TEUTONIKA – Leben in Deutschland

Die 1.Feder


Manche Menschen haben das große Talent sich von der Nabelschnurabtrennung bis zum heutigen Tag aufs genaueste zu erinnern. Jede Kleinigkeit, jede noch so unwesentliche Geschichte ist in ihrem Schädel eingefräst und wird bei Bedarf von ihrer Zunge wie von einer alten Grammophonnadel abgetastet. Wie auch die alten Schelackplatten klingen diese Geschichten verkratzt und oft ein wenig blechern und hohl.

Trotzdem werden sie mir erzählt. Ob ich es will oder nicht. Ich habe keine Ahnung ob ich in diesen Momenten ein Schild auf der Stirn trage auf dem steht:” Kommt und erzählt mir bitte alles.”

Erst letzte Woche traf ich wieder so einen Kandidaten. Meine Person sollte Gedichte aus meinen Anfangsjahren, die für mich kurz nach der Erfindung der Keilschrift liegen, vortragen. Des Mutes wegen, den ich dort Neuschreibern zufügen sollte. Getreu dem Motto, gebt nicht auf, das besorgen andere für euch.

Wie ich mich nun nach dieser dreiviertel Stunde und den Zweiundzwanzig miserabelsten meiner Gedichte geschreddert hatte, die allerdings veröffentlicht und so für immer mein Bewußtsein lähmen, klopfte mir sehr jovial ein cirka vierzigjähriger Kerl auf die Schulter, steckte mir eine Zigarette ins Auge und begann sofort zu erzählen. In medias re, denn ich möchte nicht das sie mir gerade jetzt einschlafen, ging es so.

Sein Leben wäre bedeutungsvoll. Nein, literarisch wertvoll. Ich solle es aufschreiben und hat man es nicht gesehen, würde ich Ruhm und Ehre ernten, das wäre ja schließlich für einen Künstler wie mich das wesentliche und er würde die dadurch verdienten Millionen gut für mich anlegen. Ich verneinte nicht nur einmal. Doch er ließ sich durch nichts und gute Worte davon abbringen.

Selbst als ich ihm meine für solche Notfälle immer parate Gabel in die Hand stach, er hörte nicht auf zu schwafeln.

Da es auch in diesem Land verboten ist aufdringliche Zuhörer zu erschlagen und da ich vehement gegen Gewalt bin, lächelte ich mein diplomatisches Lächeln und vergiftete ihn kurzerhand mit der notwendigen Menge Zyankali. Das trägt ein guter Lyriker immer bei sich.

Ach was ich sie noch fragen wollte: ” Zu meiner nächsten Lesung kommen sie doch???

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