Die Insel

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Bald hatte Konrad erkannt, dass ein Mensch angetrieben wurde. Und er freute sich maßlos. Zugleich aber übermannte ihn auch die Sorge, ob dieser Mensch noch leben würde oder ob er, so noch Leben in ihm sei, nicht doch bald sterben müsse, und seine Freude verging fast sofort wieder.
  Auf einer großen Fläche aus gelber Plaste lag reglos eine Person auf dem Bauch. Merkwürdigerweise war sie nicht hinuntergeglitten. Konrad sah, dass es eine Frau sein mußte, denn sie trug ein langes weißes Kleid, welches auf der einen Seite der Kunststoffplatte ins Meer hing. Schuhe trug die Person nicht, hatte aber langes blondes Haar, das auch ihr Gesicht völlig bedeckte.
  Endlich hatte Konrad sie erreicht. Völlig erschöpft und mit Gier hielt er sich nun an seinem Fund fest. Und er schaute auf die Fremde. Minutenlang. Dann tastete er sich an die Seite der Fläche, die aufs Meer hinauszeigte, und schob, indem er vorsichtige Schwimmbewegungen mit den Beinen machte, die für ihn unermeßliche Kostbarkeit langsam dem Strand entgegen.
  Je näher er aber der Insel kam, desto mehr verfestigte sich in Konrad das Gefühl, dass die Frau doch schon tot wäre. Und er schwamm mit immer größer werdender Wehmut, aber so, als schöbe er die Frau allein in einen verheißungsvollen Himmel, der nun seine Insel sein sollte. Ob die Frau lebte oder tatsächlich tot war, spielte letztlich schon gar keine Rolle mehr.
  Was ist das für ein Tag, und warum lebe ich, dachte Konrad sich und hielt dabei manchmal im Schwimmen inne.

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