TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Nostalgie-Bimbam oder Von der Angemessenheit der Waren / Teil II

Was bisher geschah: Noch in der Tür der Buchhandlung sinniert der Held treffend über die drei Erscheinungsformen heutiger Bücherstuben. Da wird seine Arbeit aufs Grausamste zunichte gemacht; der betretene Laden fällt ignorant aus besagtem Raster. So nicht, Freunde! Einer der Buchknechte wird es als Sündenbock büßen müssen.

Bei meiner Wahl lass ich mich von spontaner persönlicher Antipathie leiten. Ich will nicht unnatürlich wirken. Und hoppla! Ist das einfach hier. Der Kerl dort neben der Lyrikschranze mit dem Oberlippenbärtchen! Sie sieht aus wie seine Chefin, und er sieht aus, wie er sich einen crazy Prenzlauer-Berg-Buchhändler vorstellt: wie ein wilder, unangepasster Freeclimber, gerade erst zurückgekommen von seiner Barfuß-Ohne-Seil-Rückwärts-Mit-Augenbinde-Besteigung des K2. Selbst seine Brille wirkt irgendwie unrasiert. Ich wusste nicht, dass Fielmann eine Outdoor-Abteilung hat.

Für einen kurzen Moment habe ich die Vision, dass auf seinem T-Shirt „Lesen macht sexy“ steht. Die Vision verblasst. Auf seinem T-Shirt steht „Lesen macht sexy“. Die nächste Vision – er mit heruntergelassenen Hosen vor dem Fernseher, sich an alten Aufnahmen des Literarischen Quartetts ergötzend – verblasst unglücklicherweise weniger schnell. Ich zwinge meine schweifenden Gedanken in sachliche Argumentationsbahnen. Was macht es für einen Sinn, das Lesen innerhalb eines Buchladens anzupreisen? Wen, glaubst Du, musst du hier drinnen überzeugen? Kann ich mir ja gleich „Nieren-OPs sind geil“ auf meine Innereien tätowieren lassen. Andererseits: Dem Chirurgen, der sich im Moment des Chirurgierens schriftlich derart positiv bestätigt sieht, wird die Operation fürderhin beschwingter und leichter von der Hand gehen. Also ist auch die Lobpreisung des kaufwilligen Lesers im Moment des Kaufvorganges gar nicht so dumm; ich will nicht ungerecht sein.

HALT! Für einen Moment hatte ich vergessen, dass ich natürlich doch ungerecht sein will. Der Buchrebell spricht und erinnert mich an meine Rachemission. „Kann ich helfen?“ fragt er mich in einem Tonfall, der die Antwort bereits einschließt. Ja, er kann, verkündet der Subtext. Jede Aufgabe, die ich ihm stelle, wird er meistern. Und wenn ich ihn in die nördlichsten Regale jage und ihm auf dem Rückweg drei Zehen abfrieren –  ich kriege mein Buch, verkündigt mir auch seine Körperhaltung mit mountainbiketrainierter Sicherheit.

Und das ist sein Fehler. Zu große Selbstsicherheit macht unvorsichtig. Ich habe ihn jetzt da, wo ich ihn haben werde. Meine Falle schnappt zu.

Im dritten und letzten Teil geht es um Leben und Tod. Versprochen.

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