel dabei. Wie jedes Mal. Müsste die Alte langsam auch mal wissen. Das Handy klingelt wieder. Er packt sich das Wechselgeld und blafft Frau Li, die in Wahrheit Frau Nguyen heißt, an: “Es ist nicht gut, wenn nicht draufsteht, wer der Aggressor ist! Für uns Verbraucher!”

Raus aus dem Laden. Think global, act local. Für heute reicht es. Dann ruft er Melanie zurück.

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