TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Natur der Technik 19

TRIPLET

Auf dem Parkstreifen einer Straße, direkt vor den Tischen eines kleinen Kaffees, hält ein Motorradfahrer.
Beim Abbremsen senkt sich die Gabel der Maschine vorne tief in die Holme.
Und federt nach.
Der Fahrer, bekleidet mit einer schwarzweiß vernähten Wetterkombination, klappt mit dem Fuss den Seitenständer herunter, kippt die Maschine in den schrägen Stand, stellt den Motor aus und schwenkt sein Bein über den Sitz.
Ein zweiter Motorradfahrer kommt heran gerollt, bereits mit abgestelltem Motor,
bugsiert er seine Maschine direkt neben die erste in den Parkraum.
Wenige Augenblicke später haben beide Fahrer die Helme abgesetzt und jeweils unter den linken Arm geklemmt. Sie umrunden die beiden Motorräder im Abstand von etwa Anderthalb Metern. Begutachten das, was da jetzt steht.
Nach einem weiteren Augenblick geht der Größere der beiden Männer vor seiner Maschine in die Hocke.
Er zieht einen Handschuh aus und befühlt an der Verkleidung den Rand einer Folie, die mit dem Wort Elmo bedruckt ist.
Viel mehr interessiert ihn aber eine winzige Schraube, deren Kopf nicht mehr ganz plan mit dem Verbundmaterial abschließt.
Er prüft, tastet, kratzt auch mit dem Fingernagel, und wendet dann seinen Kopf aus dieser hockenden Position seitlich nach oben, dem Gesicht seines Begleiters zu, der auf ihn herunter schaut.

*

Ein Paar, das eine Wohnung neu bezogen hat, überlegt, wen man zu einem kleinen Essen einladen könnte. Der Mann fragt seine Freundin, ob sie nicht das Asiatische kochen wolle, das ihr immer so wunderbar gelänge. Ruhig auch etwas schärfer, so wie es authentisch sei. Bis die Gäste kämen, werde er auch noch den schönen alten Spiegel montiert haben, im Flur, dann sei alles soweit fertig.
Die Schwester der Freundin wird angerufen, weiterhin zwei Freunde aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis. Vor allem auch Ralf, der ein echt witziger Typ sei und bestimmt gern mit dazu käme.
Aber habe sich Ralf nicht gerade von seiner Freundin getrennt? Trotzdem, man könne ihm ja Bescheid geben.
Am nächsten Nachmittag dann, zwei Stunden bevor man die Gäste erwartet, bei einer kleinen Annäherung und nach einem Kuss eine Frage ins Ohr geflüstert: Ob sie heute wieder dieses Kleid anziehen wolle, sie wisse schon, das mit den weinroten Spitzen, dass ihr so gut stehe. Sie könne sich dann auch vor dem neu montierten Spiegel im Flur bewundern…
Gegen 16 Uhr dann allmähliches Eintrudeln. Britta mit Andreas (“Wow, tolle Räume, Mensch ihr, also wirklich gut!”) Eine halbe Stunde später dann Dirk mit dem kleinen Anton und Simone (“Na mein Lieber, grüß Dich, habt ihr das gut hingekriegt hier, ihr beiden, och und Du hast dich aber chic gemacht, wohin mit dem Wein?”)
Als letzter dann Ralph (“Na Alter, schön dass du gekommen bist.” Die Jacke kannst du hier ans Häkchen baumeln.”)
Bald sitzen alle am Tisch. Das Essen ist wohl geraten. (Andreas: “Nee nee, genau richtig, ich liebe das so.”/ Dirk: Puh…. echt, also so machen das die Einheimischen dort auch. aber Klasse.” Ich nehme noch ein bisschen Reis.”)
Der Gastgeber meint, eine Scharfe könne eben nur scharf kochen, was die Gäste dann auch lachend bestätigen. In dem Kleid! Einfach vom Feinsten.
Überhaupt wird dann noch viel gelacht an dem Abend.
Über den mühselig abgeschliffenen Tisch, in den man soviel Kraft investiert habe, dass man ihn heilig sprechen und mit einem Glas Wein ruhig taufen dürfe, ach was – taufen müsse! Über den Blick aus dem Wohnzimmerfenster, den man jetzt genieße und der nur dann noch perfekter werden könne, wenn die Berliner Mauer wieder aufgebaut würde. Oder später dann über eine alte Geschichte, die insbesondere Ralph noch gut in Erinnerung haben müsse, weil sie ihm passiert sei.
Der Gastgeber setzt die Akzente. In fast jedem Satz verbirgt sich ein kleiner Dreh, den er nur herauspräparieren muss. Als Gastgeber, der hier die Impulse treibt. Vielleicht ein paar mal zu oft, als einmal zu wenig. Die Temperatur halten, in einem gastfreundlichen Optimal. Und der an diesem Abend auch seiner Freundin den Arm um die Schultern legt, ihr einen Kuss gibt, ihr, die ein oder zwei mal dabei leicht abwesend wirkt, aber angenehm.
Und als Simone vom Klo wiederkommt, hören alle noch eine Bemerkung über diesen wahnsinnigen Spiegel.
Ja, man habe ihn aufbereiten lassen, vor allem den komplizierten Rahmen. Bei Georgs. Das sei der einzige Restaurator in der Stadt, der so etwas wirklich beherrsche.

*

Ende Zwanzig, eine Frau, vielleicht Anfang Dreißig, läuft über den Platz.
Ihr Gang wiegt sich, vertikal bewusst, leicht angezogen.
Sie läuft nicht nur auf Sohlen. Sie läuft auf Ihrem Rücken,
auf Ihrem Hals, auf ihrer Stirn. Sie läuft auf ihrem Mund.
Sie läuft nach vorn.
Immer, wenn Sie einen Schritt macht – klappt – sich ein Dreieck auf.
Ihre Haare liegen rund im Bogen, wie geschält, an der Stirn.
Von dort kurven sie nach hinten.
Eine Strähne konstruiert ihr helles Ohr.
So auch ein Stück Hals zur sichtbaren Fläche.
Ihr Kostüm ist oben tailliert.
Sie zieht einen Hartschalenkoffer hinter sich her.
Der Griff lässt sich ganz versenken.
An der nach unten weisenden Kante
befinden sich kleine Rollen.

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