Die Insel

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Als wär´s ein Feiertag, so erwachte Konrad: Jedes Tun war mit einer außergewöhnlichen Bewußtheit im Erleben verwoben. Das erste Mal bei seinem Morgenbad im Meer vergaß Konrad sogar den Horizont nach Schiffen abzusuchen. Vielmehr genoß er jeden Atemzug, sah kleinen bunten Fischen nach, die im klaren Wasser ohne Angst an seinen Füßen hin und her schwammen, und wartete eigentlich doch nur.
  Später wieder am Ufer, streckte er sich lang in den Sand, und es schien ihm, als wäre er nun schon nicht mehr so entspannt. Und je länger der Tag wurde, um so mehr nahm seine Unbefangenheit auch tatsächlich ab, und eine quälende Unsicherheit ersetzte sie, gewann wider seinen Willen Macht, je stärker Konrad sich gegen sie wehrte.
  Traurig lag er da, mit dem Gesicht zum Boden gewandt, und konnte sich nicht mehr erklären, wie er noch Stunden vorher zu der sicheren Annahme gekommen war, die Frau würde ihn gerade heute aufsuchen. Als er aber durch die halb geschlossenen Augen neben sich auf einmal deutlich einen langen Schatten sah, da sprang er auf, als wäre er schmerzhaft gebissen worden, und verharrte dann. Denn vor ihm stand im weißen Kleid die Frau.
  Nicht allzu gut sah sie aus. Wenn sie auch leicht lächelte. Und braun war sie geworden. Und doch bemerkte Konrad auch sogleich eine Leere in ihren Augen, die ihn erschreckte und die er so sonst nur bei einem Menschen erlebt hatte. Der mußte damals durch einen besonderen Umstand urplötzlich erfahren, dass sein Leben mit ihm im Grunde nie etwas zu tun gehabt hatte. Und binnen Sekunden war er in jenem Augenblick zu einer leeren Hülle geworden, welche er auszufüllen sich aber nicht einmal vorzustellen vermochte.
  Hilflos sah sie aus und unbeschreiblich angreifbar. Und Konrad verglich sie mit jenem Zustand, in dem er sie gerettet hatte und in dem sie dem Tod so nahe gewesen war, sich aber selbst doch mehr entsprochen hatte.
  Und noch während Konrad so dachte, setzte sie sich in den Sand, was er dann auch tat. Er, ohne es zu wollen; als täte es allein sein Körper nur. Und doch empfand Konrad, er hätte ihr schon damit geholfen. Ja, erstmals seit seinem Leben auf der Insel war ihm, als trage ihn wirklich ein Gefühl.

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